BERLIN. Der Philologenverband hat sich dafür ausgesprochen, das Grundgesetz und seine Inhalte zum festen Bestandteil der Lehrerausbildung zu machen. „Es kann uns nicht egal sein, dass vielen Lehramtsanwärtern fundamentale Inhalte unserer Verfassung nicht präsent genug sind. Das muss sich ändern”, sagte Philologen-Chefin Susanne Lin-Klitzingaus Anlass der Unterzeichnung der deutschen Verfassung vor 70 Jahren. Auch der VBE sowie der Realschullehrerverband betonten die Bedeutung einer Bildung, die die Grundlagen der Demokratie vermittelt – gerade in heutiger Zeit.
Die Verfassung sei „ein hochaktueller Leitfaden und von großer Bedeutung im täglichen Leben“, sagte die Vorsitzende des Deutschen Philologenverbands, Susanne Lin-Klitzing, in einem Interview mit der “Neuen Osnabrücker Zeitung”. So sei Artikel 3 des Grundgesetzes, wonach niemand wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft oder seines Glaubens benachteiligt oder bevorzugt werden darf, im schulischen Alltag eine ganz konkrete Anforderung. “Denn es bedeutet: Man schlägt niemanden, man beleidigt niemanden, und man wertet niemanden ab. Politik und Gesellschaft geben hier leider oft schlechte Beispiele”, betonte Lin-Klitzing, die bundesweit 90.000 Gymnasiallehrer vertritt. „Ich finde es gut, dass in fast allen Ländern Neuntklässler das Grundgesetz in gebundener Form überreicht bekommen“, erklärte die Verbandschefin.
Schule als zentrale Institution zur Wertevermittlung
„Vielleicht waren Bedeutung und Aktualität des Grundgesetzes selten größer als heute“, betonet Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE). „Wenn wir in unserer Gesellschaft wieder zunehmend antidemokratische und antipluralistische Tendenzen erleben, braucht es mehr denn je ein starkes freiheitlich-demokratisches Fundament, wie es das Grundgesetz bildet. Und es braucht Schule als die zentrale Institution, die allen in Deutschland lebenden Kindern und Jugendlichen das Erleben und Entwickeln einer Werteorientierung auf Basis dieser freiheitlich-demokratischen Grundordnung ermöglicht“, so Beckmann. „Nur, wenn wir es als Gesellschaft schaffen, junge Menschen frühzeitig in ihrer eigenen Meinungsbildung zu unterstützen, sie in einem von Toleranz und Respekt geprägten kritischen Denken fördern, wird sich die Zukunft unserer Gesellschaft im Einklang mit unserem Grundgesetz weiterentwickeln können“, befand der Bundesvorsitzende.
„Was mich positiv stimmt ist, dass die Bedeutung der freiheitlich-demokratischen Grundwerte in unserem Land, die sich an Schule vor allem in den werteorientierten Bildungs- und Erziehungszielen widerspiegeln, für Eltern als auch Lehrkräfte nach wie vor von enormer Bedeutung sind, wie eine vom VBE beauftragte Umfrage zum Thema Werteerziehung zeigt (News4teachers berichtete, d. Red.). Was die Studie aber auch mehr als deutlich macht ist, dass Schulen viel zu oft die für eine adäquate Umsetzung notwendigen Gelingensbedingungen verweigert werden“, erklärte Beckmann.
„Wir begrüßen, dass auch die Kultusministerkonferenz die Zeichen der Zeit erkennt und im Oktober 2018 beispielsweise eine Demokratieempfehlung für Schulen herausgegeben hat. Aber Worte werden eben nur dann bedeutend, wenn ihnen entsprechende Taten folgen. Und hier muss von der Politik entschieden mehr getan werden“, forderte Beckmann. „Jedem muss bewusst sein, dass Investitionen in die Bildung, in die Kinder und Jugendlichen in unserem Land, gleichermaßen auch Investitionen in die Stärkung der demokratischen Grundfesten unserer Gesellschaft sind“.
„70 Jahre Grundgesetz sind es wert, über die besondere Bedeutung unserer Verfassung und über die Stabilität unserer Demokratie nachzudenken“, meinte Jürgen Böhm, Bundesvorsitzender des Deutschen Realschullehrerverbands (VDR). „Diese Stärke hervorzuheben und zu würdigen ist gerade in unserer medialen Zeit wichtiger denn je. Politische Bildung muss an den Schulen einen festen Platz haben und gelebt werden. Die jungen Menschen müssen mündig gemacht werden, damit sie den antidemokratischen Rattenfängern nicht ins Netz gehen!“, forderte der VDR-Chef. News4teachers
Der VBE hat auf Basis der Ergebnisse der vom ihm beauftragen Werteerziehungsumfrage folgende Forderungen formuliert:
- Die feste fächerübergreifende Verankerung und deutlich stärkere Priorisierung aller Erziehungs- und Bildungsziele in den Lehrplänen von Schulen.
- Mehr Flexibilität, freie Gestaltungsräume und vor allem mehr Zeit für Schule, um Werte- und Demokratieerziehung zu implementieren und erlebbar machen zu können.
- Basierend auf einem Diskurs von Politik und Gesellschaft die Verständigung auf einen gemeinsamen Wertekanon, der Orientierung für alle Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer und Eltern bietet.
- Entschiedenes Handeln von der Politik, welches für die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen, Rahmenbedingungen und Unterstützungsleistungen sorgt. U. a.:
die Einsetzung multiprofessioneller Teams, den Ausbau von qualitativer, werteorientierter Ganztagsschule und adäquate Voraussetzungen für die Erziehungspartnerschaft zwischen Lehrkräften und Eltern. - Ein verbessertes, intensiveres und standardisiertes Angebot von Veranstaltungen zur Werteerziehung in allen Phasen der Lehreraus- und -fortbildung, welches die intensive Auseinandersetzung mit dem eigenen Werteverständnis zum Ziel hat.
- Ein verstärktes gesellschaftliches Engagement, welches außerschulische Angebote an Schule heranträgt und Lehrerinnen und Lehrer bei der Werteerziehung unterstützt.
