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Schulstart in NRW mit massivem Lehrermangel – GEW: Keine neuen Impulse

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DÜSSELDORF. Die Sommerferien in NRW sind vorbei, nun geht die Schule für rund 2,5 Millionen Schüler wieder los – und die Schulministerin sitzt weiter auf einem Berg ungelöster Probleme. Vorneweg: der Lehrermangel insbesondere an den Grundschulen. Der VBE und die GEW fordern eine Aufstockung der Gehälter auf das Niveau A13/E13.

Steht vor einem turbulenten Schuljahr: die FDP-Schulministerin Yvonne Gebauer. Foto: Magubosc / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Das neue Schuljahr 2018/19 startet in Nordrhein-Westfalen mit einem massiven Lehrermangel. Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) legte in Düsseldorf ein Bündel neuer Maßnahmen vor, mit denen Lehrkräfte angeworben werden sollen. «Auf jeden Lehrer kommt es an», sagte die Ministerin. Auf die Schulen kommen zudem einige Neuerungen zu. Die Details:

LEHRERMANGEL

In den nächsten zehn Jahren fehlen nach Berechnungen des Ministeriums an allen Schulformen außer Gymnasien in NRW insgesamt rund 15.000 Lehrkräfte. Dagegen wird es an Gymnasien rund 16.000 Bewerber zu viel geben. «Wir wollen Angebot und Nachfrage wieder ins Lot bringen», sagte Gebauer.

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Derzeit sind von den im Sommer gut 9.600 ausgeschriebenen Stellen knapp 3.700 noch nicht besetzt. Vergangenes Jahr war noch etwa jede zweite offene Stelle vakant. Am stärksten sind Grundschulen vom Lehrermangel betroffen: Jede zweite offene Stelle ist nicht besetzt. Im Vergleich der NRW-Regionen fehlen vor allem im Ruhrgebiet Lehrkräfte.

MASSNAHMEN

Der Bewerberkreis für Seiteneinsteiger wird erweitert. Künftig können sich auch Fachhochschulabsolventen mit Masterabschluss auf eine Lehrerstelle bewerben. Einstellungen an Grund-, Haupt- und Realschulen sollen mit kurzfristigen Verbeamtungsperspektiven attraktiver werden. Gebauer hat nach eigenen Angaben rund 5.000 Oberstufen-Lehrkräfte schriftlich gebeten, sich auf Stellen der Sekundarstufe I, also niedrigeren Klassen zu bewerben. Ihr Angebot: Die Lehrer bekommen die Zusage, dass sie nach vier Jahren in die Sekundarstufe II wechseln können. Außerdem würden zusätzlich 650 Stellen für Oberstufen-Lehrer an Gesamtschulen geschaffen.

Schon 2017 hatte Gebauer in einem ersten Maßnahmenpaket Oberstufen-Lehrern zunächst die Möglichkeit eröffnet, an Grundschulen zu arbeiten. Doch nur 153 von etwa 2400 angeschrieben Lehramtsanwärtern nahmen das Angebot an. Der Grund könnte im Gehaltsunterschied liegen.

Auch Pensionäre sollen durch finanzielle Anreize wieder stundenweise für den Schuldienst gewonnen werden. Bis Ende 2019 ist die Hinzuverdienstgrenze ausgesetzt. Das Ministerium möchte die Aussetzung verlängern. Der Ruhestand von verbeamteten Lehrern soll bis zu drei Jahre hinausgeschoben werden können. Großen Zulauf erwartet Gebauer bei den Ruheständlern allerdings nicht. Sie kündigte weitere Maßnahmenpakete an.

UNTERRICHTSAUSFALL

Die öffentlichen Schulen in NRW müssen von nun an den Unterrichtsausfall digital erfassen. Erste Daten sollen noch im Laufe des Schuljahres zur Verfügung gestellt werden. «Statistik allein bekämpft keinen Ausfall, aber wir brauchen verlässliche Daten», sagte Gebauer.

OFFENER GANZTAG

Fast die Hälfte der Grundschüler hat im vergangenen Schuljahr am Offenen Ganztag (OGS) teilgenommen. Seit diesem Jahr ist die Teilnahme flexibler möglich. OGS-Kinder können am Nachmittag auch an regelmäßigen außerschulischen Aktivitäten in Sportvereinen oder Musikschulen, Kirchen und Jugendgruppen teilnehmen. Die Zahl der OGS-PLätze wird zwischen 2017 und 2019 um 16.000 auf 323.000 Plätze erhöht. Hinsichtlich der Pläne der Bundesregierung, bis 2025 einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen einzuführen, «tappen die Länder noch in völliger Dunkelheit», sagte Gebauer.

G9

Noch nicht in diesem, aber im kommenden Schuljahr 2019/20 beginnt in NRW die Umstellung vom acht- auf das neunjährige Gymnasium. Erste G9-Jahrgänge werden dann die Fünft- und Sechstklässler sein. Gebauer will in Kürze die Kernlehrpläne vorstellen. Die Bau- und Ausstattungskosten für G9 werden auf eine halbe Milliarde Euro geschätzt. Zusätzliche Räume würden aber erst 2025/26 benötigt, sagte Gebauer. Daher bekämen die Kommunen dafür erst ab 2022 Geld. Außerdem werden im Laufe der Umstellung rund 2300 zusätzliche Lehrer gebraucht. Angesichts des Bewerberüberhangs an Gymnasien sieht Gebauer keine Personalnot.

ISLAMISCHER RELIGIONSUNTERRICHT

In sechs Jahren ist die Zahl von 1.800 Schülern an 33 Schulen laut Gebauer auf zuletzt rund 19.000 Schüler an 234 Schulen gestiegen. Insgesamt gebe es in NRW rund
400.000 muslimische Schüler. Die Zahl der Lehrkräfte, die an der Uni Münster ausgebildet werden, stieg von anfangs gut 40 auf mehr als 240. Personalmangel gebe es hier nicht, sagte Gebauer.

SCHULSTATISTIK

Der Unterricht für die meisten der rund 2,5 Millionen Schüler und 198.000 Lehrer in NRW beginnt an diesem Mittwoch. Die rund 156.000 Erstklässler werden einen Tag später eingeschult. In NRW gibt es rund 5.500 Schulen.

REAKTION

Die SPD sprach beim Ruheständler-Programm von einer «Verzweiflungstat». dpa

Was die Lehrerverbände sagen

Die Lehrerverbände haben sich mit Pressemitteilungen zu Wort gemeldet.

„Trotz vieler Versprechen, die Belastungen zu senken, die Bezahlung gerechter zu machen und mehr Fortbildung und bessere Ausbildung anzubieten, ist nichts passiert“, klagte GEW-Landesvorsitzende Dorothea Schäfer. In der Pressekonferenz zum Schuljahresauftakt habe Schulministerin Gebauer keine neuen Impulse gesetzt, sondern lediglich Maßnahmen wie den Einsatz von Pensionären präsentiert, deren mangelnde Wirksamkeit bewiesen sei. „Wir fordern ein Maßnahmenbündel zur Attraktivitätssteigerung des Berufs. Die einheitliche Besoldung im Eingangsamt nach A 13Z, bzw. EG 13 für Tarifbeschäftigte, ist unabdingbar. Hier spielt die Landesregierung fahrlässiger Weise auf Zeit”, meinte die GEW-Landesvorsitzende. Sie forderte darüber hinaus finanzielle Anreize für Lehrkräfte, die sich bereit erklären, an Schulen im schwierigen sozialen Umfeld zu arbeiten.

„Uns wurde heute ein Bündel an Maßnahmen präsentiert. Lehrkräfte flexibel auf die Schulformen zu verteilen, das ist die beste der schlechten Notlösungen. Es bleibt aber eine Notlösung. Es müssen jetzt Maßnahmen umgesetzt werden, um das hausgemachte Problem langfristig zu lösen. Wir fordern ab sofort gleichen Lohn für gleiche Arbeit, um ausreichend Menschen für das Grundschul- und Sek I-Lehramt zu begeistern. Ausreichend ausgebildetes Personal kriegen wir nur durch verlockende Anreize, dazu gehören auch angemessenen Arbeitsbedingungen. Jede grundständig ausgebildete Lehrkraft zählt“, erklärt Stefan Behlau, Landesvorsitzender des VBE. Die Erweiterung des Seiteneinstiegs sieht der VBE kritisch. „Kinder und Jugendliche verdienen ausgebildetes Fachpersonal. Es geht um deren Zukunft und die Zukunft des Landes. Zwingend muss es eine Vorqualifizierung geben. Die Personalnot darf nicht dazu führen, dass Seiteneinsteiger unzureichend vorbereitet zum Einsatz kommen“, erklärte Behlau.

„Dass Bildungspolitik wahlentscheidend sein kann, hat schon die rot-grüne Vorgängerregierung leidvoll erfahren müssen. Insofern tut die Landesregierung schon im eigenen politischen Interesse gut daran, entschlossen gegenzusteuern“, erklärte Brigitte Balbach, Vorsitzende von “lehrer nrw”. Erste Schritte seien getan. Dass Schulministerin  Gebauer in diesem Jahr eine aufwändige Lehrer-Werbekampagne gestartet hat, sei im Grundsatz zu begrüßen. Ob allerdings pseudo-jugendliche Slogans („Ein Leben lang Influencer? Kannste haben!“; „Job mit Pultstatus – Gönn Dir!“) im „Fack-ju-Göhte“-Stil junge Leute für den Lehrerberuf begeistern, dürfe bezweifelt werden. Es bleibe zu hoffen, dass die zweite Phase der Kampagne wirklichkeitsnäher wird. “Klar ist, dass es auf Jahre hinaus nicht gelingen wird, die Schulen ausreichend mit grundständig ausgebildeten Lehrkräften zu versorgen, weil der Markt leergefegt ist und die Lehrerausbildung einfach Zeit braucht. Daher ist es sinnvoll und notwendig, Seiteneinsteiger an die Schulen zu bringen. Sie sollten allerdings langfristig die Ausnahme bleiben und dürfen nicht zur billigen Dauerlösung werden”, sagte Balbach.

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