DÜSSELDORF. Die schrittweise Öffnung der nordrhein-westfälischen Schulen schon ab dieser Woche stößt auch im Kreis der Rektoren und Direktoren auf große Skepsis. In einem am Montag veröffentlichten Offenen Brief warnt die Schulleitungsvereinigung (SLV) NRW, an den meisten Standorten seien weder die räumlichen noch die personellen Voraussetzungen für eine Schulöffnung gegeben. Die Schulen haben bis Mittwoch Zeit, alles so vorzubereiten, dass Prüflinge der Abschlussklassen ausreichende Schutzmaßnahmen vorfinden, um wieder in die Bildungseinrichtungen kommen zu können.
Die SLV äußert unverhohlen Kritik am Ministerium für Schule und Bildung (MSB), dem NRW-Schulministerium also. «Die Beschlüsse von Bund und Ländern vom 15.4.2020 zur Kontaktsperre und vor allem zum Schulbeginn machen deutlich: Die von vielen Seiten geäußerten Bedenken zur voreiligen Öffnung der Schulen sind gehört worden. Die Aussagen der Virologen werden weiterhin ernst genommen, die mangelnde Umsetzungsrealität von Hygieneplänen hat sicher zudem ihre Wirkung getan. Dem MSB kann es allerdings nicht schnell genug gehen. Wir haben schon die ersten Schülerinnen und Schüler in der Schule, bevor Hygienepläne auch nur im Ansatz organisiert und umgesetzt werden können»“, so heißt es in dem Schreiben.
Schulleitervereinigung: Infektionsschutz an erster Stelle
«Es entsteht jetzt eine kurze Galgenfrist für die Schulträger, umgehend alle Schulstandorte mit den entsprechenden Ressourcen – Mundschutz, Desinfektionsmittel, Reinigungspersonal – auszustatten», kritisiert die Vereinigung. «Viele von uns aber befürchten aus der Erfahrung, dass dies nicht ohne Komplikationen vonstatten gehen wird. Schließlich handelt es sich um dieselben Schulträger, die schon unter normalen Alltagsbedingungen mit den Rahmenbedingungen für Sauberkeit und Hygiene ihre Schwierigkeiten haben.»
Die SLV rät allen Schulleitern, «im Zweifelsfall keine Maßnahmen zu vertreten und umzusetzen, die nicht zu 100 Prozent den Vorgaben entsprechen». Infektionsschutz müsse an erster Stelle stehen. Schulleiter müssten aufpassen, dass sie am Ende nicht «sich für etwas rechtfertigen müssen, das sie in bester Absicht gemacht haben und so “das Unmögliche” möglich gemacht haben». Konkret wird empfohlen: «Dokumentieren und geben Sie alle Hindernisse, Schwierigkeiten und die Unmöglichkeit der Einhaltung von Vorgaben an diese weiter. Weisen Sie hin, nerven Sie, insistieren Sie, remonstrieren Sie! Übernehmen Sie so die Verantwortung für die Gesundheit aller in Ihrer Schule.»
Schulministerium verlangt Mindestabstand von 1,5 Metern
Die Vereinigung organisiert nach eigenen Angaben an den insgesamt etwa 5500 Schulen in NRW schulformübergreifend rund 800 Leiter. Das Schulministerium hat für die Rückkehr in die Schulen am Donnerstag die zentrale Regel vorgegeben: Abstand halten. So müssen die Lerngruppen etwa so aufgebaut werden, dass zwischen den Schülern untereinander und den Lehrern der Mindestabstand von 1,5 Metern eingehalten werden kann. Eine Maskenpflicht in den Schulen soll es nicht geben. Die Mail mit den Vorgaben für die Schulen kam nach Informationen von News4teachers erst am späten Samstagabend. News4teachers / mit Material der dpa
Unter der Remonstrationspflicht wird laut Beamtenbund (dbb) die Pflicht des Beamten verstanden, Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen unverzüglich bei dem unmittelbaren Vorgesetzten geltend zu machen.
“Grundsätzlich trägt der Beamte die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlung. Von dieser Verantwortung wird er freigestellt, wenn er seiner Remonstrationspflicht nachkommt und Bedenken zum Beispiel gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen geltend macht. Die Remonstrationspflicht besteht bereits dann, wenn der Beamte die Weisung als möglicherweise rechtswidrig ansieht”, so heißt es beim dbb.
Erkennbar strafbares Verhalten?
“Die Remonstration verläuft in drei Stufen. Zunächst muss der Beamte Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit einer amtlichen Weisung beim unmittelbaren Vorgesetzten erheben. Bleibt dieser bei seiner Anordnung, hat er sich an den nächst höheren Vorgesetzten zu wenden. Wird die Weisung auch von diesem bestätigt, muss der Beamte diese ausführen. Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn die dienstliche Anordnung auf ein erkennbar strafbares oder ordnungswidriges Verhalten abzielt, die Menschenwürde verletzt oder sonst die Grenzen des Weisungsrechts überschreitet.”
Die Remonstrationspflicht habe eine Doppelfunktion – einerseits diene sie der behördeninternen Selbstkontrolle, andererseits diene sie zugleich der haftungs- und disziplinarrechtlichen Entlastung des Beamten bei rechtswidrigen Weisungen. News4teachers
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