DÜSSELDORF. Lehrkräfte und Kita-Personal bekommen ihre Corona-Impfung schon ab Anfang März. Dies soll die umstrittene Öffnung von Schulen und Kitas sicherer machen. Doch andere Berufsgruppen wie die Polizei müssen jetzt noch länger warten – das sorgt für Ärger. Auch die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Prof. Dr. med. Alena Buyx, sieht die priorisierte Impfung von Lehrkräften und Erzieherinnen und Erziehern kritisch. «Wenn ich das ehrlich beantworten soll, habe ich sehr gemischte Gefühle», erklärte Buyx am Dienstag im Deutschlandfunk.
Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern hatten sich am Montag geeinigt, Lehrkräfte an Grund- und Förderschulen und Kita-Erzieher in der Impfreihenfolge von der Gruppe drei (erhöhte Priorität) in die Gruppe zwei (hohe Priorität) hochzustufen. Zur Gruppe zwei zählen außerdem viele chronisch Kranke und Menschen über 70, auch Polizei- und Ordnungskräfte, die im Dienst einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt sind.
Sie könne zwar die politische Motivation nachvollziehen, so erklärte nun die Ethikrat-Vorsitzende Buyx, auch wisse sie, dass Schulen und Kitas ein «essenzieller Bereich der Gesellschaft» seien. «Ich muss aber auch gestehen: Ich hätte mir gewünscht, dass man eine erhöhte Sicherheit dort erreicht hätte, beispielsweise über Tests.» Das Verändern der Impf-Priorisierung bedeute nämlich auch, dass man das ursprüngliche Prinzip dahinter aufgebe. Der Impfplan sei «sehr gut überlegt» gewesen.
«Wenn Sie einer Gruppe bevorzugt etwas geben, dann fehlt es eben tatsächlich irgendwo anders»
Zudem habe die ständige Impfkomission klar gesagt, dass Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher nicht den gleichen Risiken ausgesetzt seien wie Menschen, die von Beginn an in der zweiten Gruppe der Impf-Reihenfolge waren, «da reden wir ja tatsächlich von Patientinnen und Patienten, die aktiv in der Chemotherapie sind», sagte Buyx. «Und das (…) macht mir Bauchschmerzen.»
Zudem sei die Verteilung der Vakzine angesichts der knappen Impfmengen derzeit sowieso schon ein Problem. Zwar gebe es keinen «harschen Verteilungskonflikt», und in der nächsten Zeit rechne man mit viel mehr Impfdosen. Aber klar sei derzeit auch: «Wenn Sie einer Gruppe bevorzugt etwas geben, dann fehlt es eben tatsächlich irgendwo anders», erklärte die Ethikrats-Vorsitzende. So werde der Impfprozess im Gesamten verlangsamt.
In Nordrhein-Westfalen soll es ab März vorgezogene Corona-Impfungen für Lehrkräfte und Kita-Personal geben. Das kündigte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Dienstagmorgen im WDR an. «Ich denke, dass wir damit in der ersten Märzhälfte beginnen», sagte Laumann in dem Interview. Der Minister räumte zugleich ein, dass sich mit dieser Entscheidung die Impfung für andere Berufsgruppen verzögern werde.
Mit den Lehrkräften und dem Kita-Personal rücke eine «gewaltige Berufsgruppe» in die höhere Prioritätsgruppe, zugleich sei keine andere Gruppe herausgenommen worden, und der Impfstoff werde nicht mehr, sagte Laumann. Deshalb dauere es für alle Menschen in der Gruppe 2 länger. «Ich kann nicht gleichzeitig die Polizei impfen und die Lehrer impfen», sagte Laumann. Dasselbe gelte für die chronisch Kranken. Der NRW-Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Mertens, reagierte mit scharfer Kritik. «Dass jetzt die Polizisten nach hinten rutschen sollen, macht mich fassungslos. Ich bin darüber total verärgert», sagte Mertens der «Rheinischen Post».
«Es stehen derzeit nur begrenzte Mengen Impfstoff zur Verfügung. Ich halte diesen Wettlauf, der jetzt ausbricht, für falsch»
Die Polizei habe keine einzige Wache geschlossen, keinen Einsatz abgesagt, obwohl Polizisten im Einsatz bespuckt und angeschrien würden. Man wolle offensichtlich den Lehrern die Rückkehr in die Schule schmackhaft machen, sagte der GdP-Landesvorsitzende. «Das hier ist der Moment der Wahrheit: Wie steht die Politik zur Polizei?», sagte Mertens.
Kritik kam auch von Laumanns Kabinettskollege Herbert Reul (CDU). Der Innenminister sagte auf Anfrage: «Die Ständige Impfkommission hat eine Reihenfolge und die Prioritätengruppen erarbeitet. Dem ist das Bundesgesundheitsministerium gefolgt. Diese Ordnung sollten wir im Sinne der Glaubwürdigkeit beibehalten und nicht Woche für Woche infrage stellen.» Reul betonte: «Es stehen derzeit nur begrenzte Mengen Impfstoff zur Verfügung. Ich halte diesen Wettlauf, der jetzt ausbricht, für falsch. Ich werde mich daran nicht beteiligen.»
Der Verband Bildung und Erziehung VBE begrüßte hingegen die Entscheidung. «Es gibt eine Sehnsucht, dass Schulen wieder in den Präsenzunterricht einsteigen. Dies sollte dann aber auch damit verbunden werden, die Lehrenden und Lernenden bestmöglich zu schützen», erklärte der NRW-Landesvorsitzende Stefan Behlau. Deswegen sei es ein guter Schritt, das Impfangebot für das Personal in den Kitas, den Grund- und Förderschulen vorzuziehen. «Konsequenter wäre es, das Angebot allen Kolleginnen und Kollegen zu unterbreiten, die im Präsenzunterricht tätig sind – egal in welcher Schulform.» News4teachers / mit Material der dpa