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Begleitstudie zu Modellversuch bestätigt: Schulschwestern sind eine enorme Entlastung für Lehrer – wann gibt’s die endlich an jeder Schule?

FRANKFURT/MAIN. Schulgesundheitsfachkräfte erweisen sich als eine große Entlastung für Lehrerinnen und Lehrer. Dies ist das Ergebnis der wissenschaftlichen Begleitforschung durch die Charité-Universitätsmedizin Berlin zu einem hessischen Modellprojekt, in dessen Rahmen Krankenschwestern an zehn Schulen in Frankfurt und in der Region Offenbar arbeiten. “Sie sind vor allem Erste-Hilfe- und Sorge-Instanz, aktive Netzwerkerinnen und schließen – so sehen es auch die Eltern – eine Versorgungslücke”, so heißt es in einer Bilanz des hessischen Kultusministeriums. Der Versuch soll jetzt ausgeweitet werden.

Schulschwestern tragen sogar zu einem besseren Schulklima bei, so ergab die Umfrage. Foto: Shutterstock

Die guten internationalen Erfahrungen hätten in Hessen bestätigt werden können, so heißt es seitens der Wissenschaftler. Neben den Schülern äußerten sich auch Eltern und Lehrer sehr zufrieden über die Arbeit der zehn Fachkräfte. 42 Prozent der Schüler in der Sekundarstufe 1 glaubten, dass sich dadurch das Klima in der Schule verbessert habe. Immerhin 18 Prozent berichteten, dass sie täglich bis wöchentlich körperliche Auseinandersetzungen an der Schule erlebten.

Eltern wiederum freuten sich, dass ihre Kinder nicht bei jeder kleinen gesundheitlichen Einschränkung im Unterricht von der Schule abgeholt werden mussten. Lehrer sahen die Arbeit der Krankenschwestern mit viel Wohlwollen. Zwei Drittel gaben an, sich von fachfremden, gesundheitsbezogenen Aufgaben entlastet zu fühlen, was sogar ihre Arbeitszufriedenheit insgesamt erhöht. Die Charité rund 3.700 schriftliche Interviews organisiert.

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Die Krankenschwestern kümmern sich an den Schulen vor allem um akute Beschwerden oder die Erstversorgung, wenn es kleinere Blessuren gibt. Das Tätigkeitsspektrum reicht vom Fiebermessen und der Ausgabe von Kühlpacks bis zur Bereitstellung von Hustenbonbons. Aber die Schwestern haben auch darüber hinaus gravierende Probleme der Schüler im Blick: Sie kümmern sich um Ernährungsberatung (zum Beispiel bei Laktoseintoleranz), oftmals tabuisierte und komplexe Probleme wie „Ritzen“, Mobbing und Drogenkonsum, Umgang mit Spritzen (etwa bei Diabetikern), Anstoßen von Nachuntersuchungen, Aufklärung zu Fragen in der Pubertät (zum Beispiel Menstruationsbeschwerden, aber auch die sexuelle Orientierung betreffend). Auch Kinder mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen sind für sie ein Thema. Insgesamt wurden in Hessen 14.854 Schülerkontakte dokumentiert. Die meisten Anlässe waren akute Beschwerden (54,9 Prozent) oder Unfälle (27,8 Prozent).

Kinder mit starker seelischer Belastung

«Ein Tag ist immer anders», sagt Karen Kreutz-Dombrofski (51). Die erfahrene Krankenschwester ist für die 1.300 Kinder an der Frankfurter Ernst-Reuter-Schule zuständig. Sie betont: “Seit Gesundheit und Prävention mit Schulgesundheitsfachkräften in multiprofessionellen Teams an Schulen einen Platz finden, gibt es erstmals einen niedrigschwelligen Zugang zur gesundheitlichen Versorgung. Meine Tätigkeit umfasst Akutversorgung, Präventionsprojekte in Klassen, Eltern-und Lehrerberatung, auch Vermittlung von Gesundheitswissen. Im direkten Kontakt erlebe ich oft, dass ein Kind oder Jugendlicher zunächst zum Beispiel über Kopf- oder Bauchschmerzen klagt, sich dann aber eine starke seelische Belastung zeigt, die zunächst ihren Ausdruck in körperlichen Beschwerden findet.“

Die zehn Schulgesundheitsfachkräfte, wie sie offiziell heißen, haben alle an ihren neuen Arbeitsort mehrjährige Berufserfahrung mitgebracht. Die erscheint auch nötig: Immerhin 18 Prozent von ihnen gaben an, wöchentlich bis täglich körperliche Auseinandersetzungen an der Schule zu erleben, 56 Prozent berichten von gewaltsamen verbalen Konflikten unter Schülern, die sie mitbekommen. Der Medienkonsum der Kinder und Jugendlichen sei erwartungsgemäß hoch. Ein Drittel der Schülerschaft bewegt sich nach Ansicht der Fachkräfte bei weitem nicht ausreichend.

Mit dem gesundheitlichen und psychosozialen Angebot an den Schulen reagieren die Hessische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung (HAGE) und das Land auch auf die Veränderungen an den Schulen. Der Ausbau von Ganztagsangeboten, die Inklusion und die digitalen Medien haben den Alltag dort komplett verändert. Die Betreuung soll eine Lücke schließen und zugleich das Wissen der Schüler über gesundheitliche Fragen verbessern.

Die Berliner Forscher konnten allerdings in ihrer Studie nicht bestätigen, dass sich etwa an den Ernährungsgewohnheiten der Schüler durch den Einsatz der Fachkräfte etwas verändert hat – obwohl auch Beratung zum Aufgabenrepertoire der Krankenschwestern gehört. «Das wäre illusorisch», meint Antje Tannen von der Charité. Dafür brauche es mehr Zeit als ein Jahr. Das Thema Gesundheitskompetenz an den Schulen sei jedoch wichtig, da es daran in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern mangle. «Wir heilen, aber wir präventieren nicht», beschreibt die Forscherin die Situation im Gesundheitswesen.

Das hessische Kultusministerium hat nun als Konsequenz aus dem Modellversuch beschlossen, das Projekt bis Ende 2019 zu verlängern. Bisher hat die AOK Hessen gezahlt – im kommenden Jahr ist das nun Aufgabe des Landes. In welchem Umfang das Projekt jedoch landesweit ausgebaut wird, ist allerdings unklar. Die Ausweitung sei Teil der laufenden Koalitionsverhandlungen von CDU und Grünen, sagt Ulrich Striegel vom Kultusministerium in Wiesbaden. Eine flächendeckende Übernahme für das ganze Land sei vorerst aber nicht zu erwarten. Nur eins steht fest: Künftig sollen nicht nur Frauen, sondern auch Männer als Fachkräfte für die Schulen gewonnen werden.

Klaus Hurrelmann, Professor of Public Health and Education an der Hertie School of Governance (und einer der renommiertesten Jugendforscher in Deutschland), hält offenbar viel davon, das Modell in die Fläche zu bringen. Er unterstreicht: „Die breiten Einsatzmöglichkeiten einer Schulgesundheitsfachkraft können in gesundheitlichen wie auch sozialen Aspekten einen entscheidenden Beitrag leisten. Im besten Fall gelingt es ihr, eine Schülerin oder einen Schüler daran zu hindern, die Schule vorzeitig abzubrechen und dafür den individuell bestmöglichen Bildungserfolg zu erlangen. Gesundheit wird so ein integraler Bestandteil eines gelebten Alltages in der Schule und das Ziel der Bildungsqualität maßgeblich verbessert.“ News4teachers / mit Material der dpa

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