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Schüler ertrinkt beim Schulschwimmen: Alle Vorgaben eingehalten, trotzdem verurteilt? 

KONSTANZ. Ein Schüler ertrinkt beim Schwimmunterricht seiner Schule. Zwei Pädagoginnen werden wegen fahrlässiger Tötung verurteilt und gehen nun in Berufung. Der VBE beobachtet das Verfahren mit großer Aufmerksamkeit. Er meint, die Lehrerinnen hätten alle Vorgaben des Kultusministeriums eingehalten – und fragt nun, ob ein Schwimmunterricht unter diesen Bedingungen überhaupt noch möglich sei. 

Im Trüben. Foto: Shutterstock

Nach dem Urteil gegen zwei Pädagoginnen wegen des Todes eines siebenjährigen Schülers im Schwimmunterricht ist die Berufung für 2026 angesetzt worden. Die Verhandlung sei für das erste Halbjahr anvisiert, teilte das Landgericht Konstanz auf Anfrage mit. Der genaue Termin müsse noch bestimmt werden.

Ende Februar hatte das Amtsgericht Konstanz nach dem Tod des Zweitklässlers im Schwimmunterricht eine Lehrerin und die damalige Referendarin der fahrlässigen Tötung schuldig gesprochen (News4teachers berichtete). Die Anwälte der Frauen hatten nach dem Urteilsspruch Berufung eingelegt.

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Zweitklässler nach seiner ersten Schwimmstunde gestorben

Angeklagt waren die beiden Pädagoginnen wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassung. Der Zweitklässler war bei seiner ersten Schwimmstunde am 18. September 2023 ertrunken. Zu dem Unglück kam es nach Ansicht des Gerichts, weil alle 21 Schülerinnen und Schüler gleichzeitig ins Wasser gelassen wurden – darunter Schwimmer und Nichtschwimmer. Aus Sicht des Richters hätte der Tod des Jungen verhindert werden können.

Ihm zufolge hätten zur Sicherheit Gruppen gebildet werden müssen. Die Pädagoginnen hätten keinen Überblick gehabt über das Geschehen. Mindestens eine Minute sei der Junge im Wasser getrieben, bevor ihn die Lehrerin herausgezogen habe. Er wurde noch im Schwimmbad reanimiert, starb aber ein paar Tage später im Krankenhaus.

Die Lehrerin war zu neun Monaten Haft auf Bewährung und einer Schmerzensgeldzahlung von 10.000 Euro an die Eltern des Jungen verurteilt worden. Die damalige Referendarin bekam sechs Monate Haft auf Bewährung und sollte 7.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Beide Strafen waren auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt worden. Die Lehrerin hatte vor Gericht erklärt, dass sie die Kinder im Blick gehabt habe. Die Verteidigung hatte einen Freispruch gefordert. Nach dem Urteil kündigten die Anwälte der beiden Pädagoginnen Berufung an.

Das Urteil hatte laut dem Lehrerverband VBE für große Verunsicherung bei Lehrkräften versorgt. «Die Lehrkräfte hatten sich an die Vorgaben des Kultusministeriums gehalten, sie sogar übertroffen. Uns erschreckt, dass die beteiligten Lehrkräfte nun dennoch verurteilt wurden», hatte VBE-Chef Gerhard Brand in einem Brief an Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) und mehrere Bildungspolitiker im Landtag geschrieben. Viele Lehrkräfte stellten sich nun die Frage, ob und wie der Schwimmunterricht unter diesen Vorzeichen überhaupt noch möglich sei.

“In der Durchführung ist eine dauernde, vorausschauende und umsichtig beobachtende Beaufsichtigung der Schwimmgruppe notwendig”

Im Antwortschreiben heißt es: «Auch das Kultusministerium hat der Tod des 7-jährigen Schülers sehr erschüttert. Die durch den tragischen Unfall und das Gerichtsurteil bei den Schwimmlehrkräften entstandene Verunsicherung können wir gut nachvollziehen.»

Aber: Nach den Vorgaben «müssen die eingesetzten Lehrkräfte den Schwimmunterricht unter fachdidaktisch-methodischen wie auch organisatorischen Gesichtspunkten kompetent durchführen und so gestalten, dass unter präventiven Aspekten mögliche Risiken durch Beachtung aller Möglichkeiten der speziellen Methodik, der sorgfältigen Organisation des Schwimmunterrichts und der gewissenhaften Wahrnehmung ihrer Aufsichtspflicht vermieden werden. Zudem muss die Lehrkraft die notwendige Vorsorge für die Sicherheit (Prävention) der Schülerinnen und Schüler treffen. Aus der Obhutspflicht ergibt sich bereits in der Planungsphase die Notwendigkeit, das Alter, die geistigen Fähigkeiten, den Charakter, die körperlichen Fähigkeiten, die Wassertiefe, die Übersichtlichkeit der Schwimmhalle und aus dem öffentlichen Badebetrieb hervorgehende Konsequenzen zu beachten. In der Durchführung ist eine dauernde, vorausschauende und umsichtig beobachtende Beaufsichtigung der Schwimmgruppe notwendig. Zudem sollen für Schwimmer und Nichtschwimmer nach Möglichkeit getrennte Schwimmgruppen gebildet werden.»

In seiner mündlichen Urteilsbegründung sei das Gericht davon ausgegangen, dass nicht alle Vorgaben des Kultusministeriums für die Erteilung von Schwimmunterricht durch die beiden Lehrkräfte eingehalten wurden. «Nach Auffassung des Gerichts kam es zum Unglück, weil alle 21 Schülerinnen und Schüler bei unzureichenden Sicherheitsvorkehrungen gleichzeitig ins Wasser gelassen wurden und keine Trennung zwischen Schwimmern und Nichtschwimmern vorgenommen wurde.»

Letztlich sei das Urteil noch nicht rechtskräftig, so das Kultusministerium. «Eine abschließende Beurteilung, welche Konsequenzen zu ziehen sind, ist daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht möglich.» News4teachers / mit Material der dpa

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