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„Schädlich“, „furchtbar“, „schrecklich“: Kultusminister einhellig gegen Linnemann

BERLIN. Kinder aus zugewanderten oder geflüchteten Familien sollen weiter gemeinsam mit anderen an der Grundschule unterrichtet werden – in Rheinland-Pfalz jedenfalls. Nach umstrittenen Äußerungen des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Carsten Linnemann, wandte sich Landesbildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) am Dienstag entschieden dagegen, Kinder ohne Deutschkenntnisse noch nicht zur Grundschule zuzulassen und stattdessen eine Vorschulpflicht einzuführen. «Wir brauchen keine Fernhaltepolitik, sondern Integration», erklärte Hubig. Auch andere Kultusminister stellten sich entschieden gegen den Vorschlag.

Muss für seinen Vorschlag viel Kritik einstecken: der CDU-Politiker Carsten Linnemann, hier bei “hart aber fair”. Foto: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Neben einer gezielten Sprachförderung in Kindertagesstätten und Schulen sei der Kontakt mit anderen Kindern genauso entscheidend, um Sprache zu lernen und zu verbessern, erklärte Stefanie Hubig. «Die Kommunikation mit Gleichaltrigen schafft zusätzliche Sprechanlässe und steigert die Motivation, die deutsche Sprache zu lernen.» Sprachförderung sei ein integraler Bestandteil der Bildungskette in Rheinland-Pfalz, betonte Hubig und nannte die in den Alltag eingebundene sprachliche Bildung in den Kitas, Deutsch-Intensivkurse für Schüler, Feriensprachkurse und den Unterricht in der Herkunftssprache.

“Die Verantwortung nicht allein den Schulen aufbürden”

Die Vermittlung von Sprachkenntnissen und der sichere Umgang mit der deutschen Sprache ist nach Auffassung von Sachsen-Anhalts Bildungsminister Marco Tullner eine zentrale Aufgabe von Schule. «Klar ist aber auch, es braucht dafür Grundlagen, die meist im Vorschulalter gelegt werden», teilte der CDU-Politiker am Dienstag mit. An vielen Schulen in Sachsen-Anhalt gebe es deshalb eine intensive Kooperation zwischen Grundschule und Kindertagesstätte. Gerade bei Schülern mit nichtdeutscher Herkunft «zeigen sich hier aber oft die Grenzen», so der Minister. «Die Äußerungen von Herrn Linnemann sind sicherlich sehr zugespitzt und leider auch etwas verkürzt», erklärte Tullner. Wenn der Bildungserfolg gelingen solle, müssten im Vorschulalter alle Beteiligten an einem Strang ziehen. «Letztlich darf die Verantwortung hier nicht allein den Schulen übergeholfen werden.»

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Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) befand: «Ich finde das furchtbar, denn in Wahrheit stellt sich doch die Frage, wo sie sonst Deutsch lernen sollten, wenn nicht in der Schule», sagte der SPD-Politiker am Dienstag. Zudem gehe es um Kinder. «Und ich möchte doch alle Politiker bitten, Kinder herauszuhalten aus den ganzen ausländerpolitischen Spielchen, die es da gibt.»

Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) sagte: «Ich bin für Integration und gegen Ausgrenzung. Deshalb lehne ich auch den Vorschlag von Herrn Linnemann ab.» Integration bedeute in Bayern unter anderem, das Deutschlernen schon im Kindergarten zu fördern. «In der Grundschule und in den weiterführenden Schulen haben wir in Bayern viele weitere Fördermaßnahmen, um die Deutschkenntnisse weiter zu verbessern», sagte Piazolo.

Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) meinte: «Das ist ein schrecklicher Vorschlag. Alle Kinder haben das Recht eine Schule zu besuchen, da darf niemand ausgegrenzt werden.» Gerade die Schulen und die Kitas seien bei der Integration sehr erfolgreich. «Natürlich brauchen wir für Kinder ohne Deutschkenntnisse ergänzende Angebote, beziehungsweise mehr Ressourcen für die Einrichtungen, das ist auch in Brandenburg Praxis», betonte die Ministerin.

“Wer Kinder von der Schule fernhalten will…”

Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne hält ebenfalls nichts vom Vorstoß von Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann, Kinder mit schlechten Deutschkenntnissen später einzuschulen. «Die Vorschläge von Herrn Linnemann sind kein Lösungsansatz, sondern ausschließlich schädlich. Wer Kinder von der Schule fernhalten will, will Kinder von Bildung und einer guten Zukunft fernhalten», sagte der SPD-Politiker in Hannover. Es gebe keinen Bedarf, die Anregungen des CDU-Politikers in Niedersachsen umzusetzen.

Tonne sagte dazu, der Zweitspracherwerb gelinge nur durch Integration von Anfang an. Dies geschehe beispielsweise durch unabdingbaren Kontakt mit Gleichaltrigen. Zum Tagesgeschäft der Kitas gehöre in Niedersachsen deswegen die Sprachförderung. Auch Kinder, die keinen Kindergarten besuchen, würden bereits ein Jahr vor der Einschulung durch die Grundschule intensiv in Deutsch als Zweitsprache gefördert.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), hält ebenfalls nicht viel von dem umstrittenen Vorstoß ihres Parteifreunds. «An der Schulpflicht gibt es nichts zu rütteln», sagte sie der «Rheinischen Post». «Was wir aber brauchen, ist gezielte Sprachförderung von Anfang an.» Gebraucht würden verpflichtende Sprachtests und Förderprogramme, die möglichst früh ansetzen. Widmann-Mauz verwies auf ihre entsprechende Initiative mit den CDU-Bildungsministern bei der Kultusministerkonferenz.

Weiter sagte sie, Lehrer verdienten im Alltag mehr Unterstützung, beispielsweise durch mehr begleitende Sprachvermittlung an Schulen und gemischte Teams mit Sozialarbeitern, Erziehern und Sozialpsychologen. «Und auch die Eltern müssen wir stärker in die Pflicht nehmen. Denn Bildung ist entscheidend für die Integration und Zukunftschancen aller Kinder.» News4teachers / mit Material der dpa

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