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Rechtsextremer Gruß oder bloß OK-Zeichen? Gericht stoppt Schulverweis

GREIFSWALD. Das Verwaltungsgericht Greifswald stoppt vorerst den Schulverweis gegen einen Neuntklässler. Die Intention der von ihm gezeigten Geste in der KZ-Gedenkstätte Auschwitz sei nicht eindeutig. Das sieht das Internationale Auschwitz Komitee anders.

Dem Verein «democ» zufolge handelt es sich bei der «White-Power-Geste» um eine Umdeutung des OK-Handzeichens. Symbolfoto: Shutterstock / rurgrit

Hat ein Neuntklässler bei einer Studienfahrt in der KZ-Gedenkstätte Auschwitz wirklich den „White-Power-Gruß“ gezeigt oder doch nur ein „OK“-Zeichen? Aus Sicht des Verwaltungsgerichts Greifswald ließ sich bei der gezeigten Geste kein eindeutig rechtsextremer Hintergrund erkennen. Das geht aus dem Beschluss hervor, mit dem das Gericht den angestrebten Schulverweis gegen den Jugendlichen vorerst gestoppt hat.

Harsche Kritik an dieser Entscheidung kommt vom Internationalen Auschwitz Komitee: Auschwitz-Überlebende hätten «zunehmend das Gefühl, mit ihren Erinnerungen, Emotionen und Empfindungen missachtet und verdrängt zu werden», heißt es in einer Mitteilung des Komitees.

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«Die „White Power“-Bewegung ist sowohl rassistisch als auch antisemitisch»

Der Vorfall betrifft zwei Schüler aus Greifswald, die während einer Studienfahrt in der KZ-Gedenkstätte Ende Mai ein Video aufgenommen hatten, wie die «Ostsee-Zeitung» berichtet und das Bildungsministerium in Schwerin bestätigt hatte. Einer der Jugendlichen war darin mit einer dem rechtsextremen «White-Power-Zeichen» ähnlichen Handhaltung zu sehen. Daraufhin waren die Schulverweise ausgesprochen worden, gegen den sich der Schüler zur Wehr gesetzt hatte (News4teachers berichtete).

Der Verein «democ», ein Zusammenschluss von Journalist*innen, Wissenschaftler*innen und Medienschaffenden, die gemeinsam demokratiefeindliche Bewegungen beobachten, dokumentieren und analysieren, schreibt über die «White-Power-Geste»: «Unter Rechtsextremen wird sie als Symbol für „White Power“ verwendet – eine Ideologie, die die Vorherrschaft weißer Menschen propagiert.“ Und weiter: «Die „White Power“-Bewegung ist sowohl rassistisch als auch antisemitisch: Jüdische Menschen gelten dort als zentrale Feindbilder und angebliche Drahtzieher gesellschaftlicher Veränderungen – etwa im Zusammenhang mit Migration –, die als Bedrohung für die „weiße Rasse“ wahrgenommen werden. »

Gericht sieht keinen Beweis

«Der Bescheid postuliert, dass der Antragsteller das „White-Power-Zeichen“ gezeigt habe. Dieses Zeichen ist dem sowohl bei Tauchern als auch sonst (Whatsapp-Emoji) genutzten OK-Zeichen sehr ähnlich», heißt es in dem Gerichtsbeschluss. Bei beiden bilden Daumen und Zeigefinger einen Kreis. Der Unterschied bestehe darin, dass bei dem «OK-Zeichen die übrigen Finger geschlossen gerade nach oben zeigen, beim „White-Power-Zeichen“ abgestreckt werden, um ein „W“ zu symbolisieren», so das Gericht weiter.

Da der Schüler auf dem Video «die Finger nicht gerade ausgestreckt» habe, handele es «sich bei der Geste also weder um ein korrektes „OK“ noch um ein korrektes „White-Power-Zeichen“». Somit fehle es an Anhaltspunkten dafür, welches Zeichen tatsächlich gezeigt werden sollte.

Laut dem Verein «democ» handelt es sich bei der «White-Power-Geste» tatsächlich um eine Umdeutung des OK-Handzeichens. «Seit 2017 hat sich das Handzeichen – ebenso wie das dazugehörige Emoji – schrittweise im rechtsextremen Milieu etabliert. Die ursprünglich als Täuschung gedachte Umdeutung ist mittlerweile Realität. Heute dient das Zeichen zugleich als Erkennungsmerkmal, Provokation und „Insiderwitz“.»

Kritik an Schule und am Staatlichen Schulamt

In dem Beschluss des Verwaltungsgerichts wird auch Kritik an der Schule sowie am Staatlichen Schulamt geübt. So sei der Entscheidung, das Schulamt einzuschalten nicht von der dafür zuständigen Schulkonferenz, sondern nur von einem Teilgremium beschlossen worden.

Zudem habe es das Schulamt versäumt, näher auf die vermeintliche Intention der Geste einzugehen: «Aus der dem Gericht vorliegenden, kaum lesbaren Kopie des Verwaltungsvorgangs lässt sich lediglich entnehmen, dass der Antragsteller bislang im Schulalltag nicht negativ aufgefallen ist», heißt es in dem Beschluss. Insbesondere seien keine nationalistischen oder rechtsradikalen Tendenzen bekannt.

Auch das Gericht habe nichts derartiges feststellen können: «Es fehlt deshalb an einer hinreichenden Grundlage für die Annahme, es habe sich tatsächlich um die „White-Power-Geste“ gehandelt.»

Das sieht das Internationale Auschwitz Komitee anders: «Die Überlebenden des Holocaust fragen sich immer dringlicher, wie die deutsche Gesellschaft zukünftig mit diesem Potenzial des Hasses und der Verachtung leben will, dem mittlerweile durch rechtsextreme Agitatoren auch immer mehr junge Menschen ausgesetzt sind.» Laut Schweriner Bildungsministerium will das Staatliche Schulamt Greifswald Beschwerde gegen den Beschluss einlegen. News4teachers / mit Material der dpa

Rechtsextreme Provokationen von Schülern in Auschwitz – fast schon normal?

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