LÜNEBURG. Krachende Pleite für Rot-Grün in Niedersachsen: Die um eine Stunde erhöhte Unterrichtszeit für Gymnasiallehrer ist verfassungswidrig. Das hat das niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg am Dienstag entschieden. Unmittelbar nach Bekanntwerden des Urteils forderte die FDP-Landtagsfraktion den Rücktritt von Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD). „Die Kultusministerin ist nicht mehr zu halten“, sagte deren bildungspolitischer Sprecher Björn Försterling, in Hannover. Heiligenstadt selbst sprach von einer „bitteren Niederlage“.
Die von der Landesregierung verordnete Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung für Lehrer und Schulleiter an den niedersächsischen Gymnasien hatte seit mehr als einem Jahr für einen gehörigen Streit im Land gesorgt. Seit Beginn des Schuljahres müssen die Gymnasiallehrer 24,5 statt 23,5 Stunden pro Woche unterrichten. Darüber hinaus wurde die versprochene Altersermäßigung für Lehrer ab 55 Jahren gestrichen. Viele Lehrer weigerten sich in der Folge, die Leitung von Klassenfahrten weiter zu übernehmen. Drei Viertel aller Gymnasien in Niedersachsen haben ihr Angebot eingeschränkt – wogegen zuletzt immer mehr Schüler demonstrierten. Fünf Lehrer und zwei Schulleiter klagten mit Unterstützung von Philologenverband und GEW gegen die Neuregelung.
Und jetzt das: Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg kippt die Regelung – ohne Revisionsmöglichkeit. Lediglich die Streichung der Altersermäßigung war dem Gericht zufolge rechtens. Der Philologenverband sieht sich in dem heutigen Grundsatzurteil bestätigt. Es habe jegliche Begründung dafür gefehlt, warum gerade Gymnasiallehrkräfte und Schulleiter an Gymnasien einseitig belastet wurden, so heißt es in einer Presseerklärung des Verbandes. Damit seien der Gleichheitsgrundsatz und die Fürsorgepflicht des Grundgesetzes verletzt worden. Gleiches gelte für die Arbeitszeiterhöhung für die Leitungen der Gymnasien. „In diesem Zusammenhang sah es das Gericht kritisch, dass Landesregierung und Kultusministerin sich stur geweigert hatten, die vom Philologenverband immer wieder geforderte unabhängige Arbeitszeituntersuchung für Lehrkräfte durchzuführen“, so heißt es in der Mitteilung.
Der Vorsitzende des Philologenverbandes, Horst Audritz, bezeichnete die Entscheidung des Gerichts als „einen Sieg der Gerechtigkeit über die willkürliche Arbeitszeiterhöhung der rot-grünen Landesregierung“. Die gebetsmühlenartig wiederholte Behauptung von Kultusministerin Heiligenstadt, die Arbeitszeiterhöhung sei „angemessen und vertretbar“, habe sich in Luft aufgelöst. Die FDP stößt ins gleiche Horn. Nun sei endgültig klar, dass sie damit falsch liege – und sollte ihr Amt deshalb zur Verfügung stellen.
Das hab Heiligenstadt aber offenbar nicht vor. „Wir nehmen die heutige Entscheidung des OVG mit Respekt zur Kenntnis. Zwar hat uns das Gericht in Hinblick auf die Altersermäßigung Recht gegeben, aber in Bezug auf die Unterrichtsverpflichtung müssen wir die bittere Niederlage einräumen. Die Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung für Gymnasiallehrkräfte war ein wesentlicher Baustein unserer Zukunftsoffensive Bildung. Die Auswirkungen des Urteils werden wir jetzt genau zu analysieren haben“, erklärte sie – und ließ weitere juristische Schritte offen.
Heiligenstadt: „Der Beschluss des Gerichtes stellt eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte und des Bundesverwaltungsgerichtes in vergleichbaren Fragen zur Lehrerarbeitszeit dar. Wir werden die Gründe, die diese Gerichtsentscheidung tragen, jetzt in aller Ruhe prüfen. Die Revision ist nicht zugelassen, wir werden darüber nachdenken, ob wir wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen.”
Tatsächlich hat das Urteil, wie auch der Philologenverband feststellte, eine bundesweite Signalwirkung (wie zuletzt auch das Urteil des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshofs in Sachen Beamtenbesoldung): Der Entscheidungsspielraum von Landesregierungen, wie sie mit ihren Beamten umgehen dürfen, wird weiter eingeschränkt. News4teachers