In Schleswig-Holstein heißt es aktuell: Kommando zurück. Bildungsministerin Karin Prien (CDU) plant, das erst vor drei Jahren unter Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) eingeführte Lehramt „Sekundarschullehrer“ abzuschaffen – und wieder zwei getrennte Lehrämter für weiterführende Schulen, nämlich ein reines Lehramt für Gemeinschaftsschulen und eines für Gymnasien einzuführen. Damit ja nichts zusammenfindet, was aus Sicht der Christdemokraten nicht zusammengehört, wird die Ausbildung auch räumlich getrennt: Die angehenden Gesamtschullehrer kommen nach Flensburg, die angehenden Gymnasiallehrer nach Kiel.
In Hamburg ist der Zug in die entgegengesetzte Richtung unterwegs: Dort soll die Lehrerausbildung für Gymnasien und Stadtteilschulen (wie in Hamburg die Gesamtschulen heißen) vereinheitlicht werden. Aus durchaus nachvollziehbaren Gründen. „Schon jetzt hat sich der Einsatz von Gymnasiallehrern an Stadtteilschulen außerordentlich bewährt”, sagt Bildungssenator Ties Rabe (SPD). Schon jetzt unterrichten etwa gleich viel Gymnasiallehrer (40 Prozent) und sogenannte GHR-Lehrer (42 Prozent) an den Stadtteilschulen. Hätten künftig alle Lehrer an Stadtteilschulen eine Gymnasial-Qualifikation, könnten sie ihre Schüler bis in die Oberstufe und zum Abitur begleiten, meint Rabe. Und bringt auch noch ein höchst pragmatisches Argument: Es gebe außerdem die höchsten Bewerberquoten für das Gymnasiallehramt.
Dass es womöglich organisatorisch nicht immer möglich sein wird, Gymnasiallehrer von Gemeinschaftsschulen fernzuhalten (und umgekehrt), sieht offenbar auch die Christdemokratin Prien so. Sie hält deshalb eine Verbindung offen: Angehende Gemeinschaftsschullehrer sollen sich in Flensburg auch für die Sekundarstufe II qualifizieren können – um dann später gegebenenfalls mal die Schulform wechseln zu können.
“Unzureichende Voraussetzung”
Das bringt den Philologenverband in Rage. „Die Entscheidung von Bildungs- und Wissenschaftsministerin Karin Prien zur künftigen Trennung der Lehrerausbildung für die Sekundarstufe ist grundsätzlich richtig und zu begrüßen“, so meint Landesverbandschef Jens Finger. Aber: Die Möglichkeit zur Sekundarstufe-II-Qualifikation für die Kollegen hält er für „inkonsequent, wenn nicht sogar für falsch“. Der Grund: Das fachwissenschaftliche Studium bestimmter Fächer wie Mathematik in Flensburg sei im Anspruch nicht mit dem in Kiel zu vergleichen. So wechselten erfolglose Studenten nach nicht bestandenen Zwischenklausuren von Kiel nach Flensburg und gelangten dort zum Abschluss. „Für die Schulpraxis an der Oberstufe eines Gymnasiums ist das in vielen Fällen aber eine unzureichende Voraussetzung“, meint Finger.
Schlechte Lehrer für dümmere Schüler? Wäre dies tatsächlich das Kalkül, müsste von einem Skandal gesprochen werden. Durchaus fragwürdig ist auch ein anderes Argument, das Philologenverbands-Chef Finger anführt: „Die Unterschiede in den Bildungsgängen und die gänzlich unterschiedlichen pädagogischen Herausforderungen an beiden Schulformen machen getrennte und spezifische Ausbildungen der jungen Lehrer notwendig.“ Ist das so? Überspitzt gefragt: Sitzen am Gymnasium die wohlerzogenen Begabten, die eher Dozenten als Pädagogen benötigen – während an den übrigen Schulformen vor allem Dompteure gefragt sind, die von ihren Fächern nicht so viel verstehen müssen?
Stand der Forschung
Nach dem Stand der Forschung lautet die Antwort eindeutig: Nein. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung haben im Rahmen der Coactiv-Studie das fachliche Können von Mathematiklehrern getestet und gleichzeitig ihren Unterricht und den Lernfortschritt ihrer Schüler analysiert. Die Ergebnisse zeigen einerseits, dass hervorragende Mathematiker nicht automatisch besseren Unterricht erteilten. „Viel wichtiger war das umfangreiche Wissen darüber, wie man mathematische Inhalte erklärt und welche Aufgaben für welche Situationen am besten geeignet sind“, so berichtet die „Zeit“.
Andererseits mache sich bemerkbar, für welche Schulform die Lehrer ausgebildet worden seien. „Denn obwohl die Fachdidaktik bei angehenden Lehrern für Grund-, Haupt- und Realschulen im Studium eine viel größere Rolle spielt als bei den Gymnasiallehrern, geben sie später den schlechteren Unterricht. Während Gymnasiallehrer im Studium von Fachexperten ausgebildet werden, übernehmen bei den Nichtgymnasiallehrern die Fachdidaktiker auch die fachliche Ausbildung. Bildungswissenschaftler gehen davon aus, dass das Fachwissen jedoch eine wesentliche Bedingung für eine gute Didaktik ist und somit indirekten Einfluss auf die Unterrichtsqualität hat.“ Heißt: Alle Schüler brauchen didaktisch und fachlich gut ausgebildete Lehrer.
Dazu kommt als Konsequenz der auseinanderdriftenden Lehrerausbildung in den Ländern: Für Lehrer wird das Umziehen innerhalb Deutschlands immer schwieriger. bibo / Agentur für Bildungsjournalismus
Der einstudierte Praxisschock – so kritikwürdig ist die Lehrerausbildung