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Studie zur Inklusion: Eltern von behinderten Schülern wollen die Wahl zwischen Regel- und Förderschule

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BERLIN. Das gemeinsame Lernen von Schülern mit und ohne körperliche oder geistige Beeinträchtigungen, die Inklusion, erhitzt seit Jahren die Gemüter – Tendenz: zunehmend. Eine neue Studie zeigt: Viele Eltern fühlen sich bei der Suche nach einer geeigneten Schule überfordert. Der VBE nahm die Veröffentlichung zum Anlass, erneut die schlechten Rahmenbedingungen zu kritisieren.

Wo wird ein Kind mit Down-Syndrom am besten gefördert? Foto: Andreas-photography / flickr (CC BY-NC 2.0)

Eltern von Schülern mit besonderem Förderbedarf wünschen sich für ihr Kind einen möglichst hohen Abschluss, werden aber oft enttäuscht. Das geht aus einer am Donnerstag in Berlin veröffentlichten neuen Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) zur Inklusion hervor, die sich auf Einstellungen und Hoffnungen betroffener Mütter und Väter konzentriert. Zugleich wollen diese Eltern überwiegend Wahlfreiheit – zwischen einer Regelschule, an der ihr Kind zusammen mit nicht gehandicapten Schülern unterrichtet wird (Inklusion), und einer Förderschule mit fundierter Sonderpädagogik.

Wörtlich heißt es in der Studie: „Eltern haben konkrete Erwartungen an die Behandlung ihres Kindes durch Lehrer und Schule. Sie möchten selbst über die Schulform entscheiden können, die aus ihrer Perspektive für das Kind am besten geeignet ist. Auf der Suche nach einer geeigneten Schule für ihr Kind müssen sie auch die Erfahrung machen, dass entweder eine angemessene Förderung in der Regelschule nicht möglich ist oder die Förderschule nicht vorhanden oder zu weit entfernt ist.“

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Die befragten Eltern seien sehr leistungsorientiert, stellen die Verfasser der KAS-Studie fest. Nur 11 Prozent der Mütter und Väter bewerteten die Beeinträchtigung ihres Kindes als so groß, dass kein Abschluss angestrebt wird. Während Eltern von Sonderschulkindern zu 72 Prozent einen Haupt- oder Realschulabschluss für ihren Nachwuchs anstreben, erhoffen Eltern von zumeist weniger gehandicapten Kindern, die auf normale Schulen gehen, zu 13 Prozent sogar das Abitur und zu 61 Prozent einen Realschulabschluss. Die Realität zeigt aber, dass drei Viertel der Sonderschüler in Deutschland ohne Abschluss bleiben.

Wichtigstes gemeinsames Ziel aller befragten Eltern ist die Selbstständigkeit ihres Kindes – und die Erwartung, dass es eine Arbeit finden kann, die ihm später Spaß macht. Im Vorfeld, bei der Suche nach der richtigen Schule, gebe es große Schwierigkeiten. «Hier fühlen sich Eltern häufig alleingelassen und überfordert.» Laut Studie sind Eltern mit ihrer Wahl schließlich meist zufrieden. «Wer sein Kind in eine Regelschule schickt, stellt die gesellschaftliche Integration in den Mittelpunkt. Wer sein Kind in die Förderschule schickt, möchte nicht, dass das Kind permanent das Gefühl des Scheiterns erlebt», so das Fazit der CDU-nahen Stiftung.

Gemeinsamer Schulunterricht für Kinder mit und ohne Beeinträchtigung (Inklusion) geht auf die UN-Behindertenrechtskommission von 2006 zurück. Als Handicap gelten dabei nicht nur geistige und körperliche Behinderungen, sondern auch kleinere Entwicklungsrückstände. Die saarländische CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer warnte bei der Präsentation der Studie davor, die Debatte über Pro und Kontra von Inklusion allzu ideologisch zu führen. Ihr Eindruck: «Die Fronten verhärten sich.» So werde Befürwortern von Inklusion schnell Naivität vorgeworfen, während Skeptiker sogleich als Gegner des gemeinsamen Unterrichts kritisiert würden.

Für die nach KAS-Angaben zwar nicht repräsentative, aber inhaltlich voll belastbare Elternbefragung wurden 304 Fragebogen-Interviews und 30 Tiefeninterviews geführt. Unter der Leitfrage «Was ist die beste Schule für mein Kind?» wurden Väter und Mütter interviewt, die Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf haben – je 50 Prozent gingen auf Sonder- beziehungsweise Regelschulen.

Die Studie sollte die politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern wachrütteln, betonte der VBE-Vorsitzende Udo Beckmann. „Die Politik zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention muss sich am Kindeswohl und den Bedürfnissen der Eltern messen. Die Realität im Bildungssystem steht dazu in krassem Widerspruch.“ Die gängige Praxis, Bedarfe nach Haushaltslage zu verordnen, gehe an dem Inklusionsgedanken vorbei und sei völlig unakzeptabel, so Beckmann. Beckmann weiter: „Es fehlt vollständig die Diskussion um die notwendigen Qualitätsstandards der Inklusion, um den Kindern mit und ohne Handicap wirklich gerecht zu werden. Jedes Bundesland legt für sich die Gelingensbedingungen nach Kassenlage fest. Bisher stehen die Bedingungen für die Umsetzung der schulischen Inklusion klar im Widerspruch zur UN-Behindertenrechtskonvention.“ News4teachers / mit Material der dpa

Zum Bericht: Inklusion und jetzt Flüchtlingskinder: Schulen kapitulieren unter der Aufgabenlast – 122 Brandbriefe allein in Hessen

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