PADERBORN. Carsten Linnemann zündet die nächste Stufe in der Rentendebatte – und nimmt dabei Lehrkräfte ins Visier: Verbeamtet werden soll dem CDU-Generalsekretär zufolge künftig nur noch, wer klassische hoheitliche Aufgaben erfüllt. Lehrerinnen und Lehrer? Fehlanzeige. Der VBE spricht von einem „Angriff auf das Fürsorgeverhältnis“.

Der Vorschlag kam mit voller Wucht – und wohl auch mit voller Absicht. Beim „Tag des Handwerks“ (ausgerechnet!) in Paderborn erklärte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, eine große Rentenreform sei für ihn nur zustimmungsfähig, wenn parallel das Thema Beamtenversorgung angepackt werde: „Ich werde keiner großen Rentenreform zustimmen, wenn wir nicht an das Thema Beamtenversorgung gleichzeitig rangehen. Die Gesellschaft wird es auf Dauer nicht aushalten.“
Linnemann will die Verbeamtung künftig auf klassische hoheitliche Aufgaben beschränken – also auf Polizisten, Richter, Staatsanwälte, Finanzbeamte, Zoll. Dann aber „sei irgendwann gut“. Lehrkräfte? Keine Erwähnung. Feuerwehrleute? Auch nicht. Hochschulprofessoren? Ebenfalls nicht. „Nicht jeder soll verbeamtet werden“, so Linnemann – „übrigens auch nicht in den Verwaltungen.”
„Nach Jahren der dauerhaften Überlastung und angesichts des eklatanten Personalmangels an Schulen – eine Frechheit“
Die Reaktionen aus der Bildungswelt ließen nicht lange auf sich warten. Für den Vorsitzenden des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Gerhard Brand, ist die Sache klar: „Nach Jahren der dauerhaften Überlastung und angesichts des eklatanten Personalmangels an Schulen ist der Vorstoß der Bundesregierung nicht nur eine Frechheit, sondern auch ein unsinniger Bärendienst für die Attraktivität des gesamten Berufsfeldes.“
Brand erinnert daran, was der Beamtenstatus für den Schuldienst bedeutet – und wer ihn bisher getragen hat: „Wo stünden unsere Schulen heute, wenn die Lehrkräfte nicht trotz teils desolater Voraussetzungen stets ihren Teil der Verpflichtung erfüllt hätten, die sie mit der Verbeamtung eingegangen sind?“ Sollte die Politik ernsthaft beabsichtigen, dieses gegenseitige Fürsorgeverhältnis aufzukündigen, „werden die Konsequenzen für die Bildungslandschaft in unserem Land unabsehbar sein.“
Gerade in einer Zeit, in der demokratische Institutionen zunehmend unter Druck geraten, brauche es Verlässlichkeit – auch von staatlicher Seite: „Eine gute Bildung ist vielleicht die wichtigste Stütze einer demokratischen Gesellschaft. Eine solche Forderung kann langfristig Schaden anrichten.“
Auch der Deutsche Beamtenbund (dbb) schaltet sich ein – erkennbar empört. Bundesvorsitzender Volker Geyer lehnt naturgemäß den Vorschlag der CDU-Spitze entschieden ab und nennt dafür mehrere Gründe: „Erstens ist Bildung unserer Auffassung nach eine zutiefst hoheitliche Aufgabe.“ Zweitens sei auch die finanzielle Argumentation schlicht falsch: „Der Staat spart durch die Entbeamtung doch gar kein Geld. Im Gegenteil, die Bruttobesoldung müsste kurzfristig erhöht, Arbeitgeberanteile für die Rentenversicherung aufgebracht und Mittel für die Zusatzversorgung bereitgestellt werden.“ Sein dritter Punkt: „Und will Herr Linnemann wirklich Streiks an deutschen Schulen? Wir wollen das jedenfalls nicht.“
Ein Blick in die USA scheint Geyer zu beunruhigen: „Ich möchte nicht Verhältnisse haben wie in Amerika, wo ein Präsident alle auf einmal rausschmeißen und den gesamten Staatsapparat umbauen kann.“ Das Beamtentum garantiere Neutralität und Kontinuität – und sei ein „Bollwerk gegen Extremismus“. Es passe „zu 150 Prozent in die Zeit“.
„In die Rentenversicherung sollten auch Beamte, Abgeordnete und Selbstständige einzahlen. Wir müssen die Einnahmen verbessern“
Der Vorstoß Linnemanns ist kein Einzelfall. Bereits im Mai hatte Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) eine Rentenreform gefordert, bei der Beamte künftig in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen sollen (News4teachers berichtete). Angebliche Ziele: mehr Gerechtigkeit, mehr Einnahmen für die Rentenkasse. „In die Rentenversicherung sollten auch Beamte, Abgeordnete und Selbstständige einzahlen. Wir müssen die Einnahmen verbessern“, so Bas.
Doch auch hier liefen Beamtenverbände Sturm. „Einer Zwangs-Einheitsversicherung erteilen wir eine klare Absage“, hieß es beim dbb. Geyer: „Davon hätte niemand etwas, nicht die Rentenversicherung und nicht der Staat, der seine Beamten kostspielig nachversichern müsste. Für mich ist der Vorstoß von Frau Bas ein Angriff auf das Berufsbeamtentum. Ich kann die Bundesregierung nur davor warnen, diesen Weg zu gehen. Das wird auf unseren erbitterten Widerstand stoßen!“
Der dbb-Chef verwies darauf, dass zwei Drittel der Beamtinnen und Beamten einen Hoch- oder Fachhochschulabschluss haben. Ihre Erwerbsbiografien seien in der Regel nicht unterbrochen. Und beim Vergleich der Pensionen und Renten werde ausgeklammert, dass Arbeitnehmende meistens – ganz im Gegensatz zu verbeamteten Beschäftigten – zusätzlich eine Betriebsrente erhalten. „Wenn Sie das alles berücksichtigen, dann schrumpft der Abstand zwischen Beamtenpension und Rente so sehr, dass am Ende kaum noch ein Unterschied bleibt.“
Der Hintergrund all dieser Debatten ist klar: Die Rentenkassen geraten zunehmend unter Druck. Immer weniger Einzahler, immer mehr Empfänger – vor allem aus der Babyboomer-Generation. Auch bei den Beamtinnen und Beamten wirkt der demografische Wandel. 2024 zählten Bund, Länder und Kommunen 91 Milliarden Euro an Pensionszahlungen – doppelt so viel wie noch 2007. Und die Zahl der Pensionäre wird bis 2029 weiter steigen. Die langfristigen Pensionsverpflichtungen summieren sich bereits auf rund 903 Milliarden Euro. Und obwohl viele Bundesländer Rücklagen gebildet haben, wurden diese teilweise zweckentfremdet.
Umso größer ist der Druck, am Einstiegsalter für den Ruhestand herumzuschrauben – auf breiter Front. „Der demographische Wandel und die weiter steigende Lebenserwartung machen es unumgänglich: Die Lebensarbeitszeit muss steigen“, erklärte Bundeswirtschaftsministerin Katharina Reiche (CDU) in der vergangenen Woche (News4teachers berichtete) – und befand: „Es kann jedenfalls auf Dauer nicht gut gehen, dass wir nur zwei Drittel unseres Erwachsenenlebens arbeiten und ein Drittel in Rente verbringen.“ Ihr Appell: „Wir müssen mehr und länger arbeiten.“ Es gebe viele Beschäftigte in körperlich anstrengenden Berufen. Es gebe aber auch viele, die länger arbeiten wollten und könnten.
Lehrkräfte dürften dabei mitgemeint gewesen sein. News4teachers
