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Sicher können deutsche Schüler mehr! Ein Kommentar zum mäßigen Abschneiden bei der PISA-Studie – aus Lehrersicht

BERLIN. Die Ergebnisse waren – mal wieder – ernüchternd: Die deutschen Schüler haben bei der in dieser Woche veröffentlichten PISA-Neuauflage in allen drei getesteten Kategorien (Leseverständnis, Mathematik und Naturwissenschaften) schlechter abgeschnitten als bei der vor drei Jahren veröffentlichen Vorgängerstudie (News4teachers berichtete). Michael Felten, der über 30 Jahre lang als Lehrer an einem Kölner Gymnasium gearbeitet und sich als Autor einen Namen gemacht hat (“Die Inklusionsfalle”), kommentiert für News4teachers das Abschneiden Deutschlands bei PISA aus Praktikersicht.

“Gelernt, ihre Kräfte nicht mehr als nötig einzubringen”: Gastautor Michael Felten meint, dass es bei der Anstrengungsbereitschaft hapert. Foto: Shutterstock

Eigentlich ist die Botschaft ja alle paar Jahre eine ähnliche: Deutsche Schülerleistungen liegen international nur im mehr oder weniger guten Mittelfeld. Wir wollen oder sollen aber besser sein, also wird dann regelmäßig ein paar Tage lang bildungspolitische Abhilfe versprochen oder gefordert. Diesmal hieß es vor allem: Einheitlichere Standards – und doch einen Nationalen Bildungsrat.

Ebenso wird zur Pisa-Verkündigung regelmäßig gekontert, dabei würden ja Äpfel mit Birnen verglichen. Andere Länder ließen am Testtag ihre schwächsten Schüler zuhause, zudem seien die Zuwanderer andernorts ganz anders geschichtet – und die Sache mit der Bildungsungerechtigkeit sei ohnehin ein statistisches Fake.

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Jedem Lehrer hierzulande ist indes klar, dass deutsche Schüler durchaus besser sein könnten. Dass aber neue Papiere oder Institutionen kaum weiterführen. Dass erstens die Finanzminister dem Land einfach viel mehr Lehrer gönnen müssten – die Hoffnung, diese durch Digitalisierung einsparen zu können, wäre ja nur absurd. Dass man zweitens aber nicht an den Strukturen ansetzen müsste, sondern im konkreten Unterricht.

Man stelle sich doch einmal vor, Lehrer würden zügig mit dem Unterricht beginnen

Man stelle sich doch einmal vor, deutsche Lehrer würden sich alle als selbstbewusste Führungsfiguren verstehen – statt verschämt nur als Lernbegleiter. Sie würden klar strukturierte anspruchsvolle Lehr-Lern-Sequenzen planen – und der verbreiteten Selbstlernidyllik abschwören. Sie würden nicht eine Viertelstunde warten, bis auch der letzte Schüler seinen Pausentratsch beendet hat – sondern zügig mit dem Unterricht starten. Sie würden bei drei unerledigten Hausaufgaben nicht groß lamentieren – sondern eine Stunde verpflichtende Nacharbeit ansetzen. Und sie würden mangelhafte Leistungen auch wirklich mangelhaft nennen und Versetzungen nur bei echter Eignung aussprechen – allerdings auch frühzeitig Unterstützung bei Defiziten anbieten.

Michael Felten. Foto: privat

Ein solches Szenario wäre nicht nur weitgehend kostenneutral zu haben, es wäre auch weitaus bildungsgerechter. Denn schon 2003 warnte der Erziehungswissenschaftler Hermann Giesecke: “Nahezu alles, was die moderne Schulpädagogik für fortschrittlich hält, benachteiligt die Kinder aus bildungsfernem Milieu.” Bei direct teaching hingegen profitieren gerade die schwächeren Lerner, wie die Hattie-Studie zeigte.

Es sind nicht die Strukturen, die die Schulen im Mittelmaß halten

Allerdings müssten für eine solche Bildungswende einige pädagogische Dogmen überdacht werden. Es sind eben nicht die Strukturen, die Deutschlands Schulleistungen im Mittelfeld fixieren. Es ist die unheilige Allianz zwischen einer Erziehergeneration, die mit Heranwachsenden unbedingt gut Freund sein wollte, und einer Jugendkohorte, die von Eltern wie Lehrern daran gewöhnt wurde, ihre Kräfte nicht mehr als unbedingt nötig einzubringen. Wie sagte Royston Maldoom im Tanzprojekt Rhythm is it!? “Man muss sie die Erfahrung machen lassen, dass sich durch harte Arbeit etwas erreichen lässt.”

Michael Felten, Pädagoge und Publizist (www.eltern-lehrer-fragen.de), freier Lehrerweiterbildner (www.initiative-unterrichtsqualitaet.de)

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Steinmeier rechnet nach PISA mit der Bildungspolitik ab: „Es gibt kaum ein Politikfeld, in dem Reden und Handeln so beschämend weit auseinanderklaffen.”

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