HANNOVER. Etliche Tausend Jugendliche haben in mehr als 50 deutschen Städten statt zur Schule zu gehen unter dem Motto “#FridaysForFuture” für eine bessere Klimapolitik demonstriert. Allein in Freiburg demonstrierten rund 3500 Menschen. In Hannover kamen nach Polizeiangaben am Freitagmittag rund 2300 junge Frauen und Männer zusammen. Sie trugen selbstgebastelte Plakate mit Aufschriften wie «There’s no planet B», «Klimaschutz statt Kohleschmutz» oder «Badehose raus – das Meer kommt». Mit Schwänzen habe die Aktion nichts zu tun, machte Mitorganisatorin Ragna Diederichs klar. «Wir streiken, um ein ganz starkes Zeichen zu setzen», sagte die Schülerin aus Göttingen.
Die Schülerorganisatoren gehen davon aus, dass bundesweit mehr als 30.000 Demonstranten während der Unterrichtszeit auf die Straße gingen. Demonstrationen am Vormittag seien für Schüler nur im Ausnahmefall zulässig, wenn sich das verfolgte Ziel nicht nach Beendigung des Unterrichts verwirklichen lasse, teilte das niedersächsische Kultusministerium mit. Außerdem müsse das Anliegen der Demo einer Wertentscheidung des Grundgesetzes und dem Bildungsauftrag der Schule entsprechen. «Auch wenn wir das Engagement der Schülerinnen und Schüler für den Klimaschutz sehr begrüßen, erfüllt eine solche Demonstration die beiden genannten Voraussetzungen nicht», hieß es. Daher sei eine Teilnahme erst am Nachmittag möglich.
Ähnlich äußerte sich das rheinland-pfälzische Bildungsministerium. Ein Sprecher nannte das Engagement der jungen Menschen «absolut begrüßenswert». Da es sich jedoch nicht um eine schulische Veranstaltung handele, könnten die Schülerinnen und Schüler nicht beurlaubt werden. Das baden-württembergische Kultusministerium stellte klar: Wenn ein Schüler aufgrund der Teilnahme an der Demonstration nicht im Unterricht ist, werde das als unentschuldigtes Fehlen gewertet. Ob und welche Maßnahmen ergriffen werden, liege aber im Ermessen der Schule.
Die Demonstrationen haben auch in Bayern zu Diskussionen unter Schülern, Lehrern und Schuldirektoren über mögliche Schulverweise gesorgt. Die SPD-Landtagsfraktion plädierte dafür, ein Auge zuzudrücken. «In einer Zeit, in der allerorten nach mehr politischem Einsatz von Schülerinnen und Schüler gerufen wird, ist es der falsche Weg, bei dem heute stattfindenden Schülerstreik im Namen des Klimaschutzes direkt nach Strafen zu schreien», so die bildungspolitische Sprecherin Margit Wild.
Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, sprach sich im Bayerischen Rundfunk für Nachsitzen aus. Er würde als betroffener Schulleiter (Meidinger ist Leiter eines bayerischen Gymnasiums) anordnen, dass die Schulschwänzer den verpassten Unterricht am Nachmittag oder Abend nachholten – und zwar in Form von Diskussionsrunden über Klimaschutz. Schulverweise halte er dagegen für «sinnlos». Meidinger: «Das ist was Positives! Ich freue mich, wenn sich Schüler politisch engagieren.»
Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) kritisierte die Kundgebungen. «Stellen Sie sich vor, wir hätten mittwochs eine Demo für Menschenrechte, freitags für Klimaschutz – wenn das alles parallel zum Unterricht stattfindet, haben wir irgendwann gar keinen mehr», sagte Eisenmann dem Radioprogramm «SWR Aktuell».
Eindeutige Kritik kam auch von der Schüler Union Baden-Württemberg. «Schule schwänzen und das Aufrufen zum Schulschwänzen ist eine Ordnungswidrigkeit!», sagte der Landesvorsitzende der CDU-Jugendorganisation, Michael Bodner. Lehrkräfte und Behörden müssten dieses Verhalten dementsprechend konsequent verfolgen und ahnden. Diesem Vorstoß erteilte Eisenmann allerdings eine Absage: «Die Schülerinnen und Schüler, die fehlen, haben auf jeden Fall keine drastischen Maßnahmen zu erwarten», erklärte sie. Sie halte einen pädagogischen Umgang für sinnvoller.
“Ich bin sehr beeindruckt”
Unterstützung kam dagegen von den Grünen. «Ich bin sehr beeindruckt von dem politischen Engagement so vieler junger Menschen», sagte die rheinland-pfälzische Grünen-Vorsitzende Jutta Paulus. In Hannover schloss sich die Grüne Jugend den Protesten an. «Warum sollen wir für eine Zukunft lernen, die nicht geschützt wird?», meinte Sprecherin Mariel Reichard. «Wir brauchen nachhaltigen und sofortigen Klimaschutz als einzig realistische Antwort auf die drohende Klimakrise.»
Die ursprüngliche Ideengeberin der Proteste ist die schwedische Schülerin Greta Thunberg. Die Aktivistin demonstriert nach eigenen Angaben seit Monaten immer freitags in Stockholm gegen den Klimawandel. Die Bundesgeschäftsführerin der Jugendorganisation des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Antonia Müller, beschreibt die Bewegung als «extrem dezentral». Die Absprachen erfolgten über soziale Medien, vor allem über den Messenger WhatsApp. Wirkliche Initiatoren gebe es in Deutschland deshalb nicht. «Wir finden das Engagement der jungen Leute auf jeden Fall super», sagte Müller. News4teachers / mit Material der dpa
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Hunderte von Schülern bundesweit “streiken” für eine bessere Klimapolitik
