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Schleicher vergleicht Schulen mit Lernfabriken – und meint: «In Deutschland ist der Lehrerberuf intellektuell zu unattraktiv»

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BERLIN. OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher, internationaler Koordinator der PISA-Studien, hat scharfe Kritik am deutschen Schulsystem geübt und mehr Selbstbestimmung für Lehrer gefordert. «In Deutschland ist der Schulbetrieb wie eine Fabrikhalle organisiert», sagte Schleicher dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. «Die Lehrer werden viel zu oft wie Fließbandarbeiter behandelt, deren Meinung nicht gefragt ist.» Widerspruch kam von Schleswig-Holsteins Bildungsministerin.

Äußert sich deutlich: OECD-Direktor und PISA-Chef Andreas Schleicher. Foto: re:publica / flickr (CC BY-SA 2.0)

Auf der anderen Seite, so Schleicher, seien viele Lehrer aber auch selbst zu fixiert darauf, «dass eine Vorgabe aus dem Ministerium kommt – oder ein neues Lehrbuch». Jeder Lehrer sollte selbst so viel wie möglich darüber nachdenken, was der richtige Unterricht sei, um die Kinder auf die Welt von morgen vorzubereiten. Schleicher forderte zugleich mehr Kooperation: «Es muss Schluss mit dem Einzelkämpfertum in den Klassenräumen sein.» Lehrer müssten viel mehr gemeinsam Unterricht vorbereiten und auf Plattformen gezielt Unterrichtskonzepte austauschen. Da seien andere Länder viel weiter.

Befragt danach, ob nicht zunächst die Politik „den Schalter umlegen“ müsse, damit Lehrkräften auch Zeit und Raum für den Austausch zur Verfügung stünden, antwortete Schleicher: «Das ist das typische Denken in Deutschland. Es gibt aber gar keinen Schalter, den man umlegen könnte – und dann ist auf einmal alles anders. Und in den Ministerien wird über diese Fragen viel zu wenig nachgedacht. Die Zahl der Unterrichtsstunden des einzelnen Lehrers sollten verringert werden, damit es mehr Raum dafür gibt, auch anderes als nur ganz normalen Unterricht zu machen. Aber diese Erkenntnis entlastet die Lehrer nicht davon, im Alltag auch selbst nach Räumen für die Zusammenarbeit mit Kollegen zu suchen. Und sich gemeinsam dafür einzusetzen. »

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«In Deutschland ist der Lehrerberuf im internationalen Vergleich finanziell attraktiv, aber intellektuell zu unattraktiv», sagte Schleicher von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Das sei so, weil das Prinzip gelte: «Mach deine Klassentür zu und zieh den Lehrplan nach Vorschrift durch – Hauptsache, die Eltern beschweren sich nicht.» Wie sieht Schleichers Idealbild eines Lehrers aus? «Wir brauchen Lehrer, die Freude an der Beziehungsarbeit mit den Schülern haben. Die sich jeden Tag die Frage stellen: Möchte ich Schüler in meiner eigenen Klasse sein? »

Prien: “Unangemessen und viel zu pauschal”

Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien wies Schleichers Ausführungen zurück. «Die von Herrn Schleicher geäußerte Kritik an unseren Schulen und vor allem an der Arbeit der Lehrkräfte finde ich unangemessen und viel zu pauschal», sagte die CDU-Politikerin am Mittwoch in Kiel. «Ich finde es enttäuschend, dass jemand, der sich seit so vielen Jahren als Bildungsforscher mit unseren Schulen beschäftigt, sich zu solchen abwertenden und respektlosen Äußerungen hinreißen lässt.»

Schleichers Kritik entspreche nicht der Realität an den Schulen, sagte Prien. Die Lehrer stellten sich mehrheitlich mit viel Engagement und großer Kompetenz den Herausforderungen einer immer heterogener werdenden Schülerschaft. «Ich lade Herrn Schleicher herzlich ein, sich an den schleswig-holsteinischen Schulen ein Bild vom tatsächlichen Schulalltag zu machen.» News4teachers / mit Material der dpa

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers heiß diskutiert.

PISA-Chef Schleicher auf der #KonfBD18: „Die Rolle der Lehrkraft verschiebt sich – weg vom reinen Wissensvermittler“

 

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