BERLIN. Im Sommer hatten unter #metwo Tausende von Menschen mit Migrationshintergrund über ihre vermeintlichen oder tatsächlichen Diskriminierungserfahrungen berichtet – auch in der Schule (News4teachers berichtete). Durch einen Bericht der Berliner Bildungsverwaltung hat die Debatte jetzt neue Nahrung bekommen. Offenbar werden immer wieder Schüler durch Lehrer diskriminiert. Die GEW fordert einen Mentalitätswechsel in den Kollegien im Umgang mit solchen Fällen.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert mehr Offenheit im Umgang mit Diskriminierungsproblemen an Berliner Schulen. «Diejenigen, die in Schulen diskriminieren, sind oftmals Pädagogen», sagte der GEW-Landesvorsitzende Tom Erdmann. «Das ist ein Thema, mit dem wir uns befassen und uns auch an die eigene Nase fassen müssen.» Nach Einschätzung Erdmanns ist mehr Transparenz in den Schulkollegien nötig. «Das Thema sollte offensiv diskutiert werden.» Schulleitungen, Lehrkräfte und Erzieher müssten es «ohne Abwehrhaltung als Aufgabe erkennen».
Aus einer kürzlich veröffentlichten Statistik des Senats geht hervor, dass Schüler an Berliner Schulen immer wieder wegen ihrer Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder Behinderungen diskriminiert werden. Die Antidiskriminierungsbeauftragte der Bildungsverwaltung, Saraya Gomis, zählte im Schuljahr 2016/2017 – aktuellere Angaben liegen nicht vor – bei 183 Beschwerden mindestens 147 bestätigte Vorkommnisse.
Hohe Dunkelziffer
In der Antwort der Bildungsverwaltung auf die Anfrage eines Abgeordneten heißt es in Bezug auf den Bericht: “Die statistische Erfassung des Projektzeitraums von September 2016 bis Juli 2017 nach einzelnen Diskriminierungskategorien offenbart eine hohe Anzahl an Meldungen und Beschwerden, die die Diskriminierungskategorie Rassismus umfassen. Weniger Meldungen, doch in einer dennoch signifikanten Höhe folgen auf dem statistischen 2. Platz die Meldungen und Beschwerden, die die Diskriminierungsmerkmale Ableismus (Reduzierung eines Menschen auf seine Beeinträchtigungen, d. Red.) und Behinderung sowie sexuelle Identität, Geschlecht und Geschlechtsidentität betreffen.” Allein in 106 Fällen wurden Schüler rassistisch oder antisemitisch benachteiligt, gedemütigt oder beleidigt. Bei der Hälfte der Gesamtfälle ging die Diskriminierung den Angaben zufolge ganz oder teilweise von Lehrkräften aus.
Die Dunkelziffer dürfte Experten zufolge höher sein, weil sich nicht jedes Diskriminierungsopfer meldet und Vorfälle an Schulen mitunter vertuscht werden. «Schon das Abstreiten von Diskriminierung ist ein Problem», betonte Erdmann. Wenn es Diskriminierungsfälle gebe, könne eine Versetzung des betroffenen Lehrers nicht die alleinige Lösung sein. «Wir brauchen Offenheit, aber auch Gelassenheit im Umgang mit dem Problem.»
Nötig seien mehr Schulsozialarbeiter und mehr Schulpsychologen. «Es ist gut, dass die Senatsbildungsverwaltung hier aufstockt, aber das ist noch nicht der große Wurf», so Erdmann mit Blick auf Berlin. Seine Gewerkschaft selbst will mehr Fortbildung für Lehrkräfte anbieten. «Wir wollen diese Themenfelder stärker besetzen und neue Fortbildungsangebote unterbreiten auch in Zusammenarbeit mit externen Trägern.»
Erdmann erneuerte die Forderung nach einer unabhängigen Beschwerdestelle ähnlich der Berliner Datenschutzbeauftragten, die dem Abgeordnetenhaus berichtspflichtig ist. «Das ist eine denkbare Struktur auch für einen Antidiskriminierungsbeauftragten.» Die Antidiskriminierungsbeauftragte der Bildungsverwaltung sei ein guter Anfang. Wirklich unabhängig agieren könne sie aber nicht, da ihr die nötigen Eingriffs- und Sanktionsmöglichkeiten fehlten.
Die Diskussion um den Rücktritt des Fußballers Mesut Özil aus der deutschen Nationalmannschaft war im Juli eine Diskussion um Rassismus in Deutschland entbrannt, die auch die Schulen betraf. Innerhalb von wenigen Tagen kamen auf Twitter unter dem Hashtag “metwo” (dessen Name auf eine doppelte Identität hinweisen soll) Zigtausende von Menschen zusammen, die ihre Erfahrungen mit Alltagsrassismus in Deutschland schilderten – Beleidigungen, Anspielungen, Diskriminierungen. News4teachers / mit Material der dpa
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