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Umfrage: Lehrer fühlen sich zunehmend gesundheitlich belastet – aber: Der hohe Druck schweißt die Kollegien zusammen

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DÜSSELDORF. Viele Lehrer empfinden ihre Arbeitsbedingungen laut einer neuen Studie im Auftrag des VBE als belastend. Die Rahmenbedingungen für Lehrkräfte seien „alles andere als gesundheitsfördernd“, so heißt es mit Blick auf die Untersuchung, die auf einer Befragung von 4413 Lehrkräften in Nordrhein-Westfalen beruht. Und die meisten Schulleitungen seien kaum in der Lage, aktiv gegenzusteuern. Der hohe Druck hat allerdings einen bemerkenswerten positiven Aspekt: Er schweißt viele Kollegien zusammen.

Der hohe Außendruck lässt sich im Team besser ertragen. Foto: Shutterstock

Die Studienautoren halten fest, „dass das Gesundheitsempfinden der Lehrerinnen und Lehrer zweifelsohne durch die strukturellen Rahmenbedingungen in der jeweiligen Schule stark beeinflusst wird. Überwiegend werden die Arbeitsbedingungen eher als belastend wahrgenommen, dem aber von Seiten der Schule kaum ausgleichend begegnet wird. Dies liegt vor allem daran, dass die Förderung der Lehrkräftegesundheit nicht mit den programmatischen Zielen der Schule korrespondiert. Als Thema ist Gesundheitsförderung in der Schule latent präsent, erzeugt aber kaum eine Resonanz in Schulentwicklungsprozessen. Wie ein Tropfen Öl irrt es im Fahrwasser der schulischen Veränderungsdiskussionen umher, ohne dass es in Strukturänderungsdebatten eingebunden wird oder in die Lebensader der Schule, den Bildungsauftrag, eindringen kann.“

„Angebote der Gesundheitsförderung scheinen kaum vorhanden oder bekannt zu sein», moniert deshalb auch der Verband Bildung und Erziehung (VBE). Es gebe dringenden Handlungsbedarf.  Sich wohl zu fühlen trotz enger Klassenräume, fehlender Kolleginnen und Kollegen sowie unzureichender Ausstattung am Arbeitsplatz, sei kaum möglich, heißt es. Die Unterrichtsverpflichtung solle gesenkt werden. Es brauche multiprofessionelle Teams mit Gesundheitsfachkräften. Auch die Landesregierung sei gefordert. Denn: „Investitionen in die Gesundheitsförderung können dazu beitragen, den Personalmangel zu verringern und letztlich die Bildungsqualität zu stärken“, betonte die nordrhein-westfälische VBE-Landesvize Wibke Poth.

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Je größer die Schule, desto besser

Über einen Aspekt zeigte sie sich überrascht: Es herrsche vielerorts ein starkes Wir-Gefühl in den Kollegien. Tatsächlich stellen die Studienautoren fest: „Ein auf Zusammenhalt und gegenseitiges Vertrauen eingeschworenes Kollegium scheint hier wie ein Puffer zu wirken, indem es große Teile der Belastungen abfängt. Wird dieser Zusammenhalt von der Schulleitung gefördert, erleichtert dies den Lehrkräften, die hohen Belastungen auszuhalten und mancher Widrigkeit im Schulalltag zu trotzen.“ Dazu passe der Befund, wonach das persönliche Gesundheitsempfinden der Befragten sich umso besser zeige, je größer das Kollegium sei. „Eine mögliche Erklärung hierfür wäre, dass größere Kollegien eher in der Lage sind, Belastungsspitzen durch Verteilung der Aufgaben auf mehrere Lehrkräfte abzumildern und so individuelle Überforderungssituationen zu vermeiden.“

Welche Noten verteilten die Lehrer im Einzelnen? Auf einer Skala von 1 (sehr gut) bis 10 (gar nicht gut) bewerten die Pädagogen im Durchschnitt ihren eigenen Gesundheitszustand mit 4,7 Punkten. Mit Blick auf ihr Arbeitsumfeld machte die Umfrage bei der räumlichen, materiellen wie personellen Ausstattung viel Unzufriedenheit deutlich. Von den befragten Lehrkräften wird diese im Mittel als unterdurchschnittlich eingestuft. Die Daten der Untersuchung spiegeln allerdings auch die regionalen Unterschiede der Ausstattung der Schulen in Nordrhein-Westfalen wieder. Das Schulklima wird dagegen als eher gut bewertet, ein starkes Wir-Gefühl in den Kollegien habe sich gezeigt, berichtete der VBE.

Ein klares Manko laut Untersuchung: «Es gibt nur sehr wenige Schulen, die dem Thema Gesundheit einen hohen Stellenwert zuschreiben.» Fakt sei zugleich aber auch, dass immerhin ein kleiner Teil der Schulen der Gesundheit eine besonders hohe Priorität einräume. Fast zwei Drittel der befragten Lehrer stimmten der Aussage voll zu, dass die Einrichtung von Stellen für Gesundheitsfachkräfte an den Schulen zwingend erforderlich sei.

„Gesundheitsgerechtes Verhalten“, so schreiben die Studienautoren, würden „in den Schulen zwar nicht strukturell behindert, aber auch nicht gefördert (..). Vielmehr wird dieses personalisiert! Denn entweder besitzt die Schulleitung eine hohe Sensibilität für Gesundheitsfragen und bringt diese in die schulischen Prozesse und Strukturen ein, oder aber der Umgang mit Fragen gesundheitsgerechten Verhaltens bzw. die Folgen gesundheitlicher Probleme werden den Lehrern und Lehrerinnen selbst überlassen. Doch eine solche Personalisierung gesundheitsgerechten Verhaltens hat Folgen, insbesondere dann, wenn es im Zuge der sich aktuell abzeichnenden schulischen Personalengpässe zu zusätzlichen Belastungssteigerungen kommt. Dies dürfte unmittelbar zu einer deutlichen Verschlechterung des Schulklimas führen.“

Eine Forschungsgruppe der Uni Paderborn hatte die Untersuchung im Wintersemester 2017/18 und Sommersemester 2018 durchgeführt. Mit 62 Prozent waren die meisten Lehrkräfte an Grundschulen und fast drei Viertel aller Befragten an Schulen mit maximal 500 Schülern tätig. Forscher Heiko Meier von der Uni Paderborn betonte zur Umfrage seines Teams, in der freien Wirtschaft sei die Gesundheitsförderung zu einem wichtigen, attraktivitätssteigernden Faktor geworden. Schon angesichts des Lehrermangels mahnte er laut Mitteilung: «Schulen sind gut beraten, sich ebenfalls damit zu befassen.» News4teachers / mit Material der dpa

Hier geht es zu einer ausführlichen Zusammenfassung der Studie.

Die Forderungen des VBE

Der VBE hat Forderungen an die nordrhein-westfälische Landesregierung formuliert, um die Schulen gesünder zu machen.

  • Gesundheit als Wert in der Schulentwicklung berücksichtigen
  • Wirksamer Einsatz vorhandener Geldmittel
  • Unbürokratische Unterstützung von Schulen im Bereich Gesundheitsförderung
  • Mehr Zeitressourcen für kollegialen und fachlichen Austausch
  • Unterrichtsverpflichtung absenken, um lange Belastungsphasen auszugleichen
  • Einsatz von multiprofessionellen Teams, auch von Gesundheitsfachkräften
  • Gesundheitsförderung in der Schulleitungsqualifizierung stärker berücksichtigen
  • Moderne Schulbauten, die den Herausforderungen von heute entsprechen.

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