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Söder veranstaltet Schulgipfel. Warum eigentlich? Ergebnisse erwartet die Staatskanzlei nicht

MÜNCHEN. In Bayern gibt es einen Teil-Lockdown und Kontaktbeschränkungen, die Schulen aber bleiben trotz hoher Infektionszahlen offen. Am Unterricht in Krisenzeiten und seinen Bedingungen gibt es durchaus Kritik. Ein Schulgipfel soll die Gemüter nun besänftigen. Die Staatskanzlei als Gastgeber dämpfte im Vorfeld allzu hochfliegende Erwartungen an konkrete Ergebnisse. Der Schulgipfel sei ein «reines Arbeitstreffen», sagte ein Sprecher. Entsprechend sei nicht geplant, die Öffentlichkeit inhaltlich über den Verlauf der Online-Veranstaltung zu informieren.

«Ich bin sehr zurückhaltend bei Schulen»: Bayerns Regierungschef Markus Söder. Foto: Michael Lucan, Wikimedia Commons, Lizenz: CC-BY-SA 3.0 de

Es dürfte ein hitziges Treffen werden: Bei einem Schulgipfel der Staatskanzlei stoßen am Mittwoch Lehrer, Eltern, Schüler und Politiker aufeinander. Schon im Vorfeld hatte es teils harsche Kritik an der Schulpolitik der Staatsregierung in der Corona-Pandemie gegeben. In großer Runde soll nun beim Gipfel die aktuelle Lage an den Schulen im Freistaat diskutiert werden. Gesprächsbedarf dürfte es auch inmitten der Herbstferien reichlich geben: Distanzunterricht, geballte Leistungsproben im Präsenzunterricht, die Forderung nach hochwertigen Masken für Lehrer und fehlende Lüftungsgeräte in den Klassenzimmern sind nur einige der Themen, die die Schulfamilie derzeit umtreiben.

Präsenzunterricht hat für die bayerische Landesregierung höchste Priorität – und der Gesundheitsschutz?

«Das wird als Videoschalte stattfinden, als reines internes Arbeitsgespräch mit einem größeren Kreis», sagte ein Sprecher der Staatskanzlei am Dienstag. Inhaltlich gehe es um ein «aktuelles Update, Lage der Dinge, wo drückt der Schuh?». Öffentlich äußern werde sich die Staatskanzlei nach dem auf mehrere Stunden angesetzten Gipfel am Nachmittag voraussichtlich nicht, angeblich um den Arbeitscharakter der Veranstaltung zu wahren.

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Am Vortag hatten sowohl Eltern- als auch Schülerverbände in offenen Briefen fehlende Konzepte in Bayerns Corona-Schulpolitik beklagt und schnelle Verbesserungen gefordert. Trotz rasch steigender Corona-Infektionszahlen bleiben Bayerns Schulen und Kitas auch während des Teil-Lockdowns im November geöffnet – dies hat für die Politik höchste Priorität.

Eltern beklagen “digitales Chaos” an den Schulen – und einen großen Notendruck auf die Schüler

Die Landeselternvereinigung der Gymnasien (LEV) und der Bayerische Elternverband (BEV) bemängelten den Corona-Unterricht im Freistaat zum Wochenbeginn jedoch als planlos und ungerecht. Von einer «gelungenen Erziehungspartnerschaft» könne nicht die Rede sein, weil Eltern zu Ersatzlehrern werden müssten und keine Chancengleichheit mehr gegeben sei. Zudem herrsche auch acht Monate nach Beginn der Pandemie «digitales Chaos».

Die Elternverbände beklagten ebenso wie der Landesschülerrat eine «Notenjagd» aus Angst vor weiteren Schulschließungen. Dem entgegnete das Kultusministerium, dass die Schulaufsicht in diesem Punkt bereits tätig geworden sei, um die Schülerinnen und Schüler nicht übermäßig mit Proben zu belasten. Keine Lösung scheint hingegen bei den Lüftungsgeräten in Sicht, für die die Staatsregierung zwar Geld bereitstellt, die von vielen Kommunen aber nur zurückhaltend angeschafft werden.

Lehrerverbände sorgen sich mehr um den Infektionsschutz in Schulen. Das Robert-Koch-Institut empfiehlt ab einem Inzidenzwert von 50 Neuinfektionen innerhalb einer Woche auf 100.000 Einwohner glasklar für alle Schulen des betroffenen Gebiets eine generelle Maskenpflicht im Unterricht (also auch in Grundschulen) sowie eine Verkleinerung der Lerngruppen, damit die Abstandsregel in den Klassenräumen eingehalten werden kann (News4teachers berichtet ausführlich über die Empfehlungen des RKI für den Schulbetrieb).

Bundesländer verwerfen die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts für die Schulen – auch Bayern

Die Bundesländer, auch Bayern, verwerfen die RKI-Empfehlungen und verweisen auf eigene Regelungen. So gilt angesichts der stark steigenden Infektionen im Freistaat zwar mittlerweile im Unterricht die Maskenpflicht, die Abstandsregel aber nicht. Die bayerische Landesregierung beachtet damit nicht einmal ihren eigenen Rahmenplan, der eigentlich die Wiedereinführung der Abstandsregel im Unterricht ab einem Inzidenzwert von 50 vorsieht – unter dem Vorbehalt allerdings, dass die jeweilige Gesundheitsbehörde vor Ort darüber befinden muss. Und das ist noch in keinem Landkreis und keiner Stadt in Bayern geschehen, obwohl der Freistaat mittlerweile komplett als Risikogebiet gilt (der Landkreis Rottach-Inn sogar mit einem Inzidenzwert von aktuell 312).

Nicht mal die von der Staatsregierung erlassene Maskenpflicht im Unterricht gilt überall: Einzelne Kommunen wie München haben ihre Grundschulen eigenmächtig von der Regelung ausgenommen.

Jürgen Böhm, Vorsitzender des bayerischen Realschullehrerverbands, fordert dem Bayerischen Rundfunk zufolge Grenzwerte, die verbindlich sind. Man müsse „die lokale Lage beachten und brauche zugleich Regeln, die anwendbar sind”. Michael Schwägerl, Chef des Bayerischen Philologenverbands, sieht das ähnlich: Man müsse sich fragen, ob man noch die richtige Strategie verfolge „mit einem Stufenplan und Grenzwerten von 35 oder 50, die in der Realität aktuell um ein Mehrfaches übertroffen werden”. Schwägerl forderte laut Bericht klare Aussagen in der Frage, wann der Distanzunterricht kommt, damit „das Vertrauen in die Verantwortlichen und ihre Entscheidungen bestehen bleibt“.

Kultusminister findet offene Briefe von Elternverbänden “befremdlich” – er sei immer zum Gespräch bereit

Von Seiten des Kabinetts werden an dem Schulgipfel den Plänen zufolge Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) sowie Ministerpräsident Markus Söder, Staatskanzleichef Florian Herrmann und Gesundheitsministerin Melanie Huml (alle CSU) teilnehmen. Eingeladen sind auch Vertreter der Lehrer-, Direktoren-, Eltern- und Schülerverbände sowie die kommunalen Spitzenverbände Landkreistag, Städtetag, Gemeindetag und Bezirketag.

Dass es offene Beschwerdebriefe gebe, obwohl er immer zum Gespräch bereit sei, fände er «befremdlich», sagte Piazolo. «Ich würde mir wünschen, dass wir in dieser Krise zusammenhalten und weiterhin im vertrauensvollen Gespräch zwischen Eltern, Lehrkräften und vor allem den Schülerinnen und Schülern flexible Lösungen finden.» News4teachers / mit Material der dpa

Elternverbände starten eine gemeinsame Petition für mehr Corona-Schutz in Schulen – KMK reagiert

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