HAMBURG. Gemeinsames lautes Lesen fördert die Lesekompetenz. Diese Erfahrung aus einem Pilotprojekt soll jetzt als Methode auf gut ein Viertel der Hamburger Grundschulen ausgeweitet werden. Und weitere sollen folgen.
An über 50 Hamburger Grundschulen soll künftig nach einem neuen Konzept Lesen gelernt werden. Ein Pilotprojekt an sechs Schulen sei so erfolgreich gewesen, dass diese besondere Leseförderung nun um 50 weitere Schulen erweitert werde, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD) am Mittwoch. Mittelfristig soll die neue Lernmethode, die auf regelmäßige Laut-Leseübungen zu festen Zeiten setzt, auf alle 200 Grundschulen der Stadt übertragen werden. Sie sieht mindestens drei, besser aber fünf 20-minütige Lesetrainings pro Woche vor.
Lesen ist der Schlüssel für den weiteren Bildungserfolg
«Das Lesen ist eine Grundvoraussetzung für eine gelungene Schulzeit», sagte Rabe. Wer nicht richtig lesen könne, habe auch in anderen Schulfächern Nachteile. «Als Schlüsselqualifikation entscheidet Lesen insofern mit großer Bedeutung über den weiteren Bildungserfolg.» Zwar hätten die Hamburger Schüler in den vergangenen Jahren in Bildungsvergleichen bei der Lesekompetenz aufgeholt und lägen nun im bundesweiten Mittelfeld, «obwohl rund ein Viertel aller Kinder zu Hause kein Deutsch spricht». Dennoch wolle man besser werden.
Gerade in Schulen in sozial schwierigem Umfeld würden durch das regelmäßige Lesetraining große Erfolge erzielt, sagte Christian Gronwald, Schulleiter der Grundschule Kirchdorf, die an dem Pilotprojekt der Initiative «Bildung durch Sprache und Schrift» (BISS) teilgenommen hat. Dort sind jeden Tag 20 Minuten für eine feste Lesezeit reserviert, in der alle Schüler gemeinsam chorisch lesen. «Das heißt, der Lehrer liest vor, die Schüler murmeln mit im Text. Der Lehrer guckt, wo sind die Finger», erklärte er die Methode. Damit lasse sich feststellen, ob wirklich mitgelesen werde.
Schüler machten im Modell bemerkenswerte Forschritte
«Wir nutzen den auditiven und den visuellen Sinneskanal», sagte Professor Michael Becker-Mrotzek, Direktor des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache und Sprecher des BISS-Trägerkonsortiums. Mit deutlich unterdurchschnittlichen Leistungen gestartet, entspreche das Lesevermögen der nach der Methode unterrichteten Schüler am Ende der zweiten Klasse den Anforderungen nach dem sogenannten Salzburger Lese-Screening oder gehe darüber hinaus.
Zur Umsetzung des Konzepts erhalten die teilnehmenden Schulen eine personelle Verstärkung im Umfang einer Wochenlehrerstunde. Zudem wird die Anschaffung von Büchern mit 1000 Euro pro Jahr finanziell von der Schulbehörde gefördert.
Opposition: Warum gab’s systematische Leseförderung nicht schon vorher?
Bei den Oppositionsparteien in der Bürgerschaft stieß die Ankündigung Rabes auf Kritik. Die CDU-Bildungsexpertin Birgit Stöver nannte es «mehr als irritierend, dass bisher offenbar keine systematische Leseförderung an Hamburgs Grundschulen stattgefunden hat». Nicht nur beim Lesen bestehe Nachholbedarf. «Aktuell erfüllen fast zwanzig Prozent der Hamburger Grundschülerinnen und Grundschüler nach Klasse 4 auch nicht die Mindestanforderungen im Schreiben und Rechnen.»
Der Senat hätte viel früher ein breites Förderprogramm entwickeln müssen, sagte auch die bildungspolitische Sprecherin der FDP, Anna von Treuenfels-Frowein. «Dass dies nun endlich angegangen wird, ist ein Schritt in die richtige Richtung.» Das Ziel sei klar: «Jedes Kind muss gut Lesen können.» dpa
Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.
A13 für alle: Hamburg stellt Grundschullehrer mit den Kollegen am Gymnasium gleich