HAMBURG. Während SPD-Arbeitsministerin Bärbel Bas und VdK-Präsidentin Verena Bentele das Pensionssystem für Beamte öffentlich infrage stellen, gießt der „Spiegel“ mit einem aufsehenerregenden Interview weiteres Öl ins Feuer der Neiddebatte: Eine anonyme pensionierte Grundschullehrerin berichtet freimütig von ihren üppigen Altersbezügen. Zitat: „Ich kann gar nicht alles ausgeben, was ich bekomme.“ In der Debatte um Gerechtigkeit zwischen Renten- und Pensionssystemen dürfte das für Zündstoff sorgen.
Rita Sommerfeld (Name vom „Spiegel“ geändert), 72, blickt zufrieden auf ihr Berufsleben zurück. Sie war vier Jahrzehnte Lehrerin – zunächst an Haupt- und Realschulen, später an einer Grundschule in Hamburg. In einem Interview, das das Nachrichtenmagazin prominent bringt, erklärt sie: „Ich habe die Arbeit mit den Kindern geliebt.“ Noch im Jahr 2019 verabschiedete sie sich aus dem aktiven Schuldienst – mit einer 75-Prozent-Stelle, praktisch ohne finanzielle Einbußen.
Ihre Altersversorgung erscheint üppig: 2600 Euro Pension plus 600 Euro gesetzliche Rente ergeben 3200 Euro netto monatlich. „Das ist fast identisch zu dem, was ich zuletzt verdient habe“, berichtet sie offen. Grundsätzlich gilt laut „Spiegel“: Beamte bekommen nach 40 Dienstjahren als Pension bis zu 71,75 Prozent des Endgrundgehalts. Im Schnitt liegt die Pension etwa bei 3240 Euro brutto pro Monat. Sie wird aus Steuergeldern finanziert. In der gesetzlichen Rentenversicherung dagegen liegt die durchschnittliche Rente nach 45 Beitragsjahren bei rund 1800 Euro brutto im Monat. Rund zwei Drittel der etwa eine Million Lehrkräfte in Deutschland sind verbeamtet.
Die pensionierte Lehrerin bekundet: Die Unterschiede sind enorm. Vor allem, wenn man zusätzlich bedenkt, dass Lehrerinnen und Lehrer im Berufsleben nicht zwingend zusätzliche private Altersvorsorge betreiben müssen und so mehr von ihrem Gehalt zum Leben nutzen können. Und weiter: „Wenn ich sehe, was angestellten Freundinnen und Freunden von mir bleibt, habe ich schon sehr viel.“ Dass die Pension aus Steuermitteln stammt, blendet Sommerfeld nicht aus. Sie empfindet sich als „sehr privilegiert“ – und betont zugleich, mit vollem Einsatz für ihren Beruf gearbeitet zu haben: „Ich war nie krank, habe nie gefehlt und mit Herzblut gearbeitet – und daher ist es auch in Ordnung. Dennoch finde ich das, was Angestellten als Rente übrig bleibt, einfach zu wenig.“
Gedanken um ihre Altersvorsorge habe sie sich, anders als viele andere Beschäftigte in Deutschland, nie machen müssen. „Ehrlicherweise habe ich da nie groß drüber nachgedacht, dass ich Sicherheit haben will. Sondern immer einfach gemacht. Bewusst geworden ist mir das erst so richtig, als ich vor Jahren mal bei meinem Bankberater war. Er wollte mir eine Riester-Rente anbieten und sagte dann: Ach, Sie brauchen das ja alles gar nicht.“
Eine Lebensführung ohne finanzielle Sorgen
Sommerfeld lebt mit ihrem Mann – ebenfalls mit hohen Altersbezügen – im Haus ihrer Eltern, das sie bereits an ihre Kinder verschenkt hat. Ihre laufenden Kosten summieren sich auf rund 1800 Euro im Monat, darunter Ausgaben für Renovierungen, Versicherungen, Lebensmittel, Tennis und Reisen. „Ich könnte auch einige Monate ohne Pension überbrücken“, sagt sie.
Besonders brisant: „Ich kann gar nicht alles ausgeben, was ich bekomme.“ Der Überschuss fließt in ein Depot mit etwa 60.000 Euro – in Einzelaktien, ETFs und einige alte Schiffsfonds. Ein Notgroschen von 40.000 Euro liegt auf dem Konto. Ein Haushaltsbuch? Fehlanzeige. „Mein Mann wollte mal eines führen. Ich meinte nur: Das mache ich nicht.“ Grundsätzlich meint die pensionierte Lehrerin: „Man soll weitgehend auch in Pension so weiterleben können, wie im Arbeitsleben – und das finde ich auch in Ordnung. Trotzdem sind die Unterschiede zwischen Rente und Pension nicht gerecht.“
Das meint offenbar auch Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD), die erst im Mai mit dem Vorstoß für Schlagzeilen sorgte, das Pensionssystem zu reformieren. Ihr Vorschlag: Beamte – und damit auch die rund 650.000 verbeamteten Lehrkräfte – sollen künftig in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Das Ziel: mehr Beitragszahler, um das Rentensystem stabil zu halten.
Bas wörtlich: „In die Rentenversicherung sollten auch Beamte, Abgeordnete und Selbstständige einzahlen. Wir müssen die Einnahmen verbessern.“ Unterstützt wurde sie von Linken-Chefin Ines Schwerdtner: „Der Vorschlag ist ein erster Schritt zu einem Rentensystem für alle.“
VdK-Präsidentin Bentele fordert Abschied vom Beamtenstatus für Lehrkräfte
Ins gleiche Horn stieß Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK. Im SWR forderte sie unlängst offen: „Ich würde das Berufsbeamtentum in einigen Bereichen infrage stellen.“ Lehrkräfte sollten nicht länger verbeamtet, sondern angestellt werden – und damit Rentenbeiträge zahlen. Bentele provozierte: „Dann sagen viele Lehrer, wir haben ja so einen harten Job. Da kann ich nur sagen: Die Pflegekraft, die nachts mit 25 Leuten allein ist, die hat auch einen harten Job.“ Streikmöglichkeiten für angestellte Lehrkräfte sieht sie nach eigenem Bekunden gelassen: „Dann ist das eben ein pädagogischer Tag.“
Massive Gegenwehr: Kretschmann warnt, VBE-Chef schäumt
Die Reaktionen waren heftig. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) etwa warnt vor einem Kollaps des Lehrkräftemarkts: „Dann verschärfen Sie im eigenen Land den Lehrermangel.“ Auch das Kultusministerium im Südwesten betont: „Die Vorzüge tragen wesentlich zur materiellen Attraktivität des Berufs bei.“ Der VBE-Bundesvorsitzende Gerhard Brand sprach gar von einem Angriff auf den Staat: „Was als Gerechtigkeitsdebatte verkauft wird, ist in Wirklichkeit ein Angriff auf die Stabilität unseres Staates.“ Und polemisierte: „Bentele und Bas stehen mit dieser Meinung so einsam da wie ein Orangensaft in der Minibar von Udo Lindenberg“ (womit er allerdings dem mittlerweile bekennend gesund lebenden Lindenberg unrecht tun dürfte).
Brands Argument: Nur verbeamtete Lehrkräfte garantierten verlässlich Unterricht – ohne Streikrecht. Brand: „Wir müssen Lehrkräfte verbeamten, um Qualität im Bildungssystem und damit Bildungsgerechtigkeit zu gewährleisten.“
Zwischen gesellschaftlichem Neid und Systemfrage
Das Interview im „Spiegel“ dürfte in dieser aufgeheizten Debatte als Brandbeschleuniger wirken. Wenn eine pensionierte Lehrerin öffentlich erklärt, sie „müsse gar nicht alles ausgeben“, was sie an Altersbezügen erhält – dann drängt sich die Frage auf: Ist das noch angemessen? Die Seniorin selbst hält die Unterschiede zwischen Rente und Pension nicht für gerecht, sieht aber auch keinen Anlass zur Reform: „Der Staat ist verpflichtet, seinen Bediensteten eine besondere Versorgung zu gewähren. Und das finde ich auch in Ordnung.“
Die Gesellschaft aber könnte das – angesichts eines kontinuierlich sinkenden Rentenniveaus – zunehmend anders sehen. News4teachers
VdK-Präsidentin fordert Ende der Verbeamtung von Lehrkräften – VBE kontert scharf
