Website-Icon News4teachers

Läuft der Unterricht im nächsten Schuljahr normal? Kultusminister lässt Zweifel daran erkennen – und legt drei mögliche Szenarien vor

Anzeige

HANNOVER. Anders als andere Landesregierungen, die weitgehende Schulschließungen nach den Sommerferien öffentlich praktisch ausschließen, geht Niedersachsen vorsichtiger ins kommende Schuljahr. Das Kultusministerium in Hannover hat – je nach Corona-Lage – drei Szenarien entwickelt, wie der Schulbetrieb laufen könnte. Bemerkenswert ist auch das Eingeständnis, dass es selbst im günstigsten Fall zu Fernunterricht kommen wird.  

Welches Szenario im kommenden Schuljahr zur Realität wird, bleibt abzuwarten. Foto: Shutterstock

„Wir planen das neue Schuljahr 2020/2021 auf der Basis von Normalität“, sagt Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne. „Stand heute kommen wir mit Blick auf das aktuelle Infektionsgeschehen zu der klaren Einschätzung, dass das Schuljahr 2020/2021 im eingeschränkten Regelbetrieb startet. Im Endeffekt bedeutet dies, dass wir die ‚Schule wie immer‘ starten, allerdings mit ein paar Sonderregelungen bedingt durch das Coronavirus. Darauf sollten alle ihre Planungen ausrichten. Gleichwohl müssen die Beteiligten auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Daher legen wir neben den Regelbetrieb auch weitere Handlungsoptionen vor für den Fall der Fälle.“ Damit erhielten Schulleitungen, Lehrkräfte, aber auch Schülerinnen und Schüler sowie Eltern und Erziehungsberechtigten rund acht Wochen vor Schulbeginn Klarheit, Handlungssicherheit und Planbarkeit.

Das ist neu: Während die Landesregierungen in Hessen und in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel zumindest öffentlich allein auf schulischen Regelbetrieb nach den Sommerferien setzen – und Schulschließungen allenfalls vage als Ultima Ratio in einer kaum zu erwartenden neuen Corona-Welle darstellen (GEW: „Wo ist der Plan B?“) –, legt Niedersachsen nun Pläne für drei verschiedene Szenarien vor: „schulischer Regelbetrieb unter Corona-Bedingungen“ (Szenario A), „Schule im Wechselmodell“ (Szenario B) sowie „Quarantäne und Shutdown“ (Szenario C).

Anzeige

Bemerkenswert auch: das Eingeständnis, dass es selbst im günstigen Fall A Fernunterricht geben wird. „Bedingt durch den Ausfall vulnerabler Lehrkräfte im Präsenzunterricht kann es für die Schuljahrgänge 7-13 des Sekundarbereichs zur Verlagerung von Unterrichtsanteilen ins häusliche Lernen kommen. Das führt zu Kürzungen des Präsenzunterrichts bzw. zu Tagen des häuslichen Lernens – ggf. auch nur für einzelne Jahrgänge und/oder für einen begrenzten Zeitraum“, so heißt es in einem Leitfaden, in dem die Szenarien ausführlich beschrieben werden.

So sehen die Szenarien konkret aus:

Szenario A: Eingeschränkter Regelbetrieb der Schulen

Angesichts der landesweit niedrigen Infektionszahlen erscheine nach derzeitigem Planungsstand ein eingeschränkter Regelbetrieb nach den Sommerferien sehr wahrscheinlich, versichert das Ministerium. Das im Folgenden beschriebene Szenario A solle deshalb als Grundlage für die Planungen der Schulen dienen. Tonne: „Dieses Szenario ist sehr nah an Schule, so wie wir sie aus der Vor-Corona-Zeit kennen und mit dessen Umsetzung ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch rechne. Dieser quasi-Regelbetrieb ermöglicht maximalen Präsenzunterricht und Pflichtunterricht unter den gegebenen Bedingungen. Dafür verzichten wir auf den Mindestabstand von 1,5 Metern und setzen stattdessen auf möglichst feste Lerngruppen. Für den Unterricht ist die maximale Bezugsgröße des jeweilige Schuljahrganges eine feste Kohorte.“

Das Szenario A strebe eine Rückkehr zu einem geordneten Schulbetrieb einschließlich Ganztagsbetrieb an, allerdings könne dieser unter Umständen nicht mit dem Ganztagsangebot vor der Corona-Pandemie gleichgesetzt werden. „Dafür erweitern wir das Kohortenprinzip, dies bedeutet, dort können dann an den jeweiligen Angeboten Schülerinnen und Schüler aus bis zu zwei Schuljahrgängen teilnehmen.“

Die Erteilung des Pflichtunterrichtes habe dabei höchste Priorität. „Erst wenn die Pflichtstundentafeln abgesichert sind, sollten Lehrkräfte für Arbeitsgemeinschaften und die Ganztagsangebote eingeplant werden. (…) In den Schuljahrgängen 1-6 ist das Lernen zu Hause zu vermeiden. Die Verlässlichkeit der Grundschulen ist nötigenfalls über Abordnungen oder den Einsatz von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu sichern.“

Szenario B: Unterricht im Wechselmodell

Sollte sich die Infektionslage verschlechtern und sich eine landesweite Verschärfung ergeben, dann wird – gegebenenfalls auch im bereits laufenden Schuljahr – auf das Szenario B, welches eine Kombination aus Präsenzunterricht und Lernen zu Hause vorsieht, zurückgegriffen. Dieses entspricht der Vorgehensweise in den vergangenen Monaten.

In diesem Fall würden maximal 16 Personen in Präsenzunterricht sein, der Mindestabstand von 1,5 Metern würde gelten, der „schulische Schichtbetrieb“ in Wechselmodellen von Präsenz- und verpflichtendem Heimunterricht müsste umgesetzt werden. Eine Durchmischung wäre nur in wenigen Fällen möglich, die Notbetreuung an Schulen würde reaktiviert. „Als Ableitung aus den Erfahrungen des zu Ende gehenden Schulhalbjahres, würden das Lernen zu Hause intensiver begleitet und eine häufigere Präsenz von benachteiligten Schülerinnen und Schüler in der Schule durch Auslastung der maximalen Lerngruppengrößen ermöglicht“, so heißt es.

Szenario C: Quarantäne und Shutdown des Schulbetriebs

Beim (lokalen oder landesweiten) Schulschließungen beziehungsweise Quarantänemaßnahmen tritt das Szenario C „Quarantäne und Shutdown“ in Kraft. Dann gilt: Neben regionalen Ereignissen mit Schließungen ganzer Schulen können auch einzelne Jahrgänge, Klassen oder Gebäudenutzer durch das Gesundheitsamt in Quarantäne versetzt werden. Die Schülerinnen und Schüler lernen dann ausschließlich zu Hause und die Lehrkräfte leiten an und kommunizieren regelmäßig mit den Schülerinnen und Schüler.

„Es gibt derzeit keinerlei Anzeichen dafür, dass flächendeckende Schulschließungen in Niedersachsen notwendig sein könnten. Dafür haben wir die Lage zu gut in den Griff bekommen. Allerdings haben wir die lokal heftigen Infektionsgeschehen vor Augen, die sich auch negativ auf den Schulbetrieb auswirken können. Daher lassen sich gesundheitsamtlich verfügte Schulschließungen oder Quarantänemaßnahmen realistischer Weise nicht ausschließen“, betont der Kultusminister.

Lehrerverband: “Es herrscht weiterhin das Prinzip Hoffnung”

Torsten Neumann, Vorsitzender des Verbandes Niedersächsischer Lehrkräfte VNL/VDR, kommentiert: „Kultusminister Grant Hendrik Tonne hofft, dass die Schule nach den Sommerferien weitestgehend normal starten könne. Das ist aus heutiger Sicht verständlich, aber sieben Wochen vorher ist das letztlich Kaffeesatzleserei. Insofern ist es konsequent, dass er drei Szenarien für die Zeit nach den Sommerferien aufgezeigt hat. Viel mehr, als er vor einer Woche bereits bekannt gegeben hat, wissen wir jetzt aber auch nicht. Es herrscht weiterhin das Prinzip Hoffnung. Einzelne Regelungen wie der Verzicht auf den Mindestabstand im Fall eines eingeschränkten Regelbetriebs bleiben problematisch.”

Hier geht es zum vollständigen Leitfaden des Kultusministeriums.

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

„Keine Rückschlüsse auf die Normalsituation“ – RKI stellt klar: Wissenschaftliche Grundlage für weite Schulöffnungen fehlt bislang

 

Anzeige
Die mobile Version verlassen