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Rabe vs. Wissenschaft: Wie der Hamburger Bildungssenator die Debatte verzerrt

Ein Zwischenruf von News4teachers-Herausgeber Andrej Priboschek.

HAMBURG. Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe, als Sprecher der SPD-geführten Kultusministerien in Deutschland auch bundesweit nicht ohne Einfluss, hat in der Sendung „Markus Lanz“ „eine verkürzte Diskussion in der Wissenschaft“ um Schutzmaßnahmen in Schulen gegen Corona-Infektionen kritisiert. „Die Vorstellung, dass Deutschland ein ‚großer Einheitsbrei‘ ist, das passt nicht wirklich.“ Wer diese Wissenschaftler sein sollen, die generelle Schulschließungen oder Wechselunterricht für alle fordern, verriet Rabe in der Sendung allerdings nicht.

Ist sich sicher: Hamburger Bildungssenator Ties Rabe. Foto: Senatskanzlei Hamburg / Michael Zapf

Warum, so hatte Rabe zuvor rhetorisch gefragt, sollten Schüler in niedersächsischen oder schleswig-holsteinischen Landkreisen zu Hause bleiben müssen, wenn die Infektionszahlen in Bayern zu hoch seien? Seine Behörde, so Rabe, habe sich „große Mühe“ gegeben zu erkunden, woher die Corona-Infektionen an den Schulen kämen. Das Ergebnis beunruhige ihn wenig: Nur eine von fünf Ansteckungen waren ursächlich in der Schule entstanden, 80 Prozent kamen aus dem Freizeitbereich der Kinder – behauptete Rabe.

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Tatsache ist allerdings, dass aus der Wissenschaft überhaupt keine Forderung kommt, den Schulbetrieb in Deutschland generell einzuschränken. Die Leopoldina empfiehlt in ihrer aktuellen Stellungnahme den Ländern dringend, einen Schwellenwert von Neuinfektionen festzulegen, ab dem Schutzmaßnahmen in Schulen (die außerhalb der Schulen ja selbstverständlich sind) greifen sollen. Das Robert-Koch-Institut sieht ab einem Inzidenzwert von 50 vor, Schulen in den Wechselunterricht zu nehmen und eine Maskenpflicht im Unterricht aller Jahrgänge, also auch der Grundschulen zu erlassen. Das wäre kein “Einheitsbrei”, das wäre lediglich ein einheitlicher Maßstab – den die Länder, auch Hamburg, leider seit Monaten verweigern.

Rabe hatte schon im Mai Kinder und Jugendliche für praktisch immun gegenüber Corona-Infektionen erklärt

Logisch gerechtfertigt wären unterschiedliche Maßstäbe für den Umgang mit dem Coronavirus nur, wenn sich beispielsweise in Hamburg eine weniger gefährliche Variante als in Bayern verbreitet hätte. Das allerdings hat noch nicht einmal der Bildungssenator der Hansestadt, der seine Thesen öffentlich forsch vorträgt und schon im Mai Kinder und Jugendliche für praktisch immun gegenüber Corona-Infektionen erklärt hatte, bislang vertreten.

Dafür behauptet er, dass in Schulen kaum Infektionen stattfinden. Als Beleg führt er seit Wochen eine – intransparente – Erhebung seiner Schulbehörde an, so auch gestern Abend. Dass diese Datensammlung medial zerpflückt wurde, dass es dabei schon peinlich deutlich nicht um Aufklärung, sondern um Bestätigung des Kurses geht (Tagesspiegel: Hamburger Zahlenspiele, um die Schulen offen zu halten”), ficht Rabe nicht an. Offenbar hat der SPD-Politiker von Populisten gelernt, dass man selbst Unsinn nur oft genug wiederholen muss, bis ein nennenswerter Teil der Öffentlichkeit daran glaubt.

Die Leopoldina hatte in ihrer aktuellen Stellungnahme, an der auch RKI-Präsident Prof. Lothar Wieler beteiligt ist, festgestellt: „Eine effektive Kontaktnachverfolgung ist vielfach nicht mehr möglich.“ Schon Anfang Oktober war auf einer Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel festgestellt worden, dass drei von vier Infektionsketten nicht mehr nachvollziehbar sind. In Hamburg, so will Rabe glauben machen, ist das  anders. News4teachers hatte versucht, das Geheimnis zu ergründen, wie die Hamburger Schulbehörde schafft, was den Gesundheitsämtern in Deutschland nicht mehr gelingt. Die Antwort der Pressestelle blieb im Vagen: “In Hamburg kooperieren die Schulleitungen sehr eng mit den regionalen Gesundheitsämtern bei der Kontaktnachverfolgung.” Eine Nachfrage, was das denn konkret bedeutet, blieb ohne Antwort.

Mit die größten in Deutschland registrierten Corona-Ausbrüche an Schulen fanden in Hamburg statt

Von den drei größten bislang in Deutschland registrieren Corona-Ausbrüchen an Schulen fanden zwei an Hamburger Schulen statt – mit jeweils Dutzenden von infizierten Schülern und Lehrern. Wie das möglich ist, wenn die Infektionen doch praktisch nur in der Freizeit stattfinden, auch das wäre durchaus mal eine Erklärung von Herrn Rabe wert. News4teachers

Größter Ausbruch an Schule in Deutschland – ausgerechnet in Hamburg (wo der Bildungssenator am Vortag die Schulen für sicher erklärt hat)

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