DÜSSELDORF. Die Fortbildung der knapp 200.000 Lehrer in Nordrhein-Westfalen soll reformiert werden. Es gebe einen deutlichen Entwicklungsbedarf, sagte Mathias Richter, Staatssekretär im NRW-Schulministerium, am Montag in Düsseldorf. Zuvor hatte eine Expertengruppe Verbesserungsvorschläge vorlegt. Danach sind die Strukturen der Qualifizierungsangebote für Pädagogen unübersichtlich. Es gebe zu viele Akteure, etwa das Ministerium, die Bezirksregierungen, Schulämter und Schulen. Oft seien die Zuständigkeiten unklar. Lehrkräfte haben laut Schulgesetz eine Pflicht, sich weiterzubilden.
Jedoch gebe es keine Daten über die Teilnahme, sagte Richter. «Es gibt zu wenig Steuerungswissen.» Das Schulministerium werde einen Diskussions- und Beteiligungsprozess starten, um die Lehrerfortbildung in NRW zu reformieren, sagte Richter. Lehrer können unter vielen Angeboten auswählen. Themen sind unter anderem Führungsverhalten, Digitalisierung, Integration oder Inklusion. Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) hatte nach Amtsantritt 2017 eine Evaluation der Lehrerfortbildung in Auftrag gegeben.
“Lehrerfortbildung ist kein Selbstzweck”
Die Expertengruppe hatte auch Interviews mit Lehrern ausgewertet. Ein Ergebnis war, dass der individuelle Fortbildungsbedarf von Schule und Lehrkräften bisher nicht genügend berücksichtigt werde. Vorgeschlagen wurde auch, wegen des Fortbildungsbedarfs Schüler zu befragen. Aktuelle Studien zeigten, dass dies sehr produktiv sei, sagte der Koordinator der Experten, Prof. Dieter Gnahs aus Duisburg. Ziel der Vorschläge sei, den Unterricht an den Schulen zu verbessern. «Die Lehrerfortbildung ist kein Selbstzweck.»
Finanziert wird die Lehrerfortbildung in NRW aus verschiedenen Töpfen: 21 Millionen Euro bekommen Schulen und Behörden. Für die nebenamtlich tätigen Fortbilder – im Hauptberuf Lehrer – sind im Schulalltag Entlastungsstunden im Umfang von 900 Lehrerstellen vorgesehen. Das entspricht nach Angaben des Schulministeriums Kosten von jährlich 45 Millionen Euro.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft erklärte, «das derzeitige System ist suboptimal». Gebraucht würden mehr finanziellen Ressourcen und ein passgenaues Angebot. Dafür müsse der Fortbildungsbedarf an den Schulen ermittelt werden.
Im Bericht zur Lehrerfortbildung in Nordrhein-Westfalen heißt es wörtlich:
„Aus der Sicht der Lehrkräfte ist der Effekt des Fortbildungssystems in NRW optimierbar: Nur jeweils rund ein Viertel der Antwortenden urteilt, dass die individuellen Bedarfe bzw. die Bedarfe der Schule vollständig abgedeckt sind. Dieser Befund wird durch die Antworten auf Einzelstatements zur angemessenen Berücksichtigung fachlicher und überfachlicher Fortbildungsbedarfe erhärtet. Auch bei den Themen Nachhaltigkeit und Transfer sind die Ergebnisse eher ernüchternd. Auf das Statement „Es ist erkennbar, dass die Schülerinnen und Schüler von den Entwicklungen profitieren“ antworten bei den unterschiedlichen Fortbildungsformen etwa ein Viertel mit „trifft zu“. Als verbesserungswürdig schätzen die Lehrkräfte auch Vielfalt und Angemessenheit der Angebote, z.B. zu Themen und pädagogischen Fragestellungen im Umgang mit Schülerinnen und Schülern, ein. Die Mehrzahl der Fortbildungen scheint als Ein-Tages-Veranstaltungen (One-Shot-Veranstaltungen) stattzufinden. Erwartet und gewünscht werden aber mehrphasige Veranstaltungsreihen, Coaching und die Digitalisierung in der Fortbildung, u. a. durch Online-basierte Fortbildungen.
Die Didaktik der Erwachsenenbildung soll den Aussagen der Befragten zufolge stärker beachtet und umgesetzt werden. Gefragt wird des Weiteren nach einer höheren Fachspezifikation der Lehrkräftefortbildung. Die Fortbildungs-Materialien sollen mehr bedarfs-und handlungsorientiert gestaltet sein. Es fehlt zudem an Netzwerkbildung der teilnehmenden Schulen im Rahmen von Fortbildungen. Die Fortbildungszeitensind unter zwei Gesichtspunkten zu betrachten: Zum einen geht es um die Dauer und zeitliche Platzierung der Fortbildungsmaßnahmen für die Lehrkräfte, zum anderen um Anrechnungsmodalitäten für die Moderatorinnen und Moderatoren. Bei der Platzierung der Fortbildungszeiten sind gewisse “Starrheiten” und feste Muster sichtbar: der Mittwoch als fixer Fortbildungstag, keine Fortbildung nach 16 Uhr, keine Fortbildung in der unterrichtsfreien Zeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Rücksichtnahme auf unterschiedliche Arbeitszeitmodelle der Lehrkräfte. Als Resultat dieser vielen Einschränkungen sind die Fortbildungen in der Regel von eher kurzer Dauer, was von vielen Betroffenen und Verantwortlichen als suboptimal beklagt wird.“
Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.
