BERLIN. Am 1. März tritt bundesweit die Masernimpfpflicht an Schulen und Kitas in Kraft. Der VBE sieht dadurch Schulleitungen, die den Impfstatus der Kinder prüfen müssen, zusätzlich belastet. Aus gutem Grund: In Sachsen beispielsweise hält das Kultusministerium die Bildungseinrichtungen zwar für gut gerüstet. Dass Tücken aber im Detail lauern, davor warnt das Gesundheitsamt Chemnitz: Die Schulleiter könnten mit ihrer fachlichen Expertise an Grenzen stoßen.
„Wir wehren uns mit Entschiedenheit dagegen, dass die Aufgabe, den Impfstatus zu kontrollieren, den Schulleitungen aufgebürdet wird. Diese sind bereits über Gebühr belastet”, erklärt VBE-Bundesvorsitzender Udo Beckmann – und verweist auf eine Umfrage, die der Verband im vergangenen Jahr veröffentlich hatte. Danach gaben 91 Prozent der Schulleitungen in Deutschland an, dass für sie das stetig wachsende Aufgabenspektrum der größte Belastungsfaktor sei, dicht gefolgt von den Belastungen durch steigende Verwaltungsarbeiten und dem Umstand, dass Politik bei ihren Entscheidungen den tatsächlichen Schulalltag nicht beachte (News4teachers berichtete).
VBE: Schulleitungen vorbereiten – und entlasten
“Dass kurz vor Inkrafttreten der Impfpflicht teilweise noch nicht bekannt ist, wer für die Durchsetzung zuständig ist, und in den bisher bekannten Verordnungen die Schulleitungen in die Pflicht genommen werden, beweist auf ein Neues die Realitätsferne der Politik. Dabei ist in dem Bundesgesetz klar benannt, dass die oberste Landesgesundheitsbehörde entscheiden kann, dass der Nachweis über die Masernimpfung nicht der Leitung einer Einrichtung, sondern dem Gesundheitsamt oder einer anderen staatlichen Stelle gegenüber vorzulegen ist“, kritisiert Beckmann. Er fordert deshalb: „Die Erfassung des Impfstatus muss Aufgabe der Gesundheitsämter sein.“
Der VBE-Chef unterstreicht: „In den Ländern, in denen bereits Verordnungen erlassen wurden, dass Schulleitungen den Impfstatus überprüfen sollen, müssen Schulleitungen entsprechend für diese Aufgabe vorbereitet werden und es müssen Ihnen zeitliche Ressourcen bereitgestellt werden. Wir erwarten eine klare Ansage der jeweiligen Kultusministerien, welche Aufgabe dafür nicht ausgeführt werden muss. Es geht nicht an, dass ständig neue Aufgaben an Schule herangetragen werden, ohne dass auch nur einmal etwas wieder abgenommen wird.“
Darüber hinaus fordert der VBE gemeinsam mit dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) den zeitnahen, bedarfsgerechten und flächendeckenden Einsatz von Schulgesundheitsfachkräften. Bereits vor drei Jahren waren sie mit dieser Forderung an die Gesundheitsministerien und Kultusministerien herangetreten (News4teachers berichtete).
Sachsens Kultusminister: “Mehr Bürokratie ist gerechtfertigt”
In Sachsen beispielsweise sind die Schulleitungen für die Kontrolle der Impfungen zuständig. Gleichwohl sind nach Einschätzung des Kultusministeriums die Schulen und Kitas im Freistaat für die Umsetzung der Masernimpfpflicht ab dem 1. März gerüstet. «Wir haben sie informiert und ihnen Musterdokumente, Aushänge und Fragen-Antwort-Kataloge zur Verfügung gestellt», sagt Sachsens Kultusminister Christian Piwarz (CDU). Zwar bedeute die Umsetzung der Regelung zusätzlichen Aufwand für die Einrichtungen. «Aber wir sind hier in der Pflicht. Mehr Schutz für unsere Kinder rechtfertigen die Impfpflicht und Bürokratie.»
Die Umsetzung ist in Schulen und Kitas laut Gesundheitsministerium mit einem personellen, zeitlichen und finanziellen Mehraufwand verbunden. So müssten etwa die Leiter von Schulen, Horten und Kindergärten den Masernschutz der Kinder sowie den der Beschäftigten anhand des Impfausweises kontrollieren. Wer nicht geimpft ist, wird an die zuständigen Gesundheitsämter gemeldet. Diese wiederum müssen die Säumigen auffordern, für Masernschutz zu sorgen – oder entsprechende Bußgelder oder Betreuungsverbote erlassen.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Sachsen fürchtet, dass gerade die Schulleiter durch die zusätzlichen Aufgaben weiter belastet werden. Zudem sei die Kontrolle von Personal schwierig, das nicht beim Freistaat angestellt sei, so GEW-Landesvorsitzende Uschi Kruse.
Schulleiter müssen auch ausländische Dokumente prüfen
Das Gesundheitsamt Chemnitz geht davon aus, dass vor allem die fachliche Umsetzung Schwierigkeiten bereiten könnte. Die Varianten des Immunschutzes seien so komplex, dass es für Nichtfachleute schwierig sei, die Entscheidung in jedem Einzelfall zu treffen. Das betrifft etwa die Bewertung von ausländischen Impfdokumenten, fehlende Impfnachweise oder angeblich durchgemachte Erkrankungen. Das Leipziger Gesundheitsamt sieht wiederum die größte Herausforderung in Gesprächen mit Eltern, deren Kinder nicht oder nicht ausreichend geimpft sind. 2019 hatten rund 80 Prozent der Erstklässler in Leipzig einen vollständigen Masernschutz.
Offene Fragen würden gut und schnell beantwortet, um allen die nötige Sicherheit zu Beginn der Impfpflicht zu geben, heißt es im Dresdner Gesundheitsamt. Anhand von Handzetteln und Mustern im Internet sollen Schul- und Kitaleiter leichter erkennen, worauf sie künftig achten müssen. Im Einzelfall werde auch telefonisch beraten.
Auch Lehrer und Erzieher brauchen einen Impfnachweis
Die Impfpflicht für Masern für Kinder in Kitas und Schulen kommt laut Gesetz am 1. März. Eltern müssen von da an vor der Aufnahme nachweisen, dass ihre Kinder geimpft sind. Für Kinder, die schon zur Kita oder zur Schule gehen, muss der Nachweis bis zum 31. Juli 2021 erfolgen. Auch ab 1970 geborene Mitarbeiter in Kindergärten, Schulen und Krankenhäusern müssen nachweisen, dass sie über einen Impfschutz verfügen. Die Impfpflicht wurde Ende vergangenen Jahres vom Bundestag beschlossen. Bei Verstößen drohen bis zu 2500 Euro Bußgeld.
Während Kitas und Tagesmütter ungeimpfte Kinder abweisen sollen, ist das laut sächsischem Kultusministerium an Schulen wegen der geltenden Schulpflicht nicht möglich. Wenn Eltern ihr Kind nicht impfen lassen wollen, droht ihnen in letzter Konsequenz ein Bußgeld. News4teachers / mit Material der dpa
Masern-Impfpflicht ab 1. März – Auch GEW sieht Schulen vor heikler Aufgabe
