DÜSSELDORF. Es ist ermüdend, schreibt der Verband lehrer nrw in seiner Pressemitteilung zu den Ergebnissen des Chancenspiegels der Bertelsmann-Stiftung. „Nun konstatiert die soundsovielte Studie aus dem Hause Bertelsmann, dass Bildungserfolg stark von der sozialen Herkunft abhängt.“ Das sei eine Steilvorlage für die Politik, die Bildungsstandards nach unten zu korrigieren.
„Neuntklässler aus höheren Sozialschichten haben in Mathematik bis zu zwei Jahre Vorsprung vor ihren Klassenkameraden aus bildungsferneren Familien“, verweist der Verband auf ein Ergebnis der Studie. Dieses vermeintliche Gerechtigkeitsdefizit sei natürlich auch der Politik nicht entgangen, die solche Bertelsmann-Steilvorlagen gern aufnehme, um mehr Gerechtigkeit herzustellen. „Darum werden Bildungsstandards angepasst – und zwar nach unten“, kritisiert Brigitte Balbach, Vorsitzende von lehrer nrw. „So haben alle bessere Noten, können aber weniger. Es ist ja frappierend, dass Deutschland sich im PISA-Ranking verbessert, während Ausbildungsbetriebe gleichzeitig über gravierende Defizite ihrer Bewerber klagen und Hochschulen über mangelnde Studierfähigkeit der Abiturienten.“
Ein starkes Stück sei es, wenn der Vorstand der Bertelsmann Stiftung, Jörg Dräger, moniere, dass das „Doppelsystem“ aus Förderschulen und Regelschulen fast fünf Prozent aller Schüler vom Regelschulsystem ausschließe. Obendrein binde dies laut Dräger wichtige Ressourcen, die für inklusiven Unterricht in den Regelschulen gebraucht würden. „Im schönsten Doppelpass mit der Landesregierung werden auf diese Weise Förderschulen diskreditiert. Es ist unerträglich, wie Bertelsmann seine Studien nutzt, um Schulpolitik nach eigenem Gusto zu machen“, sagt Balbach. „Wenn es wirklich um Chancengerechtigkeit geht, müssen die Förderschulen erhalten bleiben. Sie bieten Rahmenbedingungen und Fördermöglichkeiten, die Regelschulen nicht haben. Viele Kinder brauchen einen solchen Schonraum – und viele Eltern wünschen ihn ausdrücklich.“
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