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“Gegen den Geist der Beschlüsse”: Kanzleramt kritisiert Schulöffnung in Niedersachsen

BERLIN. Die teilweise Öffnung der Schulen in Niedersachsen stößt im Bundeskanzleramt auf Kritik. «Die vorzeitige Schulöffnung ist sehr eindeutig gegen den Geist der Beschlüsse von Bund und Ländern», sagte der Staatsminister im Kanzleramt, Hendrik Hoppenstedt, der «Hannoverschen Allgemeinen Zeitung». «Die Schule ist ein normaler Infektionsort. Es gibt keine Erkenntnisse, dass es in den Schulen besser ist als im Rest der Gesellschaft.» Unterdessen wurde eine Online-Petition gestartet, die die Schulöffnungen stoppen will.

Schluss mit lustig. Foto: Armin Linnartz / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0 DE)

Für die niedersächsischen Schüler hat der Unterricht nach den Weihnachtsferien am Montag wieder begonnen – die meisten müssen dabei von zu Hause aus lernen. Abschlussklassen werden allerdings im sogenannten Szenario B in geteilten Klassen abwechselnd zu Hause und in der Schule unterrichtet. Von kommender Woche an gilt der Wechselunterricht bis Ende Januar auch für Grundschüler.

Eine Sprecherin der Landesregierung verteidigte dieses Konzept. «Die Kritik von Herrn Hoppenstedt ist nicht korrekt: Das Vorgehen in Niedersachsen bewegt sich selbstverständlich innerhalb des zwischen Bund und Ländern vereinbarten Rahmens», sagte sie der «HAZ».

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Eine Online-Petition gegen den Präsenzunterricht in Niedersachsen fand bis Montagmorgen rund 2400 Unterzeichner. Darin werden Ministerpräsident Stephan Weil und Kultusminister Grant Hendrik Tonne (beide SPD) aufgefordert, «die weitreichenden Öffnungen unverzüglich rückgängig zu machen», weil Schüler, Lehrer und Mitarbeiter an den Schulen unkalkulierbaren Risiken ausgesetzt würden. dpa

Im Wortlaut

Mit diesem Brief an den Niedersächischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) und Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) versucht eine Petition, auf die Gefahr der Schulöffnungen hinzuweisen. Wörtlich heißt es:

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Weil, sehr geehrter Herr Kultusminister Tonne,

mit Entsetzen haben wir zur Kenntnis genommen, wie Sie die Lockdown- Beschlüsse vom 5. Januar an den niedersächsischen Schulen umzusetzen gedenken. Abschlussklassen sollen bereits ab dem 11. Januar im Wechselunterricht wieder an den Schulen präsent sein, Grundschulkinder ab der Folgewoche. Die Konsequenz: Eine Unzahl vermeidbarer Kontakte auf dem Schulweg und in der Schule.

Wir fordern Sie auf, die weitreichenden Öffnungen unverzüglich rückgängig zu machen. Die von Ihnen getroffenen Entscheidungen ignorieren wesentliche epidemiologische und virologische Erkenntnisse. Sie zwingen Menschen dazu, sich unverantwortlichen Risiken auszusetzen, und konterkarieren das Ziel des bundesweiten Lockdowns.

  • Immer mehr Einzelfallstudien und international vergleichende Analysen widerlegen die gebetsmühlenartig wiederholte Behauptung, an Schulen gebe es kein wesentliches Infektionsgeschehen.
  • Durch die Virusvariante B1.1.7, die sich in vielen europäischen Staaten bereits durchsetzt, besteht die Gefahr eines massiv gesteigerten Infektionsrisikos – mit allen Konsequenzen. Ihr Beschluss ignoriert derartige Entwicklungen schlicht. Stattdessen sollen es die bereits im Herbst versendeten Hygienekonzepte richten. Das ist grob fahrlässig.
  • Für die Betroffenen (Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, weiteres Personal) bedeutet all dies: Sie – und damit auch ihre Angehörigen – werden in der derzeitigen Coronalage unkalkulierbaren Risiken ausgesetzt.
  • Ihre Entscheidung widerspricht klar dem Geist des Lockdownbeschlusses. Wie soll so das bundesweite Ziel einer drastischen Reduktion der Fallzahlen erreicht werden, um die Ausbreitung von B.1.1.7 zu verlangsamen, eine völlige Überlastung unseres Gesundheitssystems zu verhindern und die katastrophale Zahl der Erkrankten und Verstorbenen zu reduzieren?

Unsere Forderung steht in keinerlei Widerspruch zu dem Ziel, Schülerinnen und Schülern eine baldige Rückkehr zu möglichst umfassendem Präsenzunterricht zu ermöglichen. Im Gegenteil: Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es einer konsequenten Eindämmungsstrategie. Mit ihrem Vorgehen rückt es in immer weitere Ferne.

Bodo Ramelow, der Ministerpräsident Thüringens, hat jüngst ein Zeichen politischer Größe gesetzt. Er hat öffentlich eingestanden, die Schwere der Situation unterschätzt zu haben. Bitte revidieren Sie ihre Entscheidung und schließen Sie die niedersächsischen Schulen umgehend.

Hier geht es zur Petition.

Die Kritik am Schul-Chaos der Bundesländer wächst – der Kinderschutzbund spricht von „Versagen“ der Kultusminister

 

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