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Rassismus-Debatte: Biologie-Lehrplan sieht vor, dass Schüler „Merkmale von europiden, negriden und mongoliden Menschen“ lernen

DRESDEN. Es handele sich um einen bedauerlichen Einzelfall, so erklärte das sächsische Kultusministerium – nachdem öffentlich geworden war, dass in einem Arbeitsheft Menschen in „Rassekreise“ eingeteilt wurden. Mittlerweile wurden die Schulen im Freistaat informiert, das ältere, dort aber offenbar noch gebräuchliche Unterrichtswerk dürfe nicht mehr verwendet werden. Allerdings: Der gültige sächsische Biologie-Lehrplan fürs Gymnasium sieht durchaus vor, dass Schülern „Merkmale von europiden, negriden und mongoliden Menschen“ vermittelt werden.

Auszug aus dem sächsischen Lehrplan Biologie fürs Gymnasium, Klasse 10. Screenshot

Welche Augen-, Gesichts- und Haarformen gehören zu welchen „Rassekreisen“? Im Arbeitsheft „Naturwissenschaften: Biologie, Chemie, Physik – Farben” von 1997 wurden Schülern vermeintliche  Rassemerkmale genannt und Fotos angeblich typischer Vertreter vorgeführt. Über die angeblichen Angehörigen eines „Mongolischen Rassekreis“ erfuhren die Zehntklässler: „Gelbton der Haut, untersetzter Körperbau mit langem Rumpf, flaches Mittelgesicht mit niedriger Nasenwurzel“. Zu einem „Negriden Rassekreis“ heißt es unter anderem: „breite Nasen, dicke Lippen“. Die Schüler hatten dann Fotos von Menschen anhand von Hautfarben oder Nasengrößen zuzuordnen.

Das Ministerium unterstütze diese Inhalte nicht; der Begriff „Menschenrassen“ sei im Unterricht nicht zu verwenden, so erklärte Kultusminister Christian Piwarz (CDU) gegenüber der „Welt“. „Im Gegenteil, im Bereich der Evolution des Menschen liegt die Grundaussage insbesondere auf den Gemeinsamkeiten und der (genetischen) Gleichwertigkeit aller Menschen“, befand er dem Bericht zufolge. Zwar wählten die Schulen Unterrichtsmaterialien in eigener Verantwortung aus den Sortimenten der Verlage aus. Diese müssten jedoch im Einklang mit den Lehrplaninhalten des Bundeslandes stehen.

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Tatsächlich scheint das durchaus der Fall zu sein. Wer auf der Seite www.schule.sachsen.de den aktuellen Lehrplan Gymnasium für das Fach Biologie aufruft, findet darin die gleiche Einteilung von Menschen, wie sie im nunmehr verbotenen Lehrheft auftaucht.

Das Deckblatt des Lehrplans. Screenshot

Auf Seite 32 des 2007 in Kraft gesetzten Lehrplans für die Klasse 10 werden zum Thema „Stammesgeschichte des Menschen“, das insgesamt neun Unterrichtsstunden umfassen soll, einige Punkte aufgeführt, mit denen sich die Schüler beschäftigen sollen: darunter „Schädel, Extremitäten, Wirbelsäule“ – und eben: „Merkmale von europiden, negriden und mongoliden Menschen“. Dass den Lehrplanmachern der Aspekt durchaus problematisch erschien, wird an dem Zusatz deutlich, der als begleitender Unterrichtsinhalt vorgeschrieben wird: „Antirassismus als Gebot des Humanismus“. Der Ausdruck “Menschenrassen” soll zwar 2004 aus dem Lehrplan gestrichen worden sein – die zugrundeliegende Theorie findet sich dort aber nach wie vor.

Dabei gilt eine solche „Rassenlehre“ heute (und galt auch schon 2007) als nicht haltbarer Unfug. Die Kategorisierung suggeriere, dass es fundamentale, erbliche Unterschiede zwischen Menschengruppen gebe – was von der Wissenschaft längst widerlegt sei, sagt Saboura Naqshband, Wissenschaftlerin am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung, gegenüber der „Welt“. Sie erkennt laut Bericht in Lehrmaterialien wie dem Arbeitsheft eine pseudowissenschaftliche veraltete und rassenbiologistische Theorie. „Die bis ins 20. Jahrhundert vorherrschende Vorstellung von vermeintlich unterschiedlichen, hierarchisch geordneten ,Rassengruppen‘ diente der Rationalisierung der Ausbeutung in der kolonialen Expansion Europas und dem Genozid im Nationalsozialismus“, sagte Naqshband.

“Völlig unangemessen”

Bereits 1995 hatte eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe der UNESCO festgestellt, das „Rasse-Konzept“ sei überholt. In einer damaligen Stellungnahme heißt es: „‘Rassen‘ des Menschen werden traditionell als genetisch einheitlich, aber untereinander verschieden angesehen. Diese Definition wurde entwickelt, um menschliche Vielfalt zu beschreiben, wie sie beispielsweise mit verschiedenen geographischen Orten verbunden ist. Neue, auf den Methoden der molekularen Genetik und mathematischen Modellen der Populationsgenetik beruhende Fortschritte der modernen Biologie zeigen jedoch, dass diese Definition völlig unangemessen ist. Die neuen wissenschaftlichen Befunde stützen nicht die frühere Auffassung, dass menschliche Populationen in getrennte „Rassen“, wie „Afrikaner“, „Eurasier“ (einschließlich „eingeborener Amerikaner“), oder irgendeine größere Anzahl von Untergruppen klassifiziert werden könnten.“ Agentur für Bildungsjournalismus

Hier geht es zum Lehrplan Biologie fürs Gymnasium des Freistaats Sachsen.

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

 

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