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Fachgesellschaften beklagen mangelnde Mathematikkenntnisse von Studienanfängern und geben Empfehlungen für den Unterricht

BERLIN/KASSEL. Bereitet der Mathe-Unterricht Schüler nicht ausreichend auf ein Studium vor? Fast die Hälfte der deutschen Studenten studiert ein Fach, für das mathematische Kenntnisse grundlegend sind  – und viele Studienanfängern haben damit erhebliche Probleme. Mit einem Empfehlungspapier wollen drei große mathematische Fachgesellschaften den Übergang von der Schule auf die Hochschule verbessern. Zugleich stoßen die damit die Diskussion um die Qualität des Mathematikunterrichts wieder an.

Ob in Wirtschafts- und Naturwissenschaften, Informatik oder im Ingenieuersstudium: Mathekenntnisse sind in vielen Studiengängen eine unverzichtbare Voraussetzung. Viele Studenten tun sich auf diesem Gebiet allerdings schwer. Zu viele Studienanfänger kämen mit unzureichenden Kenntnissen auf die Hochschulen, stellt etwa der Kasseler Mathematikprofessor Wolfram Koepf fest. „Viele Schülerinnen und Schüler, die nach dem Abitur ein Fach studieren möchten, für das Mathematik-Kenntnisse erfolgsentscheidend sind, haben im Fach Mathematik Schwierigkeiten beim Übergang von der Schule an die Hochschule,“ formuliert der Sprecher der gemeinsamen Mathematik-Kommission der Deutschen Mathematiker-Vereinigung (DMV), der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik (GDM) und des Verbands zur Förderung des MINT-Unterrichts (MNU).

Mathematikkenntnisse sind in vielen Studiengägngen alternativlose Voraussetzungen. Foto: Robert Couse-Baker / flickr (CC BY 2.0)

Die Situation scheint dramatisch. In einer Pressemeldung aus dem Jahr 2017 hatten die Fachgesellschaften ihren Sorgen wesentlich drastischer Ausdruck verliehen: An deutschen Hochschulen verzeichne man seit mehr als einer Dekade den alarmierenden Befund, dass einem Großteil der Studierenden bei Studienbeginn viele mathematische Grundkenntnisse und -fertigkeiten sowie konzeptuelles Verständnis mathematischer Inhalte fehlen.

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Mängel gebe es sowohl bei der Oberstufenmathematik als auch bei den in der Mittelstufe behandelten Themen, etwa bei Bruchrechnung oder den Potenzgesetzen. Auch die Behandlung von Funktionentypen in der Schule sei mittlerweile so ausgedünnt, dass eine Ausbildung in höherer Mathematik als Teil etwa eines Ingenieurstudiums nicht mehr darauf aufbauen könne.

Um die Situation zu verbessern, haben die drei Fachgesellschaften nun ein Papier mit 19 Handlungsempfehlungen für einen leichteren Übergang von der Schule an die Hochschule erarbeitet. Die Empfehlungen reichen von einheitlichen Abiturstandards im Fach Mathematik über die Qualifizierung von Lehrkräften bis hin zur Abstimmung von Lerninhalten zwischen Schulen und Hochschulen.

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Konkret fordern die Mathematiker etwa, dass alle Schüler mindestens vier Wochenstunden Mathematikunterricht von ausgebildeten Mathematiklehrkräften erhalten sollen. Für Lehrkräfte sollen mehr Fortbildungsangebote geschaffen werden. Zudem schlagen die Fachgesellschaften vor, deutschlandweit in den Prüfungskanon für das Abitur und die Fachhochschulreife eine verbindliche, hilfsmittelfreie Mathematikprüfung zu Inhalten der Sekundarstufe I aufzunehmen.

Bei den Bildungsstandards sieht die Kommission erheblichen Konkretisierungsbedarf. Dabei spiele beispielsweise die Verbesserung von Beispielaufgaben eine wichtige Rolle. Schüler sollten darüber hinaus mehr Gelegenheiten erhalten, grundlegendes Argumentieren zu lernen und sich mit mathematischen Begründungs- und Beweisstrategien vertraut zu machen.

Im Bereich der Studienorientierung fordern die Mathematik-Vertreter eine frühere und engere Kooperation von Schulen und Hochschulen. In „Kommunikationszirkeln“ sollen sich zudem Schulen und Hochschulen zudem regelmäßig austauschen um die um gegenseitige Anforderungen und Bedingungen kennenzulernen.

Die Hochschulen mahnt die Kommission zu einem stärkeren Engagement bei der Einrichtung von Brückenkursen und studienbegleitenden Unterstützungsmaßnahmen. Hochschullehrer müssten sich auch im didaktischen Bereich regelmäßig qualifizieren. Mit Blick auf das tatsächliche Wissen und Können der Studienanfänger streben die Fachgesellschaften die Einrichtung von „flexiblen Studieneingangsphasen“ an. Diese dürfen allerdings nicht zu Nahteilen beim Bezug von BAföG führen. Die Ausbildung der Mathematiklehrer solle besonders im fachlichen Bereich an die aktuellen Rahmenbedingungen angepasst werden.

Insgesamt plädieren die Fachgesellschaften eine „neue Kultur des Austauschs“ aller Beteiligten, eine sorgfältige Evaluierung erfolgter Maßnahmen und eine engere Verzahnung mit der mathematikdidaktischen Forschung. Geben sie sich insgesamt versöhnlicher als in früheren Verlautbarungen, sehen sie dennoch große Herausforderungen. „Es bedarf einer gemeinsamen Anstrengung von Politik in Bund und Ländern, von Schule, Hochschule und Wissenschaft, um Bedingungen für einen konstruktiven Übergang von der Schule zur Hochschule zu schaffen“, resümiert Koepf. (zab, pm)

• Der Maßnahmenkatalog der DMV-, GDM. und MNU-Kommission kann im Internet heruntergeladen werden

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