STUTTGART. Die Gemeinschaftsschule ist Vertretern anderer Schularten schon lange ein Dorn im Auge. Nun wird bekannt, dass die künftige Oberstufe der «Schule für alle» weniger Schüler hat als erwartet. Der Verein für Gemeinschaftsschulen wirft Kultusministerin Eisenmann mangelnde Unterstützung vor, plädiert aber zugleich für Gelassenheit.
Weniger Schüler als erwartet wollen im Südwesten Abitur an einer Gemeinschaftsschule machen. Das berichten die «Stuttgarter Nachrichten» unter Berufung auf das Kultusministerium. Nach den Sommerferien besuchen demnach 38 Schüler die Oberstufe an der GMS West in Tübingen; an der Gebhardschule in Konstanz gibt es 50 Anmeldungen. Die beiden sind die einzigen Gemeinschaftsschulen im Land, an denen eine gymnasiale Oberstufe eingerichtet wurde.
Das ist möglich, wenn mindestens 60 Schüler zusammenkommen. Eigentlich führt die Gemeinschaftsschule die Klassen fünf bis zehn. Der Zeitung zufolge war das Land von 70 Abi-Kandidaten in Tübingen und 61 in Konstanz ausgegangen. «Die Anmeldezahlen an diesen starken Standorten haben uns schon ziemlich überrascht», sagte Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) dem Blatt.
Der Verein für Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg betonte, mit den Zahlen zufrieden zu sein. Grundsätzlich benötige gute Akzeptanz beim Aufbau einer neuen Schulart fünf bis acht Jahre und mindestens zwei bis drei Prüfungsdurchgänge, hieß es am Samstag.
Der Verein kritisierte mit Blick auf die Zahlen auch aus seiner Sicht mangelndes Engagement des Ministeriums. «Angesichts der kurzen Vorbereitungsfristen und der geringen Unterstützung, die die beiden Gemeinschaftsschul-Oberstufen seitens des Kultusministeriums erfahren, können wir mit den Anmeldezahlen sehr zufrieden sein», erklärte der Vorsitzende Matthias Wagner-Uhl.
Die Grünen im Landtag sehen die Zahlen gelassen. «Gerade neue Schulformen benötigen etwas Geduld, bis sie sich nach und nach in den Köpfen etabliert haben», erklärte die bildungspolitische Sprecherin Sandra Boser am Samstag. Mit einer Übergangsquote von 90 Prozent von der Mittel- auf die Oberstufe zeige Konstanz, dass Eltern dieses Vertrauen vor allem dann haben, wenn sie die Schule bereits kennen. «Wir sind davon überzeugt, dass die Oberstufen an den Gemeinschaftsschulen das notwendige Vertrauen für eine größere Akzeptanz auch außerhalb der Gemeinschaftsschulen schaffen werden.»
Vertreter anderer Schularten hatten die Gemeinschaftsschule zuletzt immer wieder kritisiert. Die im kommenden Schuljahr startenden Oberstufen an dieser Schulart seien ein kostspieliges Experiment und führten zu Verwerfungen in der Schullandschaft, monieren etwa die Verbände der Berufsschul-, Realschul- und Gymnasiallehrer. (dpa)
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