Website-Icon News4teachers

Die „eiserne Lady“ der Bildungspolitik: Eisenmann ist jetzt Präsidentin der KMK – und stellt als Erstes Englisch in der Grundschule infrage

STUTTGART. Kritiker bezeichnen sie als „Rambo“ – selbst einem heftigen Krach mit ihrem Ministerpräsidenten, dem Grünen Winfried Kretschmann, geht sie nicht aus dem Weg. Baden-Württembergs Kultusministerin Eisenmann (CDU) gilt als streitbar und durchsetzungsstark. Jetzt übernimmt die „eiserne Lady“ für ein Jahr den Vorsitz der Kultusministerkonferenz (KMK). Ein Satz lässt die Richtung, die sie vorzugeben gedenkt, erkennen: „Auch einer leserlichen Handschrift messe ich große Bedeutung zu“ – sie will zurück zu den Grundlagen! Englisch in der Grundschule könnte dem zum Opfer fallen.

Liegt aktuell mit dem Grundschulverband im Clinch: Susanne Eisenmann. Foto: Kultusministerium Baden-Württemberg

Wenn man eines nicht tun sollte, dann ist es, Susanne Eisenmann (CDU) zu unterschätzen. Die baden-württembergische Kultusministerin gilt als konfliktbereit, entscheidungsfreudig und durchsetzungsfähig. Das mussten auch einige Politiker in der grün-schwarzen Landesregierung erst lernen. Seit fast acht Monaten schwingt die 52-Jährige das bildungspolitische Zepter im Ländle. Zum Jahresbeginn hat sie turnusgemäß die Präsidentschaft der Kultusministerkonferenz übernommen. Eisenmann steht damit den Ressortchefs der Länder vor. Es ist ein Amt, das Baden-Württemberg nur alle 16 Jahre zukommt.

Damit nimmt nicht nur die Terminfülle der Ministerin erheblich zu. Eisenmann will die berufliche Bildung bundesweit pushen. Dazu zählt etwa die Frage, wie sich die Schulen auf das Megathema Digitalisierung vorbereiten können, das in der Arbeitswelt eine immer größere Rolle spielt – oder auch, wie Schüler bei der Berufswahl unterstützt oder wie Flüchtlinge für den Arbeitsmarkt qualifiziert werden können. «Der direkte Übergang von der Schule in eine Berufsausbildung ist für manche Jugendliche immer noch mit großen Schwierigkeiten verbunden», sagte die Ministerin nach ihrer Wahl zur Präsidentin im Dezember.

Anzeige

Verbot von „Schreiben nach Gehör“ – Grundschulverband fordert Kretschmann auf: Schreiten Sie ein! Stoppen Sie die Kultusministerin!

Eisenmann studierte Germanistik, Linguistik und Politikwissenschaft und promovierte in Germanistik. Von 1991 bis 2005 leitete sie das Büro von Günther Oettinger, der damals Vorsitzender der CDU-Fraktion im Landtag war und später Ministerpräsident wurde. Verheiratet ist Eisenmann mit dessen früherem Sprecher Christoph Dahl. Von 2005 bis zur Kür zur Ministerin im Mai 2016 war sie Schulbürgermeisterin in Stuttgart. Dort erwies sich die CDU-Politikerin als Pragmatikerin ohne ideologische Scheuklappen. Anders als für viele Parteikollegen waren für sie etwa die Ganztagsschule und die Gemeinschaftsschule – eigentlich ein Projekt von Grünen und SPD – kein rotes Tuch.

Paukenschlag

Als Ministerin sorgte Eisenmann am Ende der grün-schwarzen Verhandlungen über den Landesetat 2017 für einen Paukenschlag. Sie erklärte öffentlich, den Ausbau der Ganztagsschule und der Inklusion, also der Einbeziehung behinderter Kinder in den regulären Schulunterricht, im kommenden Schuljahr auf Eis legen zu wollen, weil Lehrerstellen fehlten. Beides sind vornehmlich grüne Projekte, die auch im gemeinsamen Koalitionsvertrag festgeschrieben sind. Letztlich hatte sie Erfolg und bekam mehr Geld. Doch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) reagierte verärgert und machte in seinem Kabinett klar, dass sich so ein Vorgehen nicht wiederholen dürfe.

In den vergangenen Wochen knirsche es mächtig in Eisenmanns Verhältnis zu den Grünen und auch zu den schulpolitischen Verbänden. Die Grünen zweifelten zeitweise an der Koalitionstreue der Ministerin – etwa, weil sie den Ausbau des Informatikunterrichts zunächst auf die Gymnasien beschränken will. Eisenmann kündigte an, dass die Grundschulen wieder mehr Wert auf richtige Rechtschreibung legen müssten und wandte sich damit gegen die Methode „Schreiben nach Hören“.

In einem Rundschreiben erklärte Eisenmann den Grundschul-Lehrerinnen und Lehrern des Landes, dass künftig im Ländle „lautorientiertes Schreiben“ in den Anfangsklassen nicht mehr sein darf: Würde Kindern erlaubt, nach Gehör zu schreiben, führe dies häufig zu Fehlern in der Rechtschreibung: „Deshalb ist es aus meiner Sicht zwingend erforderlich, dass orthografische Fehler von Anfang an konsequent korrigiert werden“, ließ die forsche Ministerin die Lehrkräfte wissen. Und: „Auch dem Erlernen einer leserlichen Handschrift messe ich große Bedeutung bei.“ Mit dem gleichen Brief erklärte sie die Regelung aus dem gerade erst in Kraft getretenen Bildungsplan für hinfällig, wonach das Ziel beim Schreibenlernen ausgehend von der Druckschrift eine verbundene Schrift sein soll. Eisenmann stellte fest, es habe sich bei dieser verbundenen Schrift entweder um Lateinische Ausgangsschrift oder Vereinfachte Ausgangsschrift zu handeln.

Heftiger Widerspruch kam von der GEW sowie vom Grundschulverband, die die Arbeit von Grundschulkollegien herabgewürdigt sehen. Der Kritik entgegnete Eisenmann barsch: “Es gibt keine pädagogische Freiheit als subjektives Recht”, sagte Eisenmann der “Stuttgarter Zeitung”.  Es sei Aufgabe ihres Ressorts, Anweisungen zu geben, was wie vermittelt werden soll.

Englisch in der Grundschule abschaffen? Hitzige Diskussion um Eisenmanns Vorstoß – Philologen: Erst ab Klasse drei

In den vergangenen Tagen legte Eisenmann nach – und kündigte an, dass sie überprüfen wolle, ob und inwiefern Englisch- oder Französischunterricht für Grundschüler überhaupt sinnvoll sei. Seit dem Absturz baden-württembergischer Schüler in der jüngsten Vergleichsstudie IQB – es ging um Deutsch und Englisch – ist mächtig Feuer unter dem bildungspolitischen Dach der Landesregierung.

Dem „Mannheimer Morgen“ sagte Eisenmann: „Wir prüfen tatsächlich, inwiefern Englisch und entlang der Rheinschiene Französisch für alle Grundschüler sinnvoll sind.“ Die Überprüfung sei von Ministerpräsident Kretschmann angeregt worden. Hinterfragt werden solle, welche Erfolge damit erzielt würden, sagte Eisenmann den Zeitungen. Baden-Württemberg hatte als erstes Bundesland 2003 flächendeckend Englisch und entlang der Grenze Französisch an Grundschulen eingeführt. „Klar ist, dass möglicherweise frei werdende Ressourcen selbstverständlich in der Grundschule verbleiben würden“, so Eisenmann. Eine Entscheidung über eine Abschaffung des Fremdsprachenunterrichts sei aber noch nicht gefallen. Sie plane Gespräche mit Experten. Denkbar sei etwa auch, Englisch oder Französisch erst ab der dritten Klasse in den Lehrplan aufzunehmen. Im Frühjahr sollen erste Ergebnisse vorliegen.

“Respektlos”

Kritiker führen an, dass es Eisenmann an Feingefühl und Offenheit für Anregungen von außen fehle. Ihr Vorgänger im Amt des Kultusministers, Andreas Stoch (SPD), meint etwa: «Gegenüber der pädagogischen Freiheit der Lehrerschaft zeigt sich Frau Eisenmann respektlos, und wissenschaftlichen Sachverstand weist sie brüsk zurück.» Generell werde der Umgangsstil der Kultusministerin nicht als aufgeschlossen und dialogorientiert, sondern als ruppig und besserwisserisch empfunden. CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart attestiert ihr hingegen: «Sie geht beherzt an die Sache heran, sie verfolg konsequent ihren Weg, die Qualität in der Bildung zu steigern.»

Zu ihrem Privatleben hält sich Eisenmann, die von Freunden «Nanni» genannt wird, weitgehend bedeckt. Nur das lässt ihr Sprecher durchblicken: Sie geht regelmäßig joggen und liest gerne gute Bücher. Von Bettina Grachtrup, dpa

Gabriele Eisenmanns berufliche Vita
  • 1984 – 1988 Freie Mitarbeiterin „Eßlinger Zeitung“
  • 1988 – 1990 Assistentin am Lehrstuhl für Ältere Deutsche Philologie der Universität Stuttgart
  • 1991 – 2005 Büroleiterin des Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion
  • Baden-Württemberg Günther H. Oettinger MdL und Ministerpräsidenten
  • 1997 – 2012 Lehrbeauftragte am Institut für Politikwissenschaft der Universität Stuttgart, Schwerpunkt: Kommunalwissenschaften
  • 2005 – 2016 Bürgermeisterin für Kultur, Bildung und Sport der Landeshauptstadt Stuttgart
  • seit Mai 2016 Ministerin für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg

“Schreiben nach Gehör” verboten! Grundschulen sehen sich im Streit um Rechtschreibung am Pranger

Die mobile Version verlassen