Website-Icon News4teachers

Steinmeier rechnet nach PISA mit der Bildungspolitik ab: „Es gibt kaum ein Politikfeld, in dem Reden und Handeln so beschämend weit auseinanderklaffen.”

Anzeige

BERLIN. Mit einem Appell, Ungleichheiten beim Zugang zu Bildung abzubauen, reagiert Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf den deutschen Abstieg bei PISA. Mit deutlichen Worten liest das Staatsoberhaupt der Politik die Leviten. Der VBE sieht darin einen “Weckruf”.

Hat Ehrenamtler ausgezeichnet, die sich in der Bildung engangieren: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Foto: Bundespräsidialamt

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat von der Politik einen größeren Einsatz verlangt, um in der Bundesrepublik endlich Bildungsgerechtigkeit zu schaffen. „In Deutschland entscheidet noch immer häufig die soziale Herkunft über die Bildungschancen von Kindern“, sagte er am Mittwoch in Berlin. „Es gibt kaum ein Politikfeld, in dem Reden und Handeln so beschämend weit auseinanderklaffen.” Bessere Bildung brauche “entschiedeneres Handeln”.

Seit Jahren zeigen Studien und Leistungstests, dass Kinder aus ärmeren Familien schlechtere Bildungschancen haben als Kinder, die in begüterten Verhältnissen groß werden. Steinmeier verwies auf den jüngsten, erst am Dienstag veröffentlichten Pisa-Test. Dort wurde festgestellt: „In Deutschland ist die Lesekompetenz signifikant stärker als im Durchschnitt der OECD-Staaten durch den sozialen Status bestimmt.“

Anzeige

“Ungleichheit abbauen – das können Schulen nicht allein leisten”

„Wir müssen diese Ungleichheiten abbauen, und das ist eine Aufgabe, die die Schulen nicht allein leisten können“, betonte Steinmeier im Schloss Bellevue bei der Auszeichnung von Ehrenamtlichen, die sich für Bildungsprojekte engagieren, mit dem Bundesverdienstkreuz. Auch diese würden zu dieser Aufgabe beitragen.

„Jeder Einzelne von Ihnen tut etwas für den Zusammenhalt in unserem Land“, sagte Steinmeier, bevor er 24 Frauen und Männer aus allen Bundesländern den Verdienstorden überreichte. Unter ihnen war auch der ehemalige Basketball-Profi Dirk Nowitzki, der mit einer Stiftung benachteiligte Kinder unterstützt.  Die ehemalige Grundschulleiterin Bettina Oelmann aus Sachsen-Anhalt erhielt das Verdienstkreuz am Bande, weil sie «in Halberstadt einen bedeutenden Beitrag gegen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit und für Verständigung und Toleranz» geleistet habe. Sie habe unter anderem die Erinnerung an die jüdische Geschichte Halberstadts im Schulprofil verankert.

Schulleiterin ausgezeichnet – für Inklusion an der Grundschule

Christina Groß, Schulleiterin aus Rani, wurde ebenfalls ausgezeichnet. Sie habe die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Kinder mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf die Grundschule gemeinsam besuchen, so die Begründung. «Wie wichtig ihr das Gemeinsame ist, zeigt sie auch als Vorsitzende des Fördervereins Mittendrin in Ranis», hieß es weiter. Außerdem habe Groß maßgeblich an der Gründung eines genossenschaftlichen Einkaufsmarktes mit Lesecafé mitgewirkt.

„Danke für Ihre Zeit. Danke für Ihre Energie, Ihre Tatkraft, Ihre Kreativität. Sie sind ein Geschenk an unser Land“, sagte Steinmeier.

Beckmann: Herausforderungen des Bildungssystems gemeinsam angehen!

„Wir begrüßen die deutliche Ansage des Bundespräsidenten Steinmeier. Er hat vollkommen Recht: Es ist beschämend, wie weit die Lücke zwischen Sonntagsreden mit dem Hohelied auf Bildung und der tatsächlichen Realität an Schule mit der unzureichenden Investitionsbereitschaft der Politik klafft”, erklärte Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des VBE, und betonte: “Zehn Jahre nach Ausrufung der Bildungsrepublik durch die damalige und heute noch amtierende Kanzlerin Merkel ist das als Weckruf zu verstehen. Im Angesichts des möglichen Scheiterns des Nationalen Bildungsrates sollte auch der Bundespräsident jetzt seine Möglichkeiten ausschöpfen, Politik, Wissenschaft und Praxis an einen Tisch zu bringen. Nur in Zusammenarbeit dieser Akteure können die großen Herausforderungen des Bildungssystems angegangen werden.“ News4teachers / mit Material der dpa

Im Wortlaut

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat in Schloss Bellevue 13 Frauen und 11 Männer mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Unter dem Motto “Engagement bildet” würdigte er zum Tag des Ehrenamts ihren herausragenden Einsatz in unterschiedlichen Bereichen der Bildung. Dabei sagte er wörtlich:

„Bildung, das ist ein Thema, das kaum jemanden in unserem Land unberührt und erst recht nicht ungerührt lässt. In der Bildung geht es oft zu wie beim Fußball. Alle reden mit, und alle wissen es besser. Aber tatsächlich geht uns Bildung ja auch alle an. Gute Bildung ist nicht nur für jeden Einzelnen von uns wichtig und wegweisend. Sie ist die Grundlage für eine gerechte Gesellschaft, für die Zukunft unseres Landes und unserer Demokratie. So sehen es auch die meisten Menschen in unserem Land. Eine große Mehrheit ist der Ansicht, dass es die wichtigste Aufgabe der Politik ist, für gute Bildung zu sorgen.

Wie sehr die Menschen das Thema Bildung umtreibt, erlebe ich auch selbst immer wieder bei meinen Reisen durchs Land, die mich – ganz bewusst – oft in ländliche Gegenden führen. In Gegenden also, in denen die nächste Schule oder Berufsschule weit weg ist, in denen es gar nicht so einfach ist, sein Kind zu einer Lernhilfe zu bringen oder selbst einen Abendkurs zu besuchen. Gerade dort, in diesen Regionen, sind es Menschen wie Sie, die unschätzbare Arbeit leisten. Sie tragen dazu bei, dass überall in unserem Land Kinder und Jugendliche genauso wie Erwachsene sich politisch, kulturell und beruflich bilden können und bessere Chancen bekommen. Sie übernehmen damit nicht selten eine Aufgabe, die der Staat leisten müsste.

(…)

Bildung und Gerechtigkeit, das hängt eng miteinander zusammen. In Deutschland entscheidet noch immer häufig – allzu häufig – die soziale Herkunft über die Bildungschancen von Kindern, stärker als in anderen Industrienationen. Es gibt kaum ein Politikfeld, in dem Reden und Handeln so beschämend weit auseinanderklaffen. Nicht nur die Experten sagen uns das, sondern auch die Jugendlichen selbst – wie jüngst hier im Schloss, als Teenager beim Kids Takeover die Rolle von Bundespräsidentinnen und Bundespräsidenten übernommen und Bildungsgerechtigkeit gefordert haben. Ich spreche also auch in ihrem Auftrag, wenn ich wiederhole: Bessere Bildung braucht entschiedeneres Handeln!

Wir müssen diese Ungleichheiten abbauen, und das ist eine Aufgabe, die die Schulen nicht allein leisten können. Sie alle hier im Saal tragen dazu bei, dass sich das ändert, und dafür sind wir Ihnen dankbar.”

Die vollständige Rede ist hier abrufbar.

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Neue PISA-Studie: Es geht wieder abwärts – Karliczek: „Mittelmaß kann nicht unser Anspruch sein“

 

 

Anzeige
Die mobile Version verlassen