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Was passiert nach dem 31. Januar mit Kitas und Schulen? Das Chaos geht weiter – Kultusminister lehnen klare Regeln weiterhin ab

BERLIN. Was passiert nach dem 31. Januar, wenn der Bund-Länder-Beschluss zum weitgehenden Lockdown der Schulen ausläuft? Die Bundesländer sind offenbar gewillt, das Chaos weiterzutreiben – gemeinsame Regeln, die den Corona-Schutz transparent machen würden und an denen sich Schüler, Eltern und Lehrer orientieren könnten, soll es auch in den kommenden Monaten nicht geben. Das hat die neue KMK-Präsidentin, Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD), erkennen lassen. In den ARD-„Tagesthemen“ sagte sie, die Kultusminister wollten keinen Automatismus anhand der Infektionsstatistik. «Wir möchten genau hingucken und die Gesamtsituation beurteilen.»

Die Nationalakademie Leopoldina forderte in einer Stellungnahme Anfang Dezember, an der auch RKI-Präsident Prof. Lothar Wieler sowie Charité-Chefvirologe Prof. Christian Drosten mitgearbeitet hatten und die dann zur wissenschaftlichen Grundlage für den aktuellen Lockdown wurde, für den Wiederbeginn des Unterrichts sollte in allen Bundesländern das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes im Unterricht für alle Jahrgangsstufen verpflichtend sein. Zudem sollten ländereinheitliche Regeln für den Wechselunterricht ab der Sekundarstufe erarbeitet werden, die ab einer bestimmten Inzidenz greifen. (News4teachers berichtete über die Stellungnahme der Leopoldina.) Das Robert-Koch-Institut wird noch konkreter: Es empfiehlt Wechselunterricht für alle Jahrgänge sowie eine generelle Maskenpflicht im Unterricht ab einem Inzidenzwert von 50. Kein Bundesland folgt bislang diesen Empfehlungen.

“Wir machen eine Ausnahme für die Abschlussklassen, damit die Schüler nicht so die Leidtragenden der Corona-Pandemie sind”

Von Moderatorin Caren Miosga gefragt, warum überhaupt Schüler in Brandenburg in Präsenz unterrichtet würden – wo das Land doch einen Inzidenzwert von 200 hat – antwortete Ernst gestern Abend: Brandenburgs Schulen liefen komplett im Fernunterricht. „Wir machen eine Ausnahme für die Abschlussklassen, damit die Schülerinnen und Schüler nicht so die Leidtragenden der Corona-Pandemie sind und auch in diesem Jahr Abitur und Mittleren Abschluss machen können. Das sind die einzigen, für die wir eine Ausnahme machen.“ (Was nicht stimmt: Auch die Förderschulen “geistige Entwicklung” sind in Brandenburg für den Präsenzunterricht geöffnet.)

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Miosga wandte ein: Jedes Land mache eigene Ausnahmen. Die KMK habe doch eigentlich klare Richtlinien vorgeben wollen. Herausgekommen sei ein Stufenmodell, das eine Rückkehr in den Präsenzunterricht in Stufen als möglich beschreibt, „sollte es die Situation zulassen“. Miosga: „Warum geben Sie nicht für alle nachvollziehbar vor, bei Infektionszahl XY beginnt der Wechselunterricht oder bei Infektionszahl XY müssen alle nach Hause – dann wäre es doch für alle gleich klar?“

Ernst: „Die Kultusminister möchten nicht gerne einen Automatismus haben, dass bei einer bestimmten Inzidenz Schulen geschlossen werden. Wir haben in den vergangenen Monaten Situationen, wo der Grund in Pflegeheimen liegt, in Krankenhäusern, in Schlachtbetrieben und wir möchten einfach genau hingucken und die Gesamtsituation beurteilen. Man kann auch nicht, wenn man zwei Tage über einer Inzidenz ist, Schulen schließen und wieder öffnen, insofern machen wir eine Gesamtbetrachtung, aber natürlich spielen die Inzidenzen eine große Rolle.“ Der Präsenzunterricht für die Abschlussklassen sei von den Kultusministern schon im Dezember beschlossen worden. Die KMK gehe dabei einig vor.

Woher nehmen die Kultusminister denn die Daten, um die Situation in den Schulen objektiv beurteilen zu können?

Woher die Kultusminister die Daten nehmen, um eine seriöse Gesamtbetrachtung vorzunehmen, blieb offen – in Schulen finden Reihenuntersuchungen von Schülern und Lehrern auch nach Corona-Infektionen nur äußerst selten statt. Die Gesundheitsämter können die Infektionsketten längst nicht mehr nachvollziehen. In Hamburg gab es, bundesweit einmalig, eine wissenschaftliche Untersuchung zu einem Ausbruch in einer Schule mit mehreren Dutzend infizierten Schülern und Lehrern. Ergebnis: Es handelte sich um ein sogenanntes Superspreader-Event. Ansteckungen innerhalb der Schule wurden damit zweifelsfrei nachgewiesen.

Die Studie, die die Hamburger Gesundheitsbehörde in Auftrag gegeben hatte, ist bis heute – drei Monate nach ihrer Fertigstellung – noch nicht vollständig veröffentlicht. Bildungssenator Ties Rabe (SPD) steht in Verdacht, die Untersuchung vertuscht zu haben. Mehr noch: Rabe präsentierte im Vorfeld des Bund-Länder-Gipfels am 25. November (bei dem beschlossen wurde, den Wunsch der Bundeskanzlerin nach einer Einschränkung des Kita- und Schulbetriebs abzulehnen) eigene, von seiner Schulbehörde angeblich ermittelte Daten, die belegen sollen, dass der Schulbetrieb sicher sei. Bis heute gibt es keine unabhängige wissenschaftliche Begutachtung dieser Daten. (News4teachers berichtet ausführlich über die Affäre – hier geht es zum aktuellsten Beitrag.)

So lässt sich bezweifeln, dass bei allen Kultusministern der politische Wille besteht, den Corona-Schutz in den Schulen zum Maßstab des Handelns zu machen. Die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) machte Druck vor dem jüngsten Bund-Länder-Gipfel, Kitas und Schulen unabhängig von Inzidenzwerten offen zu lassen. Damit konnte sie sich zwar nicht durchsetzen; Baden-Württemberg hat aber angekündigt, die Schulen früher wieder öffnen zu wollen als vor dem vereinbarten 31. Januar, sofern es das Infektionsgeschehen erlaube. Was dafür das entscheidende Kriterium sein soll? Wie gehabt: Keine Festlegung.

Bremens Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD) forderte Eltern in der vergangenen Woche sogar auf, ihre Kinder zur Schule zu schicken. In Bremen läuft der Präsenzunterricht weiter; lediglich die Schulbesuchspflicht wurde ausgesetzt. (Auch darüber berichtete News4teachers groß – hier geht es hin.)

“Wir Kultusministerinnen und Kultusminister sagen alle, dass Schulen keine Treiber des Infektionsgeschehens sind”

Im jüngsten KMK-Beschluss vom 4. Januar heißt es im ersten Satz: “Die Kultusministerinnen und Kultusminister bekräftigen, dass die Öffnung von Schulen höchste Bedeutung hat.” Vom Gesundheitsschutz ist in dem Papier lediglich “in Abwägung” die Rede. Ernst selbst liegt auf dieser Linie. «Wir Kultusministerinnen und Kultusminister sagen alle, dass Schulen keine Treiber des Infektionsgeschehens sind», so erklärte sie aktuell in einem Interview auf dem Blog des Bildungsjournalisten Jan-Martin Wiarda. «Ich persönlich sage, dass Schulen mit den geeigneten Hygienemaßnahmen, mit Abstandsregeln und mit einer kompletten Kontaktnachverfolgung für viele Jugendliche gute Orte sind, um das Infektionsgeschehen einzudämmen. Ich sage auch, dass das Infektionsgeschehen in Kita und Grundschule, was die Alterskohorte angeht, deutlich unter dem der Bevölkerung liegt.»

Dem stehen Aussagen von Wissenschaftlern wie dem Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie des Universitätsklinikums Halle, Prof. Alexander S. Kekulé, entgegen: An weiterführenden Schulen gebe es schwerste Ausbrüche, sagte er im Dezember. Jugendliche Schüler seien „ganz starke Treiber der Pandemie. Das ist ohne Wenn und Aber erwiesen.“

Lernplattformen brechen reihenweise zusammen – Ernst wirbt um Verständnis

Angesichts andauernder Schwierigkeiten mit überlasteten Lernplattformen für Schulen warb Ernst in den „Tagesthemen“ um Verständnis bei frustrierten Kindern und Eltern. Dass Server in Schulen manchmal nicht funktionierten, sei ärgerlich, sagte die brandenburgische Bildungsministerin (SPD). «Aber was wir in den vergangenen fünf bis acht Jahren versäumt haben an Initiativen für die digitale Bildung, holen wir nicht in sechs bis neun Monaten auf.» Sie fügte an: «Ich gebe zu, wir wären gerne woanders.»

Auf die Frage, warum nicht leerstehende Theater oder Messehallen für die Schulen angemietet werden können – um die Abstandsregel während des Unterrichts einführen zu können -, sagte Ernst, die Idee sei gut, aber begrenzt umsetzbar, weil beim Unterricht ja nicht eine Gruppe den ganzen Tag zusammenkomme. Ernst übernimmt am 14. Januar offiziell die Präsidentschaft von der rheinland-pfälzischen Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD). Ihren Vorsitz will Ernst unter das Thema «Lehren und Lernen und guter Unterricht in den Zeiten der digitalen Transformation» stellen. News4teachers / mit Material der dpa

Das neue KMK-Präsidium

Brandenburg stellt in 2021 zum zweiten Mal nach 2005 die Präsidentin der Kultusministerkonferenz. Die brandenburgische Bildungsministerin Britta Ernst wurde während der virtuellen 372. Kultusministerkonferenz zur Präsidentin der KMK für die Amtszeit 2021 gewählt. Sie folgt im Amt auf die rheinland-pfälzische Bildungsministerin, Dr. Stefanie Hubig, die jetzt 3. Vizepräsidentin wird.

Zu Vizepräsidenten für das Jahr 2021 wählte die Kultusministerkonferenz:

1. Vizepräsidentin: Bildungsministerin Karin Prien (Schleswig-Holstein, CDU)
2. Vizepräsidentin: Bildungssenatorin Sandra Scheeres (Berlin, SPD)
3. Vizepräsidentin: Bildungsministerin Stefanie Hubig (Rheinland-Pfalz, SPD)

Kultusminister Alexander Lorz (Hessen, Koordinator der unionsgeführten Kultusministerien) und Bildungsenator Ties Rabe (Hamburg, Koordinator der SPD-geführten Kultusministerien) gehören dem Präsidium der Kultusministerkonferenz als kooptierte Mitglieder an.

Kultusminister einigen sich auf „Stufenplan“ – ohne Stufen und ohne Plan: Weder Grenzwerte noch Termine werden genannt

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