Bundesweit sind aktuell rund 2700 Schulen mit 1,5 Millionen Schülern im Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ vertreten, in Sachsen-Anhalt sind es 137 Schulen. „Wir sind das größte Schulnetzwerk in Deutschland“, so heißt es auf der Homepage der Initiative. „Es bietet Kindern, Jugendlichen und Pädagoginnen und Pädagogen die Möglichkeit, das Klima an ihrer Schule aktiv mitzugestalten, indem sie sich bewusst gegen jede Form von Diskriminierung, Mobbing und Gewalt wenden.“
Dagegen macht die AfD nun mobil. Sie sieht in dem Schulnetzwerk – wörtlich – „linke Indoktrination, Meinungs- und Gesinnungsdiktatur“. In einem Antrag für den Landtag heißt es: der „Kampf gegen rechts“ werde „auf politische Daseinsformen außerhalb des Extremismus ausgeweitet und gedeiht so zur politischen Meinungsmache gegen Andersdenkende“. Als Beleg für diese Behauptungen dient der AfD laut dem Bericht des Deutschlandfunks allerdings nur ein einziges Beispiel: An einem Gymnasium in Magdeburg seien Anti-AfD-Flyer verteilt worden, für die sich der Schulleiter sogar entschuldigt habe. Auf Nachfrage des Deutschlandfunks erklärte der Direktor allerdings, von einer Entschuldigung könne gar keine Rede sein. Sei’s drum: Der Antrag der AfD wurde geschlossen von den vier anderen Landtagsfraktionen abgelehnt. Unter massiven Zwischenrufen der AfD erklärte Bildungsminister Marco Tullner (CDU), das Netzwerk „Schule ohne Rassismus“ sei wichtiger denn je.
In Hamburg nun versucht die AfD, kritische Lehrkräfte persönlich anzugreifen. In einer Großen Anfrage an den Senat beklagt die Fraktion, dass Hamburger Lehrerinnen und Lehrer sich immer wieder kritisch gegenüber der AfD geäußert hätten – und von „Fällen politischer Indoktrination“ gesprochen. Dass die Bildungsverwaltung in Einzelfällen tatsächlich eingeschritten war, obwohl sie lediglich eine Dienstaufsichtsbeschwerde in Sachen Neutralitätsgebot erreicht hatte – deren Inhalt sich nicht bestätigte –, ficht die AfD nicht an.
Sie will die vermeintliche „Hetze, Stimmungsmache, Falschbehauptungen“ von „verblendeten Ideologen unter Hamburger Lehrern und Mitarbeitern der Schulbehörde“ nicht länger hinnehmen – und nach eigenen Worten jetzt „selbst in die Offensive“ gehen. Wörtlich heißt es auf der Homepage der Fraktion: „Geplant ist eine interaktive Plattform. Sie wird nicht nur über die rechtlichen Vorschriften des Neutralitätsgebotes informieren, sondern soll Schülern, Eltern und auch Lehrern die Möglichkeit bieten, über ein vertrauliches Kontaktformular Verstöße an die AfD-Fraktion zu melden. Die eingehenden Fälle werden der Schulbehörde übermittelt.“
“Höchst totalitär”
Die GEW zeigt sich empört. „Das Vorgehen der AfD ist höchst totalitär”, sagte Vorstandsmitglied Ilka Hoffmann dem Redaktionsnetzwerk Deutschland mit Blick auf die geplante Meldeplattform. „Solche Vorgehensweisen gab es auch im Stalinismus und im Nationalsozialismus“, sagte sie. „In Letzterem sind Mitglieder der Hitlerjugend in Vorlesungen gegangen und haben bei Kritik an der NSDAP die Dozenten verraten. Und in solchen Traditionen kann man die Pläne der AfD sehen.“
In einer Pressemitteilung der Gewerkschaft zur Großen Anfrage hieß es: „Selbstverständlich achtet die GEW das Neutralitätsgebot an Schulen und erkennt an, dass zu schulischen Veranstaltungen zu Bürgerschaftswahlen alle im Parlament vertretenen Parteien eingeladen werden müssen. Die AfD offenbart jedoch in ihrer Anfrage in vielen Fällen ein falsches Verständnis von politischer Neutralität. Neutralität heißt nicht Gleichgültigkeit, sondern fordert einen demokratischen, offenen Meinungsstreit und die Auseinandersetzung verschiedener Positionen ein. Was die AfD in vielen Fällen moniert, ist genau dieser demokratische, offene Meinungsstreit und die Auseinandersetzung verschiedener Positionen, die dem Neutralitätsgebot nicht entgegensteht, sondern dieses inhaltlich füllt und somit ein wichtiger Teil politischer Bildung ist.“
Auch der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Hans-Peter Meidinger, kritisierte das Vorhaben der Hamburger AfD. „Lehrer sollen ausgewogen und neutral sein und im Unterricht ihre persönliche Meinung klar als solche kenntlich machen. Wenn es Einzelfälle gibt, wo Lehrer das Mäßigungsgebot vermissen lassen, muss das mit der Schulleitung geklärt werden“, sagte er gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Aber: „Was die AfD in Hamburg vorhat, ist ein Aufruf zur Denunziation. Öffentliche Listen mit ungeprüften Anschuldigungen gegen Lehrerinnen und Lehrer verstoßen nicht nur gegen den Datenschutz, sondern auch gegen das Vertrauensverhältnis im Klassenzimmer.“
Die AfD hat auf die GEW-Kritik bereits reagiert – und auf ihrer Homepage unter der Überschrift “infamer, unsäglicher Vergleich” ohne Angabe der Quelle ein Foto veröffentlicht, auf dem angeblich “GEW-Aktivisten” zu sehen sind – tatsächlich zeigt das Bild erkennbare Teilnehmer einer Demonstration, wahrscheinlich Lehrerinnen und Lehrer im Tarifstreit, von denen einige GEW-Fahnen tragen. Das nennt man dann wohl Pranger. News4teachers