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Von Verständnisproblemen und gutem Unterricht – warum Vokabeln wichtig für Mathe sind

PADERBORN. Guter Schulunterricht bildet die Grundlage der Nachwuchsgewinnung in fast jeder Wissenschaft: so auch in der Mathematik. Das haben mittlerweile viele Unis erkannt und investieren gezielt in Mathematikdidaktik und Didaktikforschung. Im Interview erklärt Unterrichtsforscherin Susanne Prediger von der TU Dortmund, was die Wissenschaftler dabei für den Unterricht leisten können.

Frau Prediger, Was können Fachmathematik und Mathematikdidaktik voneinander lernen?

„Die Mathematikdidaktik ist aus der Fachmathematik entstanden, hat sich aber in den letzten 40 Jahren als eigenständige wissenschaftliche Disziplin etabliert. An den Hochschulen ist die Hochschuldidaktik ein wachsendes Arbeitsfeld der Didaktik, in dem Fachmathematikerinnen und -mathematiker praktisch arbeiten. Wenn wir also die Hochschuldidaktik verbessern wollen, dann machen wir das gemeinsam.
Didaktiker können von Fachmathematikern erfahren, welche neuen mathematischen Methoden und Kenntnisse es gibt. Umgekehrt können Fachmathematikermathematiker von den Didaktikern lernen, wie die Lernstände und Lernprozesse der Studierenden verlaufen.
Inzwischen haben viele Standorte erkannt, dass es sich lohnt, sich gezielt um die Lehramtsstudierenden zu kümmern. Denn wenn man Lehrerausbildung lieblos gestaltet, schickt man schwache Lehrkräfte in die Schule und bekommt damit auch schwache und uninteressierte Schüler. Die beste Nachwuchsförderung ist also zunächst mal die Investition in die Lehrkräfte.“

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Wie funktioniert das Lernen von Mathematik überhaupt? Was ist beim Lernen schwierig und warum? – Fragen, deren Erforschung den Mathematikunterricht bereichern können. Foto: geralt / Pixabay (CC0)

Wie erforscht man denn den Mathematikunterricht?

„Wir müssen erst einmal erforschen, wie das Lernen von Mathematik überhaupt funktioniert, was beim Lernen schwierig ist und vor allem warum. Anschließend stellt sich die Frage, wie man die Lernenden dabei unterstützen kann. Dazu filmen wir zunächst zwei Schüler, nachdem wir ihnen Aufgaben gestellt haben und beobachten, was sie da tun und versuchen herauszufinden, wo sie Probleme haben. Dann untersuchen wir in ganzen Klassen, wie der Unterricht gestaltet werden kann. Wenn wir dazu Forschungsergebnisse haben, dann tragen wir sie auch in die Lehrerausbildung und -fortbildung.“

Was sind die klassischen Verständnisprobleme in der Mathematik der Unter-, Mittel- und Oberstufe?

„Die Probleme sind strukturell ganz ähnlich. Oft werden aber die sprachlichen Voraussetzungen unterschätzt, was dazu führt, dass wir einige Lernende abhängen. Diese Hürden gibt es sogar bis hin in die Universitäten. Aber: An jeder Stelle, an der die Mathematik einen Abstraktionsschub macht, verlieren wir Schüler. Das beginnt schon beim ersten Aufstellen einer Rechenaufgabe in der Grundschule. Ähnlich ist es bei der Einführung der Brüche. Dann kommt die Variable in den Klassen 7 und 8. Das ist dann die Stelle, an der die Nachhilfezahlen messbar in die Höhe schnellen. Und später natürlich der Übergang von der Schule in die Hochschule.“

Drei Dinge, die man als Lehrkraft tun kann.

„Zum einen muss mehr visualisiert werden – wir müssen die unsichtbaren Strukturen sichtbar machen. Visualisierungen ermöglichen es, und das ist der zweite Punkt, Denkprozesse zu kanalisieren. Und drittens lohnt es sich, die Sprache zu unterstützen und beispielweise Vokabeln an die Hand zu geben, damit die Lernenden auch Kompliziertes ausdrücken können.“

Fachdidaktische Entwicklungsforschung in der Mathematik – was heißt das?

„Wissenschaft besteht aus Forschung und Entwicklung. Das heißt, wir entwickeln ganz konkrete Produkte wie Schulbücher oder Lernumgebungen, um Lernende zu unterstützen, damit sie besser lernen können. Diese Produkte und Methoden erforschen wir dann. Die Forschung soll dazu beitragen, spätere Lernsituationen zu verbessern.“

Gibt es Unterschiede beim Mathematikverständnis zwischen Frauen und Männern?

„Bei den Zehnjährigen gibt es keinen messbaren Unterschied – bei den 15-Jährigen schon. In der Pubertät, der Zeit der Rollenfindung, lassen sich noch immer viele Mädchen einreden, dass sie das erstens nicht können müssen und zweitens sich nicht dafür interessieren sollten. Studien zeigen, dass es nicht an den kognitiven Grundvoraussetzungen liegt, sondern allein an gesellschaftlichen Rollenbildern und Selbstkonzepten. Die Unterschiede sind dabei nicht groß, aber da. Schule kann etwas dagegen tun und mehr Mädchen für MINT-Studiengänge gewinnen.“
(Interview: Johannes Pauly und Nina Reckendorf)

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