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“Wir müssen Messern den Kampf ansagen”: Debatte um Schülergewalt kocht hoch

ESSEN. Der Tag nach der Tat: In Essen steht das Berufskolleg unter Schock, nachdem eine Lehrerin durch einen Messerangriff schwer verletzt wurde. Während die Stadt kurzfristig Security einsetzt und der Oberbürgermeister schärfere Kontrollen ins Spiel bringt („Wir müssen dem Messer den Kampf ansagen“), mahnt die GEW zu nachhaltiger Prävention – und fordert mehr Unterstützung für Schulen.

Die Gewalt an Schulen nimmt spürbar zu – nicht erst mit dem dramatischen Geschehen gestern in Esssen. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) NRW sieht dringenden Handlungsbedarf. Schulen bräuchten mehr Unterstützung, damit eine sichere Lehr- und Lernatmosphäre gewährleistet werden könne. „Wir bekommen Rückmeldungen, dass verbale, psychische und körperliche Gewalt durchaus an der Tagesordnung ist“, sagte GEW-Landeschefin Ayla Çelik nach der Messerattacke auf eine Lehrerin eines Essener Berufskollegs. „Wir bedauern den Vorfall in Essen sehr und wünschen der Kollegin gute Besserung.“

Çelik forderte: „Vorsicht ist besser als Nachsicht. Deshalb erwarte ich von der Politik, dass sie in Prävention investiert und Lehrkräfte bei der Ausübung ihrer Arbeit schützt.“ Immer häufiger sei Gewalt Thema im schulischen Kontext – betroffen seien Lehrkräfte ebenso wie Schülerinnen und Schüler.

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Vielfältige Gründe für Gewalt an Schulen

Die Ursachen für den Anstieg seien komplex, so die GEW-Landeschefin. Gewalt müsse nicht zwingend im schulischen Umfeld entstehen. Familiäre Konflikte, wirtschaftliche Belastungen, soziale Medien oder der Zugang zu gewaltverherrlichenden Inhalten wirkten sich negativ auf die Psyche von Jugendlichen aus. Viele Lehrkräfte fühlten sich von ihrem Arbeitgeber nicht ausreichend geschützt. Fortbildungen im Umgang mit Gewalt, Deeskalationsstrategien und Unterstützung bei gefährdeten Schülerinnen und Schülern seien zentrale Bausteine. Damit diese Inhalte im Alltag auch greifen, brauche es aber zeitliche Ressourcen für Lehrkräfte.

Çelik forderte außerdem, die Präventionsarbeit systematisch auszubauen. Schulpsychologie und Schulsozialarbeit müssten gestärkt werden. Reine Sicherheitsmaßnahmen wie Taschenkontrollen oder Metalldetektoren seien hingegen keine nachhaltige Lösung. „Es müsse darum gehen, die Haltung zur Gewalt zu verändern, allein über Verbote erreiche man keine Verhaltensveränderung“, betonte die GEW-Landesvorsitzende.

Essens Oberbürgermeister bringt Kontrollen ins Gespräch

Nach dem Angriff auf die Lehrerin forderte Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) dagegen schärfere Waffenkontrollen an Schulen. „Wir müssen dem Messer den Kampf ansagen. Wer ein Messer hat, setzt es ein – und das führt genau zu solchen Taten, die wir vermeiden müssen“, sagte er beim Besuch des betroffenen Berufskollegs.

„Wir müssen reinschauen in den Tornister, reinschauen in den Rucksack“, so Kufen. In erster Linie müssten zwar die Eltern kontrollieren, doch auch die Schulen und die Stadt sollten unterstützen. Am Wochenende werde beraten, „welche zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen wir an dieser Schule und vielleicht auch an anderen Schulen ergreifen müssen“.

Als erste Konsequenz hat die Stadt einen Sicherheitsdienst engagiert, der ab Montag im Bildungspark Präsenz zeigen soll. Es gehe darum, das Sicherheitsgefühl bei Lehrkräften und Schülern zu stärken, erklärte eine Stadtsprecherin. Allerdings sei dem Sicherheitsdienst untersagt, in Rucksäcke zu schauen. Auch die Schulgemeinschaft müsse aufmerksam sein – wenn jemand ein Messer in der Schule zur Schau stelle, sollten Mitschüler dies melden.

Mordkommission ermittelt nach Messerattacke

Die Attacke selbst hatte am Freitag für Entsetzen gesorgt. Ein 17-jähriger Schüler soll seine 45-jährige Lehrerin mit einem Messer schwer verletzt haben (News4teachers berichtete). Nach Angaben der Polizei stach der Jugendliche mehrfach auf die Frau ein und floh. Bei seiner Festnahme zog er erneut ein Messer, woraufhin ihn Einsatzkräfte niederschossen. Er schwebt offenbar in Lebensgefahr.

Die Lehrerin wurde schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht, operiert und befindet sich stationär in Behandlung – Lebensgefahr bestand bei ihr offenbar nicht. Die Polizei setzte eine Mordkommission ein, wie es in solchen Fällen üblich ist. Zum möglichen Motiv äußerte sich die Polizei bislang nicht.

Unterricht soll normal weitergehen – schon am Montag

Trotz des schweren Vorfalls will die Bezirksregierung Düsseldorf, dass die Schule am Montag zum regulären Programm zurückkehrt. „Um der Schülerschaft durch gewohnte Abläufe Kontinuität und Stabilität zu bieten, ist ab Montag Unterricht nach Plan vorgesehen“, sagte eine Sprecherin. Die Lehrkräfte könnten den Unterricht aber flexibel an die jeweilige Klassensituation anpassen. Schulpsychologen seien bereits kurz nach der Tat vor Ort gewesen und würden die Schule auch in der neuen Woche wieder begleiten. News4teachers / mit Material der dpa

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