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Der Fall Özil und die hysterische Debatte um Integration – Bildungsdaten zeigen: Sie gelingt immer besser!

Für Schüler mit Migrationshintergrund hängen die Trauben in Deutschland immer noch höher. Foto: fsHH / pixabay (CC0 Public Domain)

Für Schüler mit Migrationshintergrund hängen die Trauben in Deutschland immer noch höher. Foto: fsHH / pixabay (CC0 Public Domain)

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BERLIN. Die Debatte um den Rücktritt von Mesut Özil aus der Fußball-Nationalmannschaft und – damit verbunden – um die Integration von Migranten in Deutschland nimmt irrationale Züge an. „Dass #Özil geht, ist ein Armutszeugnis für unser Land. Werden wir jemals dazugehören? Meine Zweifel werden täglich größer“, so twittert etwa die Berliner Staatssekretärin Sawsan Cheblii (SPD). Für die Migrationsforscherin Prof. Naika Foroutan zeigt der Fall eine starke Entfremdung zwischen der Mehrheitsgesellschaft und Migranten in Deutschland. Tatsache ist: Anhand von Bildungsdaten lässt sich eine solche Entfremdung nicht nachweisen – im Gegenteil: Migrantenkinder holen rasant auf. Allerdings gibt es nach wie vor Hinweise darauf, dass sie im deutschen Schulsystem benachteiligt werden.

Für Schüler mit Migrationshintergrund ist es nicht immer leicht, in Deutschland erfolgreich zu sein. Foto: fsHH / pixabay (CC0 Public Domain)

Sozial benachteiligte Schüler, darunter viele Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund, haben offenbar heute in Deutschland deutlich bessere Bildungschancen als noch vor zwölf Jahren. Dies ergab unlängst eine Sonderauswertung von PISA-Daten. Der Anteil der gut abschneidenden Schüler mit schwieriger sozialer, wirtschaftlicher Ausgangslage sei so stark gewachsen wie in kaum einem anderen Land der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), stellte PISA-Direktor Andreas Schleicher bei der Präsentation der Studie fest. Positiv hätten mehr Ganztagsschulen gewirkt, die Zusammenführung von Haupt- und Realschulen und somit eine bessere soziale Mischung, mehr frühkindliche Bildung an Kitas und eine stärkere Förderung von Schülern mit Migrationshintergrund. „Diesen Weg müssen wir weitergehen“, forderte Schleicher.

Höheres Abbruchrisiko

Dennoch bleibt viel zu tun. Denn Deutschland liegt bei der Chancengleichheit nach wie vor unter dem OECD-Schnitt. Schleicher: „Der soziale Hintergrund ist immer noch eine Barriere.“ Das belegt auch der Chancen-Spiegel, eine jährliche Bildungsstudie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Für ausländische Schüler war danach das Risiko eines Schulabbruchs ebenso wie für deutsche Schüler lange Zeit gesunken. Seit 2011 jedoch haben sich die Entwicklungen entkoppelt: Während der Anteil der deutschen Schüler ohne Abschluss weiter abgenommen hat, ist der der Ausländer aktuell wieder (leicht) auf 12,9 Prozent angestiegen. Die Wahrscheinlichkeit, dass einer der 150.000 Schulabbrecher ohne Ausbildung später arbeitslos werde, sei bei Ausländern drei- bis viermal höher als bei Schülern mit deutschem Pass, hieß es.

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Auch an weiteren Punkten im Schulsystem lassen sich Unterschiede zwischen Schülern mit und ohne Migrationshintergrund ausmachen, wie Prof. Haci Halil Uslucan, Professor für Moderne Türkeistudien und Integrationsforschung der Universität Duisburg-Essen, auf dem Deutschen Schulleiterkongress in Düsseldorf feststellte:

Vorbehalte von Lehrern spielen Lehrer spielen dabei womöglich eine Rolle. Forscher des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration äußerten den Verdacht, dass Lehrer Kindern aus türkischstämmigen Familien weniger zutrauen – auch dann wenn sich deren Leistungen faktisch nicht von denen der anderen unterscheiden. Schülern, an die sie geringere Erwartungen hätten, schenkten Lehrer weniger Aufmerksamkeit und riefen sie seltener auf, hieß es. „Verzerrte Lehrererwartungen beeinflussen die Kompetenzentwicklung von Kindern“, so resümierten die Wissenschaftler.

Bildungsforscher der Uni Mannheim stoßen in dieselbe Kerbe. Sie veröffentlichten den Befund, dass Gymnasiallehrer in Mathematik Schüler mit Migrationshintergrund schlechter benoteten als Kinder ohne – bei gleicher Sprachfertigkeit, ähnlicher sozialer Herkunft und obwohl die Kinder in standardisierten Tests gleich gut abschnitten. „Dass Schüler und Schülerinnen mit Migrationshintergrund im Vergleich zu Kindern ohne Migrationshintergrund deutlich seltener eine Gymnasialempfehlung erhalten, war bekannt“, erklärte Studienleiterin Meike Bonefeld. „Dass aber solche Unterschiede auch noch auf dem Gymnasium weiter existieren, haben wir so nicht erwartet. Wir deuten diese als einen Hinweis auf systematische Benachteiligungsprozesse im deutschen Bildungssystem auch nach dem bedeutsamen Übergang in die Sekundarstufe.“

Und trotzdem: In der Gesamtschau ist das Bildungsniveau von Migranten in Deutschland kaum schlechter als das der Deutschstämmigen – in der Spitze jedenfalls nicht. Zwar ist laut Destatis der Anteil von Menschen ohne Schulabschluss unter Migranten mit 9 und 14 Prozent viereinhalb (bei 25 – 34-jährigen) bis siebenmal (bei 45 – 54-jährigen ) so hoch wie unter Deutschstämmigen (jeweils 2 Prozent). Aber: Der Anteil der Abiturienten ist mit knapp der Hälfte (bei 25 – 34-jährigen) bzw. rund einem Drittel (bei 45 – 54-jährigen) fast identisch. bibo / Agentur für Bildungsjournalismus

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