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Ausbruch an Schule mit offiziell schon 29 Infizierten: Rabe räumt ein, dass sich „mindestens zwei“ Schüler dort angesteckt haben „könnten“

HAMBURG. Erstmals in Deutschland hat ein verantwortlicher Bildungspolitiker eingeräumt, dass sich Schüler in der Schule mit dem Coronavirus infiziert haben könnten. An der Heinrich-Hertz-Schule in Hamburg-Winterhude wurden in den vergangenen Tagen mittlerweile 26 Schüler und drei Schulbeschäftigte positiv getestet. Mindestens zwei von ihnen „könnten“ sich in der Schule angesteckt haben, erklärte Ties Rabe (SPD), Bildungssenator der Hansestadt. Am Tag zuvor hatte Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) – bei sieben offiziell bestätigten Infektionen – noch von „möglichen Zufällen“ gesprochen. Eine Hamburger Elterninitiative sagt bereits das „Scheitern des Konzepts, die Hamburger Schulen wenigstens bis zu den Herbstferien im Regelbetrieb laufen zu lassen,“ voraus.

Zieht eine positive Bilanz – trotz des Ausbruchs in Winterhude: Ties Rabe ist Hamburger Bildungssenator. Foto: Senatskanzlei Hamburg / Michael Zapf

Einen Monat nach Ende der Sommerferien hat Schulsenator Ties Rabe eine positive Zwischenbilanz zur Rückkehr zum Präsenzunterricht für alle Hamburger Schüler gezogen. Trotz wieder gestiegener Corona-Zahlen sei es die richtige Lösung, da Kinder und Jugendliche in der Schule besser als zu Hause lernen würden, erklärte der SPD-Politiker am Mittwoch. «Sie brauchen die Anleitung und Motivation durch Lehrkräfte, sie brauchen ihre Klassenkameraden und ihre Freunde, und sie brauchen die gut ausgestatteten Arbeitsplätze, Lernmöglichkeiten und Betreuungsangebote in den Schulen.»

Bis auf eine Ausnahme hätten sich bisher in allen bekannten Corona-Fällen die Schüler oder Schulbeschäftigten nicht an den Schulen infiziert, sagte der Senator. «Abweichend davon gibt es jetzt allerdings in der Heinrich-Hertz-Schule in Winterhude eine ungewöhnliche Häufung von Infektionen.» Bei den dort bislang positiv getesteten 26 Schülern und 3 Schulbeschäftigten müsse davon ausgegangen werden, dass sich zumindest zwei von ihnen innerhalb der Schule angesteckt haben könnten. Einige Kinder hätten das Virus aber auch von außen eingetragen.

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“Gesundheitsämter testen in den betroffenen Klassen sehr häufig”

Aufgrund der vielen Infektionen gelte dort zunächst für eine Woche auch im Unterricht die Maskenpflicht. «Ich bin froh, dass die Gesundheitsämter hier wie in allen anderen Verdachtsfällen besonders konsequent und umsichtig vorgehen und aus Sicherheitsgründen in den betroffenen Klassen sehr häufig testen», sagte Rabe.

Die Heinrich-Hertz-Schule bilde angesichts der Gesamt-Corona-Zahlen aber eine Ausnahme: An allen anderen Schulen haben sich laut Behörde nur 27 der 256.000 Schülerinnen und Schüler (0,01 Prozent) und einer der rund 24.000 Schulbeschäftigten (0,004 Prozent) mit Corona infiziert.

Wenig von solcher Zahlenakrobatik hält allerdings die Elterninitiative „Sichere Bildung für Hamburg“. „Fünf Wochen nach den Sommerferien hat Hamburg seinen ersten Ausbruch des Sars-Cov-2-Virus an einer Schule. Wir hoffen von Herzen, dass keiner der vielen Infizierten oder ihrer Angehörigen ernsthaft krank wird“, kommentieren die Initiativensprecher Nadja Frenz, Ines Moegling und Heiko Habbe das Geschehen.

Eltern: Bildungsbehörde informiert nicht transparent über das Infektionsgeschehen an Schulen

Die Informationspolitik des Schulsenators sei katastrophal. „Die Öffentlichkeit weiß weder vollständig, welche Schulen bereits durch Sars-CoV-2-Infektionen betroffen waren, noch werden, wie anderswo gute Praxis, fortlaufend und zusammenhängend Zahlen zu konkreten Infektions- und Verdachtsfällen veröffentlicht. Eltern fühlen sich dadurch sehr verunsichert und nicht ernstgenommen in der Sorge um ihre Kinder.“ Die Praxis der Gesundheitsämter sei uneinheitlich und für Eltern und Lehrkräfte oft nicht nachvollziehbar. „In vorsorgliche Quarantäne geschickt werden mal ganze Klassen, oft aber nur die Sitznachbarn eines infizierten Schulkinds. Teils entscheiden zwei Gesundheitsämter unterschiedlich für Kinder in derselben Klasse, schicken den einen Sitznachbarn nach Hause, den anderen nicht. Oder Geschwisterkinder gehen bei zum Teil noch nicht getesteten Kindern in Quarantäne weiterhin zur Schule, Eltern zur Arbeit.“

Die Folgen nach nur fünf Wochen Schulbetrieb: weit über 100 bekanntgewordene Infektionsfälle an über 65 Schulen. Hunderte Schülerinnen und Schüler sind oder waren in Quarantäne, der versprochene „Regelunterricht“ werde immer wieder unterbrochen. „Und nach Rückmeldungen von Eltern funktioniert der zugesagte gleichwertige Distanzunterricht vielerorts weder für Kinder in Quarantäne, noch für die, die aus gesundheitlichen Gründen freigestellt wurden.“

Die Eltern halten fest: „Mit der Heinrich-Hertz-Schule in Winterhude haben wir nun den ersten Fall eines nachgewiesenen Ansteckungsgeschehens auch in einer Schule. Mindestens 29 Schülerinnen, Schüler und Schulbeschäftigte sind infiziert, und noch weiß man nicht, wie viele es am Ende der Reihentests sein werden.“ Das von der Schulbehörde propagierte Kohorten-Modell mit bis zu 120 Schülern, die in der Schule ohne Abstand oder Maske miteinander in Kontakt kommen dürfen, funktioniere nicht. „Insofern ist der Ausbruch an der Heinrich-Hertz-Schule ein mahnendes Vorzeichen dessen, was uns erwartet, wenn der vom Senator geplante Vollbetrieb der Schulen jetzt in den Herbst hinein fortgesetzt wird“, sagt Moegling. „Bei weiter steigenden Zahlen muss damit gerechnet werden, dass auch an anderen Schulen kritische Schwellen überschritten werden und es zu weiteren Ansteckungen innerhalb der Schulen kommt.“

Rabe: Infektionsgeschehen bei Kindern und Jugendlichen anders als bei Erwachsenen

Noch vor sechs Wochen hatte Rabe im NDR erklärt: „Das ist zwar wissenschaftlich nicht bis ins Letzte ausgeleuchtet, das gebe ich allen zu, aber die meisten Wissenschaftler sind sehr klar in der Auffassung, dass das ganz anders ist als bei der Spanischen Grippe, die man früher immer mit Corona gleichgesetzt hat.“ Die Spanische Grippe habe vor allem Kinder und Jugendliche betroffen. „Und hier ist es genau umgekehrt“, meint Rabe. „Das Infektionsgeschehen bei Kindern und Jugendlichen kann nicht gleichgesetzt werden in seinen Auswirkungen mit dem, was bei Erwachsenen passiert. Das ist ein Momentum, das man berücksichtigen muss in dem Abwägungsprozess, vor dem jetzt die Politik steht.“

Zuvor hatte Rabe sogar gemeint, dass die Schulschließungen ab März eigentlich gar nicht notwendig gewesen seien – und dass man in Zukunft wohl anders entscheiden werde. News4teachers / mit Material der dpa

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