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Debatte um Beamtenstatus für Lehrkräfte: Warum bekommen angestellte Kollegen so viel (275.000 Euro) weniger?

BERLIN. Die von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann angestoßene Debatte über die Verbeamtung von Lehrkräften rückt die großen Unterschiede zwischen den rund 700.000 verbeamteten Lehrkräften in Deutschland und ihren etwa 300.000 „nur“ angestellten Kolleginnen und Kollegen in den Fokus. Mehrere Medien berichten. Die Spannungen zwischen beiden Statusgruppen entzünden sich an Einkommen und Altersversorgung.

Beachtliche Unterschiede. Illustration: Shutterstock

Jascha Bondzio, angestellter Lehrer aus Bielefeld, bringt seine Frustration in der aktuellen ARD-Sendung Plusminus auf den Punkt: „Wenn man davon ausgeht: gleiche Arbeit, gleiche Entlohnung – nachher aber eine solche Diskrepanz entsteht, ist das natürlich sehr bitter.“ Obwohl er dieselbe Tätigkeit ausübe wie seine verbeamteten Kollegen, müsse er im Ruhestand mit erheblich weniger Geld auskommen.

Der Sozialverband VdK hat die Unterschiede berechnet: Ein angestellter Lehrer mit einem letzten Bruttogehalt von 5.900 Euro bekäme nach 42 Dienstjahren 1.731 Euro gesetzliche Rente netto plus 580 Euro Zusatzversorgung. Ein verbeamteter Kollege dagegen erhielte 3.214 Euro Pension netto. Selbst wenn man mögliche Krankenversicherungskosten einrechnet, bleiben für die Tarifbeschäftigten fast 900 Euro weniger im Monat – und das, obwohl sie in die Rentenkasse einzahlen. Die Pensionen der Beamten werden hingegen vom Arbeitgeber finanziert, berichtete der MDR.

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Grundsätzlich gilt: Während Beamte im Ruhestand bis zu über 70 Prozent ihrer letzten Bezüge als Pension erhalten, liegt das Rentenniveau in Deutschland aktuell bei unter 50 Prozent.

Doch nicht nur in der Altersversorgung, auch im laufenden Berufsleben profitieren verbeamtete Lehrkräfte gegenüber angestellten von erheblichen Vorteilen. Sie erhalten neben einem oft höheren Grundgehalt auch Sonderleistungen wie Familienzuschläge. In Nordrhein-Westfalen bekommt ein verheirateter verbeamteter Lehrer 169 Euro zusätzlich, für Kinder kommen neben dem Kindergeld bis zu 730 Euro pro Kind hinzu. In Baden-Württemberg sind es für das dritte Kind sogar fast 990 Euro extra. Im Ergebnis können Beamte dort über 1.700 Euro zusätzlich im Monat erhalten – ein Betrag, der angestellten Lehrkräften nicht zugutekommt. „Dann kann man sich schon fragen, ob die Kinder von angestellten Kolleginnen und Kollegen weniger wert sind als die Kinder von verbeamteten Kolleginnen und Kollegen“, sagt Bondzio bitter.

Gewerkschaft SchaLL NRW rechnet vor: mindestens 275.000 Euro netto beträgt der Unterschied im Lebenseinkommen

Bondzio ist in der Gewerkschaft SCHALL („Schutzgemeinschaft angestellter Lehrerinnen und Lehrer“) NRW aktiv, die regelmäßig auf die gravierenden Unterschiede hinweist. In einer Analyse hält die Gewerkschaft fest: Tarifbeschäftigte Lehrkräfte haben in der Regel dieselbe Ausbildung, leisten die gleiche Arbeit und tragen die gleichen Belastungen – verdienen aber über die Lebenszeit hinweg eklatant weniger.

Mindestens 275.000 Euro netto beträgt der Unterschied im Lebenseinkommen zwischen angestellten und verbeamteten Lehrkräften, wie ein wissenschaftliches Gutachten im Auftrag von SchaLL NRW aus dem Jahr 2018 ergab. Besonders drastisch zeigt sich das bei den Altersbezügen: Tarifbeschäftigte erhalten bis zu 1.000 Euro netto weniger pro Monat als Pensionäre. Allein in NRW summiert sich der Nettolohnunterschied der rund 40.000 tarifbeschäftigten Lehrkräfte im Vergleich zu ihren verbeamteten Kolleg:innen in den vergangenen 30 Jahren auf 7,2 Milliarden Euro. „Die großen Gewerkschaften und Verbände reden bei Tarifverhandlungen gern über vermeintliche Sonderopfer der Beamtenschaft. Über dieses Sonderopfer der Angestellten wird geschwiegen“, heißt es bei SchaLL NRW.

Die Lehrerin Gabriele Stork schilderte ihre Erfahrungen gegenüber BuzzFeed News Deutschland von Ippen.Media. Sie arbeitet an einer beruflichen Schule in Baden-Württemberg und gehört zu den relativ wenigen Angestellten unter insgesamt rund 115.000 Lehrkräften im Land. Nur etwa 10.000 von ihnen sind tarifbeschäftigt.

Stork ist in der Entgeltstufe E13 eingruppiert und verdient rund 3.700 Euro netto im Monat. Ihre Kollegin mit identischen Qualifikationen, die jedoch verbeamtet ist, erhält in A13 rund 4.300 Euro netto – etwa 600 Euro mehr. „Grundsätzlich bin ich mit meinem Gehalt in E13 zufrieden, doch ich vergleiche mich auch mit den Beamt*innen, da ich ja die gleiche Qualifikation habe“, sagt Stork.

Hinzu kommen die Kinderzuschläge, die nur Beamte erhalten. In Baden-Württemberg sind das je 153,45 Euro für das erste und zweite Kind sowie knapp 990 Euro für das dritte Kind pro Monat. Tarifbeschäftigte gehen leer aus. „Bei der Bezahlung seiner Lehrkräfte hat der Arbeitgeber verschiedene Blickwinkel. Der Beamte wird so gesehen, dass er versorgt werden muss, deswegen erhält er Zuschläge. Ein Tarifbeschäftigter wird dagegen für seine Arbeitskraft bezahlt“, erklärt Stork.

Warum werden Lehrkräfte unterschiedlich beschäftigt?

„Als Tarifbeschäftigte zahlen wir bei den Sozialversicherungsbeiträgen jeweils die Hälfte der Kosten für Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Die andere Hälfte zahlt der Arbeitgeber. In die Pension zahlt der Beamte selbst nichts ein“, sagt Stork. Da man weniger verdiene, sei auch private Vorsorge schwieriger.

Doch warum werden Lehrkräfte unterschiedlich beschäftigt? Ein wesentlicher Faktor sind Altersgrenzen. In Baden-Württemberg liegt sie bei 42 Jahren – Stork überschritt sie bei ihrer Einstellung knapp und blieb deshalb angestellt. In Hamburg liegt die Grenze bei 45 Jahren, in Hessen bei 50. Für Mangelfächer werden Ausnahmen gemacht, allerdings nicht in allen Fällen. „Als ich eingestellt wurde, war BWL kein Mangelfach – zwei Jahre später schon. Aber dann ist man bereits im System, und es lässt sich nichts mehr ändern“, berichtet Stork.

Auch chronische Erkrankungen, psychische Vorerkrankungen, Rückenleiden, schweres Übergewicht, Diabetes oder andere Erkrankungen mit erhöhtem Ausfallrisiko können dazu führen, dass Lehrkräfte nicht verbeamtet werden. Darüber hinaus hatten manche Bundesländer die Verbeamtung schlicht zeitweise abgeschafft (zum Beispiel Berlin zwischen 2004 und 2023) und Lehrkräfte ausschließlich angestellt.

Was tun? Die Gewerkschaft SchaLL NRW fordert schlicht, den Tarifvertrag für angestellte Lehrkräfte nach oben hin anzupassen – nach dem Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Dann, so das Argument, könnte auf die Verbeamtung künftiger Lehrkräfte (wie von CDU-Generalsekretär Linnemann gefordert) auch gerne verzichtet werden. News4teachers

CDU-General Linnemann legt nach – assistiert von Wirtschaftsweisem: Lehrkräfte sollen nicht mehr verbeamtet werden

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