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Wenn Elternabende eskalieren: Lehrkräfte – zermahlen zwischen Rechtfertigungsdruck, Kritik und Erwartungen

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BERLIN. Elternabende gehören zum festen Bestandteil des Schulalltags – für viele Lehrkräfte sind sie jedoch alles andere als Routine. Statt konstruktivem Austausch erleben sie oft Rechtfertigungsdruck, Kritik oder überzogene Forderungen. In einer aktuellen Diskussion auf der Plattform Reddit schildern Lehrerinnen und Lehrer, wie sehr diese Termine an die Substanz gehen – und welche Strategien helfen können, sie zu überstehen. Wir haben mal reingehört.

Guten Abend, allerseits. Illustration: Shutterstock

Ein lauter Knall, dann dichter Nebel aus weißem Schaum: Mit einem Schlag ist der Elternabend vorbei. Unbekannte entleeren im Foyer einen Feuerlöscher, während mehrere Eltern und eine Lehrerin im Gebäude zusammensitzen. Die Feuerwehr rückt aus, von einem Brand ist keine Spur. Stattdessen liegt das gesamte Schulfoyer unter weißem Schaum. Drei bis vier Jugendliche sollen sich vor der Schule aufgehalten haben, die Polizei ermittelt.

Ein Ausnahme-Fall, was sich unlängst an der Mandelgraben-Schule in Ludwigshafen abspielte – klar. Doch auch ohne Löschschaum im Eingangsbereich sind Elternabende für viele Lehrkräfte eine echte Herausforderung: oft nervenzehrend, manchmal frustrierend. Das zeigt ein aktueller Thread auf dem Forumsportal Reddit, in dem Lehrkräfte offen über ihre Erlebnisse berichten.

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„Statt Dankbarkeit kommen gefühlt nur Beschwerden“

Eine Lehrerin eröffnet die Diskussion: „Elternabende sind einfach immer nur zermürbend. Statt Dankbarkeit kommen gefühlt nur Beschwerden. Unsere Schule geht gerade absolut den Bach runter und wir Lehrkräfte versuchen noch mit aller Kraft, unsere Arbeit zu leisten. […] Jedenfalls bringt der Elternabend gestern das Fass zum Überlaufen. Eltern beschweren sich, dass geklaut würde (fun fact: es wird nichts geklaut, das fehlende Stück taucht direkt nach dem Abend wieder auf…). Ob ich nicht Klassenarbeiten und Tests per Mail ankündigen könnte, weil die Kinder es nicht zuhause sagen. Und der absolute Oberknaller: eine Mutter lacht laut, als ich erkläre, dass die Themen für den Aufsatz noch nicht stehen. Meine Kollegin und ich müssen gefühlt alles rechtfertigen. […] Eigentlich weiß ich, dass die meisten Dinge überzogen sind, trotzdem nehme ich sie mir gerade doch sehr zu Herzen.“

„Man kann es nicht allen recht machen“

WoodWoodpeckerXX mahnt zur Gelassenheit: „Also ich sehe das alles locker. Wenn sinnvolle Kritik kommt, nehme ich sie an oder erläutere meinen Standpunkt. Ich rechtfertige mich nicht. Wenn Kritik größere Dinge betrifft, sage ich, dass ich das sehr gerne weiterleite. Manchmal ist es in Ordnung zu sagen: Meine professionelle Meinung dazu ist … und fertig. Ansonsten verabschiedet man sich schön vom Gedanken, dass man es allen Recht machen kann. Viele schätzen eine klare Haltung im Nachhinein.“

Zwischen Helikopter und „Scheißegal“

Musschrott schreibt: „Immerhin kommen noch Eltern zum Elternabend. Die Schere zwischen Scheißegal-ich-bin-lieber-Kumpel-Eltern auf der einen und den Helikoptern auf der anderen Seite geht – wie vieles in der Gesellschaft – weiter auseinander. Letztlich muss man die Eltern immer auch ein bisschen miterziehen. Damit meine ich vor allem professionelle Kommunikation – letztlich quasi PR, sich selbst und die eigene Schule gut verkaufen zu können, und solche Dinge nicht persönlich zu nehmen.“

No_Umpire_94 sieht Lehrerinnen und Lehrer als Leidtragende: „Leider sind die Lehrer oft Katalysator für alles, was Politik verursacht. Dass die Eltern selbst gestresst sind und kaum noch mit Arbeit und Förderung der Kinder klar kommen, ist kein Geheimnis. Ich lese täglich von Überforderungen durch Arbeit, Kinder-Betreuung und andere Baustellen des Lebens, in dieser herausfordernden digitalen Welt… Lehrer sind hier viel zu oft die Leidtragenden. Vor allem wenn Kinder dann noch gegen die Lehrer aufgehetzt werden…“

„Es macht so einen Unterschied, welche Eltern man hat“

viijou berichtet: „Das geht an die Substanz, wenn Eltern so kritisch und skeptisch sind. Aber so lange es sachlich bleibt, kann man gut drauf eingehen. Der Lacher war aber nicht angebracht. Bei mir läuft auch nichts perfekt, aber ich habe Glück mit den Eltern. Die sind sehr menschlich und verständnisvoll. Nur so ein, zwei Eltern sind unangenehm. Es macht so einen Unterschied. Elternabende sind zwar trotzdem nicht meins, aber bei Elternsprechtagen bekomme ich oft viel Dankbarkeit. Das tut sehr gut. Mein Einzugsgebiet ist auch nicht akademisch geprägt – die Menschen haben hier eher simple Jobs, manche sind arbeitslos, viele Hausmütter. So ein bisschen die Basis der Gesellschaft im positiven Sinne.“

Neue Formate und konkrete Tipps

MacLenski rät, das Format Elternabend zu überdenken – und schlägt stattdessen eine „Tischmesse“ vor, die für mehrere Klassen organisiert wird. „Lehrpersonen betreuen einen Stand zu gewissen Themen (Beurteilung, Handschrift, Lesestrategien etc.), es kommen außerdem Fachpersonen, die ihre individuellen Themen an einem Tisch betreuen. Eltern können an der Tischmesse schmökern, andere haben die Chance auf ein kurzes Gespräch mit der LP – und die LP wird nicht vor allen vorgeführt. Großer Fan. Eltern scheinen das auch sehr zu mögen.“

Alarming_Spinach6550 rät zu klarer Kommunikation: „Angespannte Situationen direkt anzusprechen, wenn man sie wahrnimmt, habe ich bisher immer hilfreich gefunden; Verständnis für die Situation der Eltern zum Ausdruck bringen, aber auch um Verständnis für die eigene werben. […] Ich würde dazu sowas formulieren wie: ‚Die Rahmenbedingungen sind gerade schwierig. Ja. Aber die Kinder zu erziehen ist unser gemeinsamer Auftrag – Ihrer Zuhause und meiner in der Schule. Ich halte es für wichtig, dass wir gemeinsam konstruktiv schauen, wie das gelingen kann.‘“

„Die Beschwerden kommen meist aus Unkenntnis und Unsicherheit“

Chemical-Horse-6599 empfiehlt digitale Transparenz: „Nicht direkt in die Verteidigung gehen, sondern die Fragen zurückspielen: ‚Wie würden Sie das denn machen wollen?‘ Das nimmt Druck raus. […] Ich finde es heutzutage eigentlich kein Problem mehr, Eltern in Sachen Klassenarbeitstermine einzubeziehen. Mit Tools wie Google Tabellen oder Google Kalender geht das unkompliziert. Dann können Eltern jederzeit nachsehen, wann welche Arbeiten anstehen.“

KommissarKrokette rät: „Die Beschwerden kommen meist aus Unkenntnis und Unsicherheit. Meist ist es gut, den Eltern einen Vorschlag zu machen, wie sie ihr Kind durch klare Strukturen unterstützen können. Arbeitsplatz aufräumen, Tasche packen, Termine notieren. […] Nie rechtfertigen. Immer Beschwerde aufgreifen, in Bezug setzen und mögliche Maßnahmen adressieren.“

Funky303 bringt digitale Tools ins Spiel: „Seit wir ein Kommunikationstool haben, sind die Terminprobleme weg. Unser Tool bietet ein digitales Tagebuch, digitale Absenzenführung mit sofortiger Rückmeldung, Notenrückmeldung mit Lesebestätigung. Damit sind viele Listen obsolet. Netterweise beinhaltet es auch ein Schülerbeobachtungs/-verhalten-Modul, sodass Eltern umgehend sehen, wenn sich ihre Sprösslinge daneben benehmen.“

Und wie ist die Elternsicht?

Die Diskussion unter Lehrkräften zeigt: Elternabende sind ein sensibles Format – zwischen Informationsaustausch, Rechtfertigungsdruck und dem Bemühen, Eltern mitzunehmen. Doch wie sehen das die Eltern selbst?

Der langjährige Berliner Landeselternsprecher Norman Heise betont auf dem Deutschen Schulportal, dass Elternarbeit nur dann gelingt, wenn sie auf Augenhöhe stattfindet. „Elternabende sollten so gestaltet sein, dass es nicht nur um Informationsvermittlung geht, sondern auch um Austausch“, sagt Heise. Entscheidend sei, dass Lehrkräfte nicht ausschließlich in die Rolle der Vortragenden gedrängt würden – und Eltern nicht in die des Publikums, das nur zuhört oder kritisiert.

Heise fordert: „Wichtig ist eine wertschätzende Kommunikation – und dass beide Seiten das gemeinsame Ziel nicht aus den Augen verlieren: die bestmögliche Bildung für die Kinder.“ Dazu gehöre, Konflikte offen anzusprechen, aber nicht im Tonfall der Konfrontation. Elternabende seien eine Chance, Vertrauen aufzubauen, Erwartungen zu klären und Missverständnisse auszuräumen. „Am Ende müssen Lehrerinnen und Lehrer sowie Eltern verstehen, dass sie keine Gegner sind, sondern Partner – in einer gemeinsamen Verantwortung für die Kinder.“ News4teachers 

Alle Jahre wieder: Warum Elternabende für Lehrer so nervenaufreibend sein können – eine Typologie

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