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Wieder Lockdown in Israel: Schulen gelten als Ausgangspunkt der zweiten Welle

TEL AVIV. Israels Regierung hat angesichts steigender Neuinfektionen mit dem Corona-Virus die Verhängung eines zweiten landesweiten Lockdowns beschlossen. Alle Kitas und Schulen im Land werden geschlossen. Der Regelbetrieb in den Bildungseinrichtungen gilt als Ausgangspunkt der zweiten Welle. Der Nobelpreisträger Paul Krugman mahnt, die Erfahrungen Israels mit den Schulöffnungen nicht zu ignorieren.

Offenbar wurden die Schulen in Israel zu früh in den Regelbetrieb genommen. Foto: Shutterstock

Der Lockdown soll am Freitagnachmittag um 13.00 Uhr (MESZ) in Kraft treten, vor Beginn der jüdischen Feiertage, und zunächst für drei Wochen gelten. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte, angesichts steigender Infektionszahlen hätten Klinikleiter «die rote Fahne erhoben». Es seien sofortige Maßnahmen notwendig. «Unser Ziel ist es, den Anstieg zu stoppen.»

Schulen und Kindergärten sollen den Angaben zufolge geschlossen werden. Die Menschen dürfen sich außer in Ausnahmefällen nur bis zu 500 Meter von ihrem Zuhause entfernen. Auch Hotels, Restaurants und Einkaufszentren sowie Freizeiteinrichtungen sollen nach Medienberichten geschlossen bleiben. Lebensmitteleinkäufe und Arztbesuche sind weiter erlaubt. Behörden und Privatunternehmen sollen unter Einschränkungen arbeiten. Außerdem gelten Versammlungsbeschränkungen: Bis zu 20 Menschen dürfen sich im Freien und bis zu zehn Menschen in Innenräumen versammeln.

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Schulen wurden in den Regelbetrieb zurückgeführt – wie in Deutschland

Die Anzahl der Neuinfektionen in Israel ist zuletzt dramatisch gestiegen. An vier Tagen in Folge wurden in der abgelaufenen Woche jeweils Rekordwerte verzeichnet. Die Zahl der Fälle seit Beginn der Pandemie hat inzwischen 150.000 überschritten, 1108 Menschen sind nach einer Infektion gestorben. Es gab aus wirtschaftlichen Gründen starken Widerstand gegen neue Corona-Beschränkungen. Denn die Corona-Krise hat der Wirtschaft des Landes bereits schwer zugesetzt. Die Arbeitslosigkeit lag im Sommer bei mehr als 20 Prozent.

Als ein Grund für die massiven Ausbrüche gilt in Israel der Widerstand der Strengreligiösen gegen Tests und die Corona-Beschränkungen. Der strengreligiöse Wohnungsminister und frühere Gesundheitsminister Jakov Litzman von der Partei Vereinigtes Tora-Judentum erklärte aus Protest gegen die Maßnahmen dann auch seinen Rücktritt. Litzman ist ein wichtiger Koalitionspartner Netanjahus.

In Israel waren die Schulen nach dem ersten Lockdown bereits Mitte Mai wieder geöffnet worden. Zunächst galten im Schulbetrieb noch strengere Regeln als derzeit in Deutschland: Die Schüler wurden in Kleingruppen unterrichtet. Für die Älteren galt Maskenpflicht auch im Unterricht, bei dem die Fenster geöffnet bleiben mussten. Tische sollten mit zwei Meter Abstand voneinander stehen.

Als die Infektionszahlen dann niedrig blieben, wurden die Schulen zurück in den Regelbetrieb geführt. Wie in Deutschland: Die Kleingruppen wurden aufgelöst, die Abstandsregeln aufgehoben. Die Klassenzimmer waren wieder so voll wie vor Ausbruch der Pandemie. Das erwies sich in Israel als Fehler: Experten gehen einem Bericht des „Tagesspiegels“ zufolge davon aus, dass die Schulöffnungen in Israel entscheidend zur zweiten Corona-Welle beitrugen. Zitiert wird die israelische Forscherin Ronit Calderon-Margalit, die den Unterricht in israelischen Schulen gegenüber der „New York Times“ als „ideale Voraussetzung für einen Ausbruch“ bezeichnete.

130 Infektinonen an einem einzigen Gymnasium in Jerusalem

Und der kam nun auch wirklich. Die Infektionszahlen stiegen in Israel drastisch. Anfang Juni mussten fast 30.000 Schüler, Lehrer und deren Angehörige in Quarantäne, nachdem an mehreren Schulen Coronavirus-Fälle nachgewiesen wurden – darunter mindestens 130 Infektionen an einem einzigen Gymnasium in Jerusalem. Zum Vergleich: In Hamburg wurden in der vergangenen Woche an einer Schule 29 Infektionen nachgewiesen.

„Eine der Ursachen für das Debakel der USA im Umgang mit der Corona-Pandemie liegt in der Ablehnung, von anderen Ländern zu lernen“, schrieb der US-Ökonom und Nobelpreisträger Paul Krugman auf Twitter bereits vor sechs Wochen – und verwies auf eine Grafik, die den massiven Anstieg der Corona-Fälle in Israel seit den Schulöffnungen zeigt. „Wir sollten, während unsere Schulen sich auf den Betrieb vorbereiten, anschauen, was in Israel passierte – aber wir werden das nicht tun.“

In den USA beginnt in diesen Tagen das neue Schuljahr. Derzeit sind dort rund 190.000 Menschen an Corona gestorben. Wissenschaftler gehen von bis zu 410.000 Toten in den Vereinigten Staaten bis zum Jahresende aus. Das wären dann ebenso viele Menschen, wie die USA im Zweiten Weltkrieg verloren haben. News4teachers / mit Material der dpa

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