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Lehrerfortbildungen: zu beliebig, zu wenig nachhaltig, zu selten im Team? Expertenbericht spricht von “One-Shot-Veranstaltungen”

HAMBURG. Ein Bericht namhafter Bildungsforscher lässt ahnen, woran es an vielen Fortbildungsveranstaltungen für Lehrer hapert: inhaltlich beliebig, zu wenig nachhaltig angelegt, ohne direkten Bezug zum Unterricht der Teilnehmerinnen und Teilnehmer und nur von einzelnen Lehrkräften besucht, also ohne Beteiligung des übrigen Kollegiums. Von “One-Shot-Veranstaltungen” ist dabei die Rede. Die Wissenschaftler fordern Bemerkenswertes: nämlich die Fortbilder fortzubilden.

Der Fortbildungsbedarf im Lehrerberuf ist groß. Foto: Chemie-Verbände Baden-Württemberg / flickr (CC BY 2.0)

Warum sind so viele Schüler schlecht in Mathematik? Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD) wollte das genauer wissen – und beauftragte ein Wissenschaftlergremium mit einer Analyse der Situation. Der insgesamt 72-seitige Bericht der Experten gibt etliche Handlungsempfehlungen, die auf eine stärkere Verbindlichkeit mathematischer Inhalte zielen, etwa mehr Klassenarbeiten und Klausuren, garantierte 21 Stunden Mathematik-Unterricht in den vier Grundschuljahren, weniger fachfremd erteilter Mathematik-Unterricht, eine intensivere Förderung leistungsstarker und -schwacher Schüler. Wie beiläufig findet sich in dem Gutachten allerdings auch eine geradezu vernichtende Kritik gängiger Fortbildungsangebote für (Mathematik-)Lehrkräfte, die sich womöglich auch auf andere Fächer und auf andere Bundesländer übertragen lässt – und die die Frage aufwirft: Wer bildet eigentlich die Fortbilder fort?

„Fortbildungskonzepte, die sich als wirksam erwiesen haben, verknüpfen Input- und Erarbeitungsphasen mit Erprobungs- und Anwendungsgelegenheiten im eigenen Unterricht  und regen die teilnehmenden Lehrkräfte zur Reflexion über ihr unterrichtliches Handeln an“, so heißt es in dem unter Leitung von Olaf Köller, Professor am Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) an der Universität Kiel, erarbeiteten Papier. Und weiter: „Solche Fortbildungskonzepte lassen sich nicht im Rahmen von  ‚One-Shot‘-Veranstaltungen an  einem Nachmittag umsetzen, sondern erstrecken sich über einen längeren Zeitraum, der umfangreichere, anspruchsvollere und vertiefte Lernaktivitäten ermöglicht.“

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Dumm nur: Das Gros der Fortbildungsveranstaltung besteht aus solchen „Schnellschüssen”.  Wörtlich heißt es in dem Bericht, der sich zwar auf Hamburg bezieht, allerdings wohl bundesweit bestehende Probleme benennt: „Als organisatorische Charakteristika der Hamburger Fortbildungen lassen sich (…) sowohl für die Primarstufe als auch die Sekundarstufe folgende organisatorische Merkmale bei einem Großteil des Angebots identifizieren:

Auch wenn sicherlich nicht alle diese Aspekte auf jede Fortbildung zutreffen, so zeichnet die Dominanz dieser Merkmale ein Bild, wonach ein klassisches Verständnis von Professionalisierungsmaßnahmen dominiert, das einen geringen Einbezug von wissenschaftlicher Expertise erkennen lässt.“  Das wirft die Frage auf: Woher kommen eigentlich die Inhalte der Fortbildungen? Als Handlungsempfehlung sprechen sich die Wissenschaftler für eine „Qualifizierung von Fortbildnerinnen und Fortbildnern, Ausbilderinnen und Ausbildern der 2. Phase (Train the Trainer) und den Akteuren der Schulinspektion auf der Basis eines geteilten und evidenzbasierten Verständnisses fachlicher und fachdidaktischer Qualität des Mathematikunterrichts“ aus. Und für eine enge Zusammenarbeit von Fortbildern und Didaktikern aus den Hochschulen.

“Fokussierte Rückmeldungen”

Auch die angebotenen Formate der Fortbildungen stoßen auf Kritik. Insbesondere wenn es um die Weiterentwicklung des Unterrichts und um eine Veränderung unterrichtlicher Routinen und Skripts gehe, seien Professionalisierungsangebote vonnöten, die den teilnehmenden Lehrpersonen die Gelegenheit eröffnen, modellhaftes Handeln kennenzulernen, ihr  unterrichtliches Handeln zu reflektieren, neue Strategien und Handlungsmuster zu erproben  und hierauf Feedback zu erhalten. „Zahlreiche Studien belegen, dass Fortbildungskonzepte dann wirksam sind, wenn Lehrpersonen Feedback zu ihrem unterrichtlichen Handeln erhalten. Dies impliziert, dass Fortbildnerinnen und Fortbildner, andere Expertinnen und Experten oder Kolleginnen und Kollegen die an der Fortbildung teilnehmenden Lehrpersonen in ihrem Unterricht besuchen oder Videoaufnahmen aus dem Unterricht analysieren und fokussierte Rückmeldungen hierzu geben.“ Das aber finde eben kaum statt.

Ebenso selten gebe es Fortbildungen im Team, durch die sich Inhalte in die Breite des Kollegiums tragen ließen.  „Nur einzelne Lehrpersonen einer Schule auf eine Fortbildung zu »entsenden«, in der Hoffnung, dass diese die Fortbildungsinhalte z. B. im Rahmen einer Lehrerkonferenz  wirksam  an  den  Rest  des  Kollegiums  weitergeben  können,  stellt  eine  wirkungslose Transferstrategie dar.“ Heißt: Weitgehend sinnlos. Agentur für Bildungsjournalismus

Hier geht es zu dem Bericht der Mathematik-Expertenkommission.

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

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