BERLIN. Wenn Lehrer die AfD negativ darstellen, müssen sie in mehreren Ländern fürchten, von Schülern und Eltern der Partei gemeldet zu werden (News4teachers berichtete). In Baden-Württemberg droht der AfD-Landtagsabgeordnete Stefan Räpple Lehrkräften und Professoren nun sogar mit einer öffentlichen Nennung ihres vollen Namens. Allerdings: Der Widerstand gegen die AfD-Online-Plattformen wächst – die KMK und das Bundesjustizministerium prüfen rechtliche Schritte.
Die Online-Plattformen der AfD zur Meldung politischer Äußerungen von Lehrern stoßen bei Bundesländern und Bundesregierung auf Kritik und Empörung. Dies sei ein «No-Go», sagte der Chef der Kultusministerkonferenz (KMK) am Donnerstag im SWR. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) sagte der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung»: «Organisierte Denunziation ist ein Mittel von Diktaturen.» Die Rechtspopulisten wollen mit den Portalen dagegen vorgehen, wenn Lehrer vor Schülern gegen sie argumentieren. Nach der Hamburger AfD stellte auch die AfD in Baden-Württemberg eine Meldeplattform online. Die Kultusminister wollten sich auf ihrer bis Freitag dauernden Tagung in Berlin gegen die AfD-Portale positionieren.
DIE KRITIK: Barley sagte: «Wer so etwas als Partei einsetzt, um missliebige Lehrer zu enttarnen und an den Pranger zu stellen, gibt viel über sein eigenes Demokratieverständnis preis.» Holter meinte, ihn erinnere dieses Vorgehen an die dunkelste Zeit der deutschen Geschichte von 1933 bis 1945. Nötig sei klare Kante, sagte der Thüringer Ressortchef (Linke). Unter Holter ist Schule als Lernort für Demokratie ein Schwerpunkt der KMK.
Baden-Württembergs Ressortchefin Susanne Eisenmann (CDU) hatte bereits die Plattform-Pläne als «völlig daneben» bezeichnet. Nordrhein-Westfalens Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) verurteilte das AfD-Vorgehen ebenfalls mit deutlichen Worten. Der Chef des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, bekräftigte im ZDF, die Lehrer wiesen den Vorwurf, sie würden einseitig zu Ungunsten der AfD informieren, aufs Schärfste zurück. Der Verband Deutscher Realschullehrer (VDR) forderte ein klares Bekenntnis der KMK gegen Denunziationsplattformen. Die Dienstherren müssten sich vor ihre Lehrkräfte stellen.
AKTIONEN DER AFD: Der Vorwurf der AfD lautet, dass Lehrer, die sich kritisch über die AfD äußern, ihr Neutralitätsgebot verletzen. In parlamentarischen Anfragen sammelten sie Hinweise auf solche Fälle. Sie legte auch mehrere Dienstaufsichtsbeschwerden ein. AfD-Vizechef Georg Pazderski wies die Kritik von Barley zurück. Er sagte, die Online-Portale in Berlin, Brandenburg, Hamburg und Niedersachsen seien «unbedingt notwendig, weil in vielen Schulen von Lehrern nur noch ein einseitiges links-grünes Weltbild verbreitet und geduldet wird». Lehrer, die im «Fuck AfD»-T-Shirt unterrichteten, hätten an den Schulen nichts zu suchen.
In Stuttgart schaltete der AfD-Landtagsabgeordnete Stefan Räpple nun ein entsprechendes Portal frei. Schüler können dort Lehrer, Studenten Professoren melden. Ihm seien wiederholt «Belege für Hetze gegen die AfD im Unterricht» zugespielt worden, obwohl Lehrer neutral zu sein hätten, sagte Räpple auf Anfraqge. Anders als in Hamburg sollen in Baden-Württemberg die Namen von Lehrern oder Professoren veröffentlicht werden. «Das sind öffentliche Personen mit hoheitsrechtlichen Aufgaben», sagte Räpple. Es müssten Belege vorliegen, etwa Unterrichtsmaterial oder Klausuren, bei denen die Fragen darauf abzielten, die AfD negativ darzustellen. Laut den Zeitungen der Funke Mediengruppe gibt es in insgesamt zehn Ländern Pläne oder Überlegungen für solche AfD-Plattformen.
RECHTLICHE SEITE: Holter sagte, die Länder prüften juristische Schritte. Ein Verbot der Meldeportale sei rechtlich aber schwierig. Bei Lehrern wiederum ist die Grenze zwischen statthafter Positionierung und zuviel Beeinflussung der Schüler nicht einfach zu ziehen. Seit den 70er Jahren gibt es eine Übereinkunft im Bildungsbereich, nach der Lehrer den Schülern ihre Meinung nicht aufdrängen dürfen, sie Themen ausgewogen besprechen und die Schüler zu selbstständigen Entscheidungen anleiten müssen. Im Konfliktfall gilt dieser so genannte Beutelsbacher Konsens unter Juristen aber als schwer konkret anzuwenden. Juristen und Experten betonten in der bereits seit Wochen laufenden Debatte über das AfD-Vorgehen zudem in verschiedenen Medien, dass Lehrer Recht auf Meinungsfreiheit haben und den demokratischen Grundsätzen verpflichtet seien.
LEHRER BEI DER AFD: Die Partei hat selbst auch Lehrer in ihren Reihen. Wie viele es genau sind, ist nicht bekannt. Zu ihren prominenteren Pädagogen zählen der rechtsnationale Thüringer AfD-Fraktionschef, der ehemalige Geschichtslehrer Björn Höcke, und der bildungspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion Götz Frömming, ein Gymnasiallehrer aus Berlin. Die AfD-Fraktionen in Bund und Ländern fordern, spezielle Lehrpläne für das Fach «Heimatkunde» zu entwickeln und dieses Fach in den ersten vier Schuljahren zu unterrichten. Von Basil Wegener, Alexia Angelopoulou und Anne-Béatrice Clasmann, dpa
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