Website-Icon News4teachers

Inklusion: Rechnungshof rügt das (teure) Festhalten an Förderschulen

HANNOVER. Zu teuer, zu unübersichtlich, zu ungleich verteilt: Die Umsetzung der Inklusion ist deutschlandweit ein viel diskutiertes Thema. Niedersachsen bekommt von seinem Landesrechnungshof nun schlechte Noten. Das Land müsse die Entwicklung stärker steuern und die Ressourcen besser einsetzen – der Erhalt von Förderschulen verschärfe den Lehrermangel.

Weil die Sonderschulpflicht für behinderte Kinder mit der Inklusion entfallen ist, können Förderschulen nur als zusätzliches Angebot betrieben werden – und das ist extrem teuer. Foto: Shutterstock

Der Landesrechnungshof hat bei der Umsetzung der Inklusion an niedersächsischen Schulen teure Parallelstrukturen, große regionale Unterschiede und wenig effizienten Umgang mit Ressourcen bemängelt. Insbesondere kritisierten die Kassenprüfer, dass die Landesregierung länger als zunächst geplant an der Doppelstruktur von Förder- und Regelschulen festhalten will. Wegen der kleineren Klassen seien im Grundschulbereich die Kosten für Förderschulen mehr als doppelt so hoch wie die für Regelschulen, die Förderkinder unterrichteten. Das Parallelangebot von Förderschulen und inklusiv arbeitenden Regelschulen verschärfe zudem den Personalmangel an den Schulen. Es sei daher «problematisch», dass die Landesregierung bei der Inklusion an Schulen weiter zweigleisig fahren wolle, heißt es im Jahresbericht, den der Rechnungshof jetzt vorlegte.

Niedersachsen habe für den Zeitraum von 2017 bis 2021 weitere 1,8 Milliarden Euro für die schulische Inklusion eingeplant, sagte Rechnungshofpräsidentin Sandra von Klaeden bei der Vorstellung des Berichts. «Das ist ein enormer Betrag. Deshalb halten wir es für wichtig, dass der Rechnungshof diesen Bereich mit dem Blickwinkel der Finanzkontrolle untersucht.» Anderthalb Jahre hätten sich die Prüfer mit der Entwicklung befasst, die die schulische Inklusion seit ihrer gesetzlichen Einführung 2013 genommen hätte.

Anzeige

Der Rechnungshof stellte dabei fest, dass die inklusive Beschulung landesweit sehr unterschiedlich umgesetzt wird. So variiert der Anteil der Kinder mit Förderbedarf, die eine Regelschule besuchen, von 27 Prozent in Osnabrück bis zu 81 Prozent im Landkreis Gifhorn. «Diese Disparitäten gibt es, weil keine einheitliche Steuerung der Umsetzung des Schulrechts im Lande stattfindet», sagte Hermann Palm vom Landesrechnungshof. Ob Förderschulen weiter bestehen oder aufgelöst würden, sei regional unterschiedlich, und das Land nehme diesen «Wildwuchs» einfach hin.

Potenziale sind vorhanden

Auch bei den Schulformen ergeben sich laut Rechnungshof große Unterschiede: Während die Inklusionsquote bei Gymnasien 0,5 Prozent beträgt, haben die Hauptschulen mit 14,6 Prozent den höchsten Anteil von Schülern mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung. «Bei Fortsetzung dieses Trends ist nicht auszuschließen, dass Hauptschulen innerhalb weniger Jahre den Status faktischer Förderschulen erlangen könnten», warnt der Bericht. Auch andere Schultypen müssten verstärkt Schüler mit Förderbedarf aufnehmen.

Im Rahmen einer Modellrechnung prüfte der Rechnungshof auch, was passieren würde, wenn alle derzeit noch existenten Förderschulen für Kinder mit Lernbehinderung oder Defiziten bei der emotionalen und sozialen Entwicklung aufgelöst würden. Demnach ergebe sich ein Verteilungspotenzial von 400 Millionen Euro im Jahr – genug, um sämtliche Klassen aller Schulformen mit knapp sechs Stunden Förderunterricht pro Woche auszustatten. Als Votum gegen die Förderschule wollte Rechnungshofpräsidentin von Klaeden das Rechenmodell aber nicht verstanden wissen. «Wir zeigen nur auf, welche Potenziale vorhanden sind».

Die rot-schwarze Landesregierung plant dagegen, die Existenz von Förderschulen noch zu verlängern. Nach dem neuen Schulgesetz sollen die Kommunen als Schulträger beantragen können, dass Förderschulen mit Schwerpunkt Lernen in der Sekundarstufe noch bis zum Beginn des Schuljahres 2022/23 Schüler der Klasse 5 aufnehmen dürfen. Mit der Neuregelung erhält dieser Schultyp mehrere Jahre Aufschub, bis er eventuell ausläuft. In einer Reaktion auf den Bericht des Landesrechnungshofes sagte Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD), gerade die von den Prüfern angesprochenen regionalen Unterschiede beim Fortschritt der Inklusion sollten mit dieser Übergangsregelung besser ausgeglichen werden.

Anders bewertete dies die GEW. «Das Nebeneinander von Förder- und Regelschulen verschärft den Fachkräftemangel und verschlingt enorme Gelder», sagte die Landesvorsitzende Laura Pooth. Die Landesregierung müsse diesen kostspieligen Irrweg rasch beenden. dpa

Inklusion: Haben geistig Behinderte einen Anspruch auf einen Platz am Gymnasium? Experte sagt: Nein!

Die mobile Version verlassen