Website-Icon News4teachers

Löhrmann unter Druck: G8-Gegner mit Volksinitiative erfolgreich

DÜSSELDORF. Das «Turbo-Abitur» bleibt ein Dauerbrenner, auch in Nordrhein-Westfalen. Mit einem «Runden Tisch» konnte NRW-Schulministerin Löhrmann die Gegner nicht stoppen. Fast 100.000 Bürger stehen hinter ihnen. Jetzt drohen sie mit einem Bürgerbegehren.

Muss auf eine erfolgreiche Volksinitiative gegen G8 reagieren: NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann

Die Gegner der Schulzeitverkürzung kämpfen weiter gegen das «Turbo-Abitur» in Nordrhein-Westfalen. Die Bürgerinitiative «G9 jetzt» übergab nun im Düsseldorfer Landtag fast 99.000 amtlich geprüfte Protest-Unterschriften gegen das achtjährige Gymnasium (G8). Die erfolgreiche Volksinitiative zwingt den Landtag damit, sich innerhalb von sechs Monaten mit der Forderung zu beschäftigen, zu 13 Jahren Regelschulzeit bis zum Abitur zurückzukehren. Das Parlament muss dem allerdings nicht zustimmen. Falls es zur erwarteten Ablehnung kommt, will die Initiative versuchen, mindestens 1,1 Millionen Unterschriften für ein Volksbegehren zu sammeln. «Wir machen es, wenn die Politiker keine Vernunft zeigen», kündigte der Sprecher der Initiative, Marcus Hohenstein, an. Vor 42 Jahren, 1978, hatte es mit „Stop Koop“ in Nordrhein-Westfalen ein erfolgreiches Volksbegehren gegen sogenannte „Kooperative Schulen“, also einen Zusammenschluss von Haupt-, Realschulen und Gymnasien gegeben. Damals trugen sich mehr als 3,6 Millionen Stimmberechtigte in die Listen ein, was einem Anteil von 29,9 Prozent entsprach. Der Landtag entsprach daraufhin dem Volksbegehren, die “Kooperative Schule” wurde gekippt.

Das Schulministerium arbeitet im aktuellen G8/G9-Streit unterdessen an verbindlichen Entlastungen für die Schüler. Zum neuen Schuljahr sollen geänderte Erlasse und Verordnungen greifen. Dabei gehe es vor allem um eine Begrenzung der Hausaufgaben, des Nachmittagsunterrichts und der Anzahl der Klassenarbeiten pro Woche, sagte eine Sprecherin.

Anzeige

Der Verein «Mehr Demokratie» kritisierte, das Verfahren sei zu aufwendig. In NRW müssen die Gemeindeverwaltungen die Unterschriften prüfen. In Thüringen übernehme das Innenministerium diese Aufgabe zentral, teilte «Mehr Demokratie» mit. Tatsächlich seien über 112.000 Unterschriften zusammengekommen, sagte Hohenstein. Mehr als 20 Kommunen hätten sich aber geweigert, Unterschriften auf Kopien zu prüfen. Deswegen hätten dem Landtag nicht alle Listen vorgelegt werden können.

Hohenstein warf Schulministerin Sylvia Löhrmann vor (Grüne) vor, nicht die Interessen des Volkes zu vertreten. Mit ihrem «Runden Tisch» von Schul- und Verbandsfunktionären habe sie im vergangenen Jahr nur Aktionismus und Konsens inszeniert, «um Ruhe an der Schulfront zu bekommen». Die Piratenfraktion teilt die Kritik.

Die CDU-Opposition forderte Löhrmann auf, die Verbesserungsvorschläge vom «Runden Tisch» endlich an jedem der über 600 G8-Gymnasien umzusetzen. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) will nicht zurück zu G9, forderte aber, statt der Mittelstufe die Oberstufe zu verkürzen. „Das Grundproblem ist nicht die Diskussion um G8 oder G9, sondern die unterschiedliche Länge der Sekundarstufe I in den weiterführenden Schulen – diese muss endlich angeglichen werden. Dieses Grundproblem ist durch die Ergebnisse des Runden Tisches nicht gelöst“, erklärte VBE-Vorsitzender Udo Beckmann. Eine grundsätzliche Kehrtwende von G8 würde für mehr Turbulenzen als nötig sorgen und mehr schaden als nützen.

Der Runde Tisch im November habe einen Kompromiss gebracht, der den Druck von den Schülerinnen und Schülern im G8 nehme, stellte Beckmann klar. Er habe jedoch nicht das Kernproblem gelöst: „Die Sekundarstufe I ist im Gymnasium fünf Jahre lang, während sie in anderen Schulformen über sechs Jahre geht. Die unterschiedlich lange Dauer der Sek I ist hinderlich für Schulformwechsler und schränkt die Durchlässigkeit zwischen den Schulformen der Sek I erheblich ein. Wer von einer anderen Schulform aufs Gymnasium wechseln möchte, der muss faktisch eine Klasse – nämlich die 10. – wiederholen; und das, obwohl diese Kinder sie bereits an ihrer alten Schule ohne gymnasiale Oberstufe absolviert haben.“ Dieses eine Jahr sei vertane Lebenszeit, meinte BEckimann: „Die Dauer der Sekundarstufe I sollte in allen Schulformen sechs Jahre betragen, die Oberstufe am Gymnasium müsse im Gegenzug auf zwei Jahre verkürzt werden. Diese Reform ist dringend nötig, um die Durchlässigkeit für alle Schülerinnen und Schüler zu verbessern – das haben wir auch in unserem Votum beim Runden Tisch zu G8 klargestellt.“

Die GEW argumentiert ähnlich. „Wir bleiben dabei, keine Rolle rückwärts zum alten Halbtagsgymnasium mit 13 Schuljahren”, erklärte Landesvorsitzende Dorothea Schäfer. Die GEW setze auf unmittelbare Verbesserungen, langfristig aber auf die Beseitigung von strukturellen Konstruktionsfehlern der Schulzeitverkürzung. Schäfer wörtlich: „Wir wollen für das Gymnasium perspektivisch eine sechsjährige Sekundarstufe I und eine Oberstufe, die zwei, drei oder vier Jahre umfassen kann. Dazu brauchen wir einen verbindlichen Ganztag. Letztlich müssen alle Gymnasien schrittweise zu Ganztagsgymnasien ausgebaut werden.” News4teachers / mit Material der dpa

Die mobile Version verlassen