KIEL. Schleswig-Holstein kürzte oder strich, je nach Besoldungsgruppe, 2007 (wie andere Bundesländer auch) das Weihnachtsgeld für Beamtinnen und Beamte, darunter Tausenden von Lehrkräften. Obwohl der Fall seit Jahren beim Bundesverfassungsgericht liegt, steht eine Entscheidung aus. Der dbb drängt nun endlich auf Klärung – und will notfalls vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen. Es geht dabei um eine Menge Geld.
Der Streit um die Streichung beziehungsweise Kürzung des Weihnachtsgelds für Beamtinnen und Beamte im Jahr 2007 geht in die nächste Runde. Zwar wurde bereits im Jahr nach der Kürzung Klage eingereicht, zehn Jahre später landete der Fall beim Bundesverfassungsgericht. Eine Entscheidung steht laut dbb Beamtenbund und Tarifunion Schleswig-Holstein weiterhin aus. Deshalb sei nun in Karlsruhe eine Verzögerungsbeschwerde eingereicht worden.
„Das ist eines Rechtsstaates zunehmend unwürdig und den Beamtinnen und Beamten des Landes und der Kommunen so nicht mehr zuzumuten“, sagte der dbb-Landesbundvorsitzende Kai Tellkamp. Die Beschwerde sei laut dbb der „logische Schritt“, nachdem vor sechs Monaten eine Rüge ausgesprochen, aber ignoriert worden sei. Sollte die Beschwerde wirkungslos bleiben, sei der Beamtenbund bereit, zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu gehen.
„Das beklagte Land vermochte die damit gegebene Vermutung einer evident unzureichenden Besoldung nicht zu widerlegen“
Dabei geht es nicht nur um finanzielle Einschnitte für die Beamtinnen und Beamten. Fast täglich, so der dbb, gebe es neue Angriffe auf das Statusverhältnis. Dazu zählten Forderungen, die Zahl der Verbeamtungen drastisch zu senken, die Lebensarbeitszeit zu verlängern, Beamtinnen und Beamte in die Rentenversicherung zu integrieren oder Versorgungsfonds zu plündern. So solle der Fonds im nördlichsten Bundesland um 300 Millionen Euro „erleichtert“ werden, hieß es.
Schleswig-Holstein kürzte 2007 das Weihnachtsgeld für die unteren Besoldungsstufen und strich es ab Besoldungsgruppe A 11 ganz. Dagegen klagen Beamte der Gruppen A 7 bis A 16 – auch Lehrkräfte, wie die GEW mitteilte. Sie halten die Kürzung für verfassungswidrig, da sie das gebotene Maß der Alimentation unterschreite.
Das Finanzministerium prüfte 2015, ob die Beamten im Norden ausreichend bezahlt werden, und bejahte dies. Die GEW unterstützte Musterklagen mehrerer Mitglieder gegen die Streichung des Weihnachtsgeldes. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig-Holstein entschied dann 2021, dass die Besoldung mehrerer verbeamteter Lehrkräfte 14 Jahre zuvor gegen das verfassungsrechtliche Gebot der amtsangemessenen Alimentation verstieß. Diese Verfahren wurden daraufhin ebenfalls dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt „zwecks abschließender Überprüfung der bundes- und landesrechtlichen Vorschriften“, wie es bei der GEW heißt.
Aus Sicht der Gewerkschaft belegt die damalige Entscheidung des OVG, dass die Streichung des Weihnachtsgeldes nicht rechtmäßig war. Das Oberverwaltungsgericht stellte in der Begründung fest: „Das beklagte Land vermochte die damit gegebene Vermutung einer evident unzureichenden Besoldung nicht zu widerlegen. […] Ganz im Gegenteil sei es nicht angängig, den Beamten des Landes allein aus haushalterischen Gründen ein derart einseitiges Sonderopfer aufzuerlegen. Dies zeuge nicht von einem schlüssigen Gesamtsparkonzept.“
„Auch ich möchte Klarheit in dieser Frage und habe Verständnis, dass die Beamtinnen und Beamten eine baldige Entscheidung erwarten“
Sollte das Bundesverfassungsgericht die Wiedereinführung des Weihnachtsgelds oder Anpassungen in der Besoldung fordern, weiß das Finanzministerium in Kiel allerdings nicht, wie hoch die Ausgaben tatsächlich ausfallen würden. 2007 rechnete man mit einer Einsparung von 100 Millionen Euro pro Jahr. Eine Wiedereinführung könnte jedoch bis zu 140 Millionen Euro jährlich kosten, wenn man die Entwicklung von Besoldung und Inflation einbezieht, hieß es. Erkennt das Verfassungsgericht Nachbesserungsbedarf beim Besoldungsniveau, hat die Landesregierung ein Jahr Zeit, eine neue Regelung vorzulegen.
„Auch ich möchte Klarheit in dieser Frage und habe Verständnis, dass die Beamtinnen und Beamten eine baldige Entscheidung erwarten“, sagte Finanzministerin Silke Schneider (Grüne). Ob in welcher Höhe Nachzahlungen oder Anpassungen der Besoldung notwendig seien, bleibe abzuwarten.
Im Januar 2023 reichte der dbb eine weitere Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Dieses soll prüfen, ob die aktuellen Besoldungsregelungen für Beamtinnen und Beamte im Norden mit der Verfassung vereinbar sind. Durch Streichungen unterer Besoldungsgruppen seien mit einer im vorigen Jahr vollzogenen Reform die höheren Gruppen dichter an die Mindestbesoldung gerückt, was als Abwertung empfunden werde, erklärte der Landesvorsitzende Kai Tellkamp damals.
Zudem kritisierte er eine Schieflage, die durch den Fokus auf familienbezogene Leistungen entstanden sei. Das Bundesverfassungsgericht solle klären, ob das Land mit dieser Praxis, bei der die Besoldungshöhe teils vom Einkommen des Partners abhänge, gegen das Leistungsprinzip der Verfassung verstoße. Es bleibe abzuwarten, ob das Gericht die Beschwerden gemeinsam behandelt. News4teachers / mit Material der dpa
“Angriff auf das Fürsorgeverhältnis” – schon wieder: Jetzt sollen Lehrkräfte keine Beamten mehr sein