SCHWERIN. Nach Jahren schlechter Ergebnisse verbessern sich die Mathe-Abiturnoten in Mecklenburg-Vorpommern spürbar. Bildungsministerin Simone Oldenburg nennt Wahlaufgaben, Online-Kurse und Fortbildungen als Erfolgsfaktoren. Das wirft die Frage auf: Lassen sich grundlegende Probleme mit kleinen Stellschrauben beheben?
Noch vor wenigen Jahren sorgte das Mathematik-Abitur in Mecklenburg-Vorpommern regelmäßig für Negativschlagzeilen: 2021 mussten alle Prüfungen um zwei Notenpunkte angehoben werden, 2023 immerhin noch um einen Punkt – teils hatte jeder fünfte Prüfling null Punkte erzielt. Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) sprach offen von einem „Mathematik-Problem“, das bereits im Kindergarten beginne. Doch 2025 vermeldet sie nun: Die Ergebnisse haben sich teils deutlich verbessert.
Vor allem im Grundkurs mit wissenschaftlichem Taschenrechner (WTR) legten die Prüflinge zu. Das diesjährige Durchschnittsergebnis: 7,2 Punkte – eine glatte Drei. Zum Vergleich: 2023 lag der Schnitt noch bei 6,6 Punkten, 2022 bei 5,1 Punkten. In anderen Kursvarianten – etwa dem Grundkurs mit Computeralgebrasystem (CAS) – war der Anstieg moderater. In den Leistungskursen hingegen gab es sogar leichte Rückgänge. Oldenburg betont dennoch den positiven Trend: „Wir haben die Aufgaben erstmals verständlicher formuliert und Wahlmöglichkeiten eingeführt – wie es in vielen anderen Bundesländern üblich ist.“
Die Aufgabenumstellung gilt als zentrale Maßnahme der Reformbemühungen. Zuvor mussten in Mecklenburg-Vorpommern alle Aufgaben bearbeitet werden, jetzt können Schüler wählen. Hinzu kamen Fortbildungs- und Beratungsangebote für Lehrkräfte, zielgerichtete Materialien zur Prüfungsvorbereitung sowie ein digitaler Selbstlernkurs namens „Mathematik-Abiturtraining“.
„Wir müssen in der frühkindlichen Bildung ansetzen, in der Grundschule, in den Lehrplänen, in der Lehramtsausbildung“
Oldenburg führt die Besserung auf genau dieses Bündel zurück. Reicht das aber aus, um ein über Jahre gewachsenes strukturelles Problem zu lösen? Denn: Bereits vor drei Jahren hatte die Ministerin eingeräumt, dass sich mathematische Defizite von der Kita bis ins Abitur ziehen – und dass zusätzliche Unterrichtszeit und E-Learning-Formate diesen Rückstand kaum allein kompensieren könnten.
Die Bildungsstatistiken der letzten Jahre sprechen eine deutliche Sprache: Zwischen 2009 und 2023 seien die Mathematikleistungen im Nordosten „dramatisch“ abgefallen, so erklärte Oldenburg seinerzeit selbst. Während die Leistungen in Deutsch und Englisch weitgehend stabil blieben, rutschte das Mathe-Abitur in ein strukturelles Tief.
Dass diese Entwicklung mit der Pandemie verschärft wurde, steht außer Frage. Doch die Ursachen reichen tiefer: Mathematik wird seit Jahren als Fach mit besonders hoher Hürde wahrgenommen. Oldenburg, selbst ehemalige Gymnasial-Lehrerin für Geschichte und Deutsch sowie Ex-Schulleiterin, konstatierte ein grundsätzliches Mathe-Problem. Es gebe schon in der Kita Schwierigkeiten bei den mathematischen Kompetenzen, sagte sie 2022. Ein Fünftel der Kinder erfülle die Anforderungen nicht. In der Grundschule seien dann Lücken festzustellen, die in die höheren Klassen mitgenommen würden.
Mecklenburg-Vorpommern ist damit laut Oldenburg nicht allein – auch andere Bundesländer würden dieses Problem kennen. Trotz aller Bemühungen habe es bislang keine Verbesserung gegeben. Sie gehe davon aus, dass zu wenig Zeit zum Üben und Anwenden gebe. Die Ministerin kündigte Verschiebungen innerhalb der Kontingentstundentafel an, um diese Zeit zur Verfügung zu stellen.
Dass die Ergebnisse in den Mathematik-Leistungskursen dieses Jahr sogar wieder leicht zurückgingen, zeigt: Die Verbesserungen sind fragil. Eine grundsätzliche Wende, wie sie Oldenburg anstrebt, wird sich nicht über das Format der Prüfungen erreichen lassen. „Wir müssen in der frühkindlichen Bildung ansetzen, in der Grundschule, in den Lehrplänen, in der Lehramtsausbildung“, hatte die Ministerin selbst bereits 2022 betont. Da ist noch viel zu tun. News4teachers / mit Material der dpa
MINT-Studie: “Der Mathematik-Unterricht ist oftmals wenig kognitiv aktivierend”
