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Beamtenrecht: Wann ist die Besoldung angemessen? Karlsruhe macht konkrete Vorgaben – GEW: “Befreiungsschlag”

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KARLSRUHE. Die Bezahlung von Beamtinnen und Beamten ist in vielen Bundesländern immer wieder Streitthema. Karlsruhe macht nun erneut Vorgaben für eine angemessene Besoldung. Der Deutsche Beamtenbund (dbb) betont die grundsätzliche Bedeutung des Urteils – das (auch mit Blick auf die anstehenden Tarifverhandlungen für den Öffentlichen Dienst der Länder) Konsequenzen haben müsse. Die GEW spricht sogar von einem „Befreiungsschlag“. Rund 600.000 Lehrkräfte in Deutschland sind Beamtinnen und Beamte. 

Da geht’s lang. Foto: Shutterstock

Die Besoldung zahlreicher Berliner Beamtinnen und Beamten war über Jahre verfassungswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden. Die entsprechenden Regelungen im Berliner Besoldungsrecht waren in den Jahren 2008 bis 2020 demnach überwiegend nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Dabei ging es um Gruppen der sogenannten Besoldungsordnung A.

Als Besoldung wird die Vergütung von Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richtern und Soldatinnen und Soldaten bezeichnet. Nach dem im Grundgesetz gewährten Alimentationsprinzip ist der Dienstherr verpflichtet, diesen Menschen und ihren Familien im aktiven Dienst, bei Invalidität und im Alter einen Lebensunterhalt zu bieten, der ihrem Amt angemessen ist.

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Mindestabstand zur Grundsicherung – und Anpassung aller höheren Besoldungsgruppen

Seit Jahren gibt es in vielen Bundesländern Streit um die Höhe der Besoldung – der auch immer wieder in Karlsruhe landet. Das Bundesverfassungsgericht hat seit 2015 in mehreren Entscheidungen einen Rahmen definiert, ab wann die Vergütung nicht mehr amtsangemessen ist. So muss sie demnach zum Beispiel mindestens 15 Prozent über dem Niveau der Grundsicherung liegen. Das bedingt dann auch eine Anpassung aller höheren Besoldungsgruppen aufgrund notwendiger Abstandsgebote.

In seinem Beschluss betont das Bundesverfassungsgericht nun drei Schritte für die gerichtliche Prüfung, ob die Besoldung das Grundgesetz verletzt. Zunächst soll geprüft werden, ob die Mindestbesoldung eingehalten wird. Im zweiten Schritt soll kontrolliert werden, ob die Besoldung an „die Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards“ angepasst sei. Falls die ersten zwei Schritte einen Verstoß ergeben, müsse im dritten Schritt geprüft werden, ob dieser eventuell ausnahmsweise verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. (Az. 2 BvL 21/17 u.a.)

„Erneut mussten Beamtinnen und Beamte bis vor das Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe ziehen, um Recht zu bekommen. Wertschätzung durch den Dienstherrn sieht anders aus“, so kommentiert der dbb Bundesvorsitzende Volker Geyer das Urteil. Gut und zwingend ist aus Sicht des dbb-Chefs, dass die Entscheidung klare und zeitnahe Umsetzungspflichten enthält: Der Gesetzgeber des Landes Berlin muss bis zum 31. März 2027 verfassungskonforme Regelungen treffen.

Geyer weist darauf hin, dass das Urteil zwar nur unmittelbare Auswirkungen für Berlin habe und die entsprechenden Jahre betreffe. Zur Beurteilung, ob Besoldungsregelungen verfassungskonform sind, hat das Bundesverfassungsgericht aber nun seine eigenen Prüfkriterien aus dem Jahr 2020 konkretisiert. Und bei weiteren Verfahren, die andere Länder und Jahre betreffen, stehen noch Urteile aus. Geyer: „Angesichts der Vielzahl an Klagen gegen die Besoldung ist dieser Schritt nachvollziehbar – und ein weiteres Warnsignal für alle Dienstherrn. Welche Konsequenzen sich aus diesen neuen Maßstäben ergeben, werden wir nun intensiv prüfen.“

„Die Besoldung der Beamtinnen und Beamten ist kein Selbstbedienungsladen für Politikerinnen und Politiker mit Haushaltsproblemen“

Der dbb-Chef macht mit Blick auf die anstehende Einkommensrunde mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder deutlich: „Karlsruhe betont im heutigen Urteil wie bereits in der Vergangenheit: Die Gesetzgeber haben eine Pflicht zur kontinuierlichen Fortschreibung der Besoldung. Das ist ein weiteres Warnsignal für die Dienstherrn, insbesondere für die Landesregierungen mit Blick auf die Einkommensrunde: Die Besoldung der Beamtinnen und Beamten ist kein Selbstbedienungsladen für Politikerinnen und Politiker mit Haushaltsproblemen. Alle Dienstherrn müssen in ihrem eigenen Interesse eine amtsangemessene Alimentation sicherstellen. Dazu gehört für uns auch eine zeit- und wirkungsgleiche Übertragung der Tarifergebnisse auf die Besoldung und Versorgung.“

Auch die GEW meint, die Entscheidung gehe in ihrer Bedeutung und den grundsätzlichen Aussagen weit über die Besoldung im Land Berlin hinaus. „Wir begrüßen sehr, dass das Bundesverfassungsgericht seinen Prüfungsmaßstab für die Amtsangemessenheit der Besoldung erweitert und mit grundsätzlichen Ausführungen auch fortentwickelt hat“, sagt Annett Lindner, GEW-Vorstandsmitglied für Tarif- und Beamtenpolitik.

Und weiter: „Die Vielzahl gerichtlicher Einzelverfahren zur Besoldung birgt nicht nur, wie das Gericht schreibt, das Potenzial, die Arbeitsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts bis hin zu einer Blockade zu beeinträchtigen. Auch für die Betroffenen und den gewerkschaftlichen Rechtsschutz stellt es eine erhebliche Belastung dar, immer wieder über Jahre Mitglieder zu Geltendmachungen ihrer Ansprüche zu motivieren und dann vor die Verwaltungsgerichte zu gehen. Jetzt werden wir gründlich prüfen, was aus der heutigen Entscheidung für die vielen Alimentationsverfahren der GEW folgt, die in anderen Bundesländern anhängig sind.“ News4teachers / mit Material der dpa

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