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Explosive Expertise: Rückkehr zu G9 bringt nichts – außer hohe Kosten. Und die Abiturienten werden wieder älter

ESSEN. Prof. Dr. Olaf Köller, Direktor des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik in Kiel, ist einer der renommiertesten Bildungsforscher in Deutschland – und sein Urteil im aktuellen Streit ums sogenannte Turbo-Abitur ist eindeutig: Eine Rückkehr zu G9 bringt praktisch nichts. Außer dass die deutschen Abiturienten, die im Schnitt trotz der verkürzten Gymnasialzeit im internationalen Vergleich immer noch relativ alt sind, noch älter würden. Und hohe Kosten. Dies ist das Fazit aus allen vorliegenden wissenschaftlichen Studien zum Thema. Köller hat sie im Auftrag der Stiftung Mercator gesichtet und ausgewertet.

Zentrale Erkenntnis von Köllers Expertise ist, dass die G8-Reform – entgegen der landläufigen Meinung vieler Eltern – keine negativen Folgen hatte. Zwischen G8- und G9-Abiturienten lassen sich keine Unterschiede in der fachlichen Leistung nachweisen. Auch sind die G8-Schüler nicht schlechter auf die Anforderungen eines Studiums vorbereitet als G9-Schüler. Durch die G8-Reform haben Schüler zwar etwas weniger Zeit für außerschulische Aktivitäten. Dies wirkt sich aber nicht auf die Anzahl von Mitgliedschaften in Vereinen aus.

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Wörtlich heißt es in dem Papier:

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Köller kommt zu dem Schluss: „Insgesamt ergibt sich so ein Bild, wonach die Verkürzung der Gymnasialzeit von neun auf acht Jahre keine substanziell negativen Effekte hatte. Gleichwohl muss auch konzediert werden, dass sich empirisch keine großen positiven Effekte der Reform nachweisen lassen, abgesehen davon, dass junge Menschen mit Hochschulzugangsberechtigung heute im Mittel zehn Monate jünger sind als vor der Reform. Für die aktuellen Diskussionen lässt sich festhalten, dass eine Rückkehr zum G9 in allen hier betrachteten Dimensionen keine positiven Effekte haben dürfte.“

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Angesichts der immensen Kosten, die solch eine Rückkehr mit sich bringe, sei zu fragen, ob man die großen Summen Geldes, die im Raum stehen, nicht besser in die Schul- und Unterrichtsentwicklung investieren sollte – allein in Bayern beispielsweise 600 Millionen Euro. Köller: „Mit einer derartigen Summe ließe sich in Bayern ein Professionalisierungsprogramm der Lehrkräfte auf den Weg bringen, das viel stärker zur gelingenden Entwicklung der Schülerinnen und Schüler beitragen könnte als die Rückkehr zum G9.“

Die Stiftung Mercator spricht sich daher weder für G8 oder G9 aus. „Wir wollen den Status Quo erhalten. Das ist keine reine Befürwortung von G8, aber die Befürwortung, nicht wieder umzubauen. Ressourcen sollten nicht in Strukturdebatten gebunden werden, sondern genutzt werden, um wichtigen Herausforderungen im Bildungsbereich, wie zum Beispiel der Qualität im Ganztag, zu begegnen“, erklärt Winfried Kneip, Sprecher der Geschäftsführung der Stiftung Mercator.

Die Stiftung Mercator arbeitet bundesweit mit mehr als 1.000 Schulen zusammen, um die Chancengleichheit von Kindern und Jugendlichen zu verbessern. Vor allem Ganztagsunterricht verbessert ihr zufolge die Bildungschancen aller Kinder. Das aktuelle Volksbegehren gegen G8 in Nordrhein-Westfalen fordert hingegen maximal sechs Unterrichtsstunden am Tag. „Wir sehen darin eine Abkehr vom Ganztag. Zusätzliche Bildungs- und Förderangebote wären freiwillig oder würden entfallen – ein großer Rückschritt für Schulen auf dem Weg zu einer chancengerechten Schule“, erläutert Kneip. Agentur für Bildungsjournalismus

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