WÜRZBURG. Alle Jahre wieder sorgt die Vergabe der Übertrittszeugnisse für Streit in Bayern, denn das Zeugnis entscheidet verbindlich, welche weiterführende Schulart ein Kind besuchen darf. Eine Studie der Uni Würzburg hat nun untersucht, welchem Stress Kinder und Eltern durch die verbindliche Schulartempfehlung ausgesetzt sind.
Anhand des Notenschnitts entscheidet das Zeugnis verbindlich, welche weiterführende Schulart ein Schüler besuchen darf. Eine Studie der Universität Würzburg hat nun die Stressbelastung ermittelt, die mit diesem Verfahren für Grundschüler und ihre Eltern einhergeht. Zum Vergleich untersuchten die Wissenschaftler die Belastungen, den Schüler in Hessen vor dem Übertritt ausgesetzt sind. Im Unterschied zur bayerischen Regelung gilt hier ein Beratungsmodell für den Übergang zur weiterführenden Schule.

Bayerische Schüler und auch ihre Eltern zeigten den Forschen zufolge ein signifikant höheres Stresslevel, als die hessischen. 55,6% der Eltern in Bayern fühlen sich durch den anstehenden Schulübertritt ihrer Sprösslinge gestresst. In Hessen waren es dagegen nur 36,4.
Besonders Kinder, deren Bildungsübergang noch unklar ist, wiesen gesundheitsgefährdende Stresswerte auf. Kinder, die an der Notenschwelle zwischen Realschule und Mittelschule (früher Hauptschule) liegen, bildeten eine erhebliche Risikogruppe, so die Studie. Hiervon sind immerhin 16 Prozent der bayerischen Übertrittskandidaten betroffen, Bei Ihnen steige der Stress in der vierten Klasse zudem noch einmal dramatisch an.
Kinder aus bildungsfernen Familien sind noch einmal stärker belastet als Kinder aus Familien mit höheren Bildungsabschlüssen. Dies sei auch darin begründet, dass diese Kinder über weniger Ressourcen zur Stressbewältigung verfügen.
Einen weiteren Belastungsfaktor stellten überzogene Bildungserwartungen durch die Eltern dar. Wenn Eltern mehr Leistung von ihren Kindern erwarteten, als diese realistischerweise erbringen können, führe dies ebenfalls zu einem erhöhten Stresswert der Kinder.
Angesichts ihrer Forschungsergebnisse sprechen sich die Wissenschaftler eindeutig für ein Beratungsmodell aus. Der Schulübertritt falle in eine besonders sensible Phase der kindlichen Entwicklung. Unnötiger Stress und äußere Zuschreibungen an die eigene Leistungsfähigkeit wirkten gerade bei
Kindern mit negativen Leistungsrückmeldungen deutlich lernhemmend.
Auch die GEW Bayern fordert die Abschaffung der Übertrittszeugnisse und die Freigabe des Elternwillens beim Übertritt. Mit der Zuweisung werde nicht nur eine Aussage über die Zukunft des weiteren schulischen Weges getroffen: Oft würden damit schon die Weichen für berufsbiografische Laufbahnen gestellt.
Die derzeitige Übertritttsregelung gehe zu Lasten der Kinder und ihrer Lernfreude, zu Lasten der Eltern, zu Lasten der Lehrer an den Grundschulen. Ein derartig festgelegtes, reglementiertes und bürokratisiertes Verfahren, welches vorrangig nach dem Grundsatz der Justiziabilität ausgerichtet sei, könne niemalseine Hilfe für die Betroffenen sein, so Wolfram Witte, stellvertretender Vorsitzender der GEW-Bayern.
In Bayern gilt die Regel, dass eine Durchschnittsnote in den drei Fächern bis maximal 2,3 zur Übertrittsempfehlung in das Gymnasium, zwischen 2,3 und 2,6 zur Empfehlung für die Realschule sowie bei einem Wert schlechter als 2,6 für die Mittelschule führt. (News4teachers)
Hier geht’s zur Studie „Stressfaktoren bei Eltern und Schülern am Übergang zur Sekundarstufe“ (in neuem Fenster)
zum Bericht: BLLV fordert Freigabe des Elternwillens – Übertrittszeugnisse sorgen für Verdruss

