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Schüler dürfen freiwillig sitzenbleiben – Schulleiter warnen vor übervollen Klassen

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DÜSSELDORF. Wegen der langen durch die Corona-Pandemie verursachten Fehlzeiten an den Schulen können Schüler in immer mehr Bundesländern die Jahrgangsstufe nun freiwillig wiederholen. Hamburg, wo es eigentlich kein Sitzenbleiben mehr gibt, und Nordrhein-Westfalen haben entsprechende Regelungen angekündigt. In Berlin protestieren Schulleiter gegen Pläne, allen Schülern das freiwillige Sitzenbleiben zu ermöglichen. Die Direktoren und Rektoren fürchten eine «schulorganisatorische Katastrophe».

Sitzenbleiben – sinnvolle pädagogische Maßnahme zur Bewältigung der Corona-Folgen? Foto: Shutterstock

Eine aktuelle Umfrage habe alarmierenden Handlungsbedarf zutage gefördert, so teilt die Landeselternschaft der Gymnasien mit: Demnach erwarten mehr als 40 Prozent der über 41.000 Eltern, die geantwortet haben, mittelgroße bis schwerwiegende Wissenslücken durch den eingeschränkten Unterricht in der Corona-Pandemie. Unter den 224 Gymnasialdirektoren, die im Januar ebenfalls an einer Befragung der Elternschaft teilgenommen hatten, sieht nur eine Minderheit keine coronabedingten Lernlücken. 22 Prozent der Direktoren sehen sich nicht in der Lage, Schüler und Eltern am Ende der 6. Klasse zuverlässig über einen angemessenen Schulwechsel zu beraten.

Schüler können freiwillig wiederholen, ohne dass das auf die maximal zugelassene Verweildauer an der Schule angerechnet wird

Was tun? Die nordrhein-westfälische Landesregierung reagiert mit einer Lockerung der Regeln fürs Sitzenbleiben. Die Schüler im Land müssen am Ende dieses zweiten Corona-Schuljahres keine «blauen Briefe» fürchten. Es würden keine Schreiben zu gefährdeten Versetzungen verschickt, sagte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP). Anders als im vergangenen Schuljahr können leistungsschwache Schüler aber trotzdem sitzenbleiben. Es werde am Ende des Schuljahres «Versetzungsentscheidungen» geben, sagte die Ministerin. Zugleich würden aber erweiterte Nachprüfungsmöglichkeiten geschaffen. Schüler könnten eine Klasse auch freiwillig wiederholen, ohne dass das auf die maximal zugelassene Verweildauer an der Schule angerechnet werde.

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Die Maßnahmen sind im Bildungssicherungsgesetz 2021 enthalten, das vom Kabinett beschlossen wurde und nun in die Verbändeanhörung geht. Mit dem Gesetz sollen laut Gebauer «faire und gerechte Bedingungen in Pandemie-Zeiten» ermöglicht werden. Den Schülerinnen und Schülern sollten auch in diesem Jahr durch die Pandemie keine Nachteile für ihre Bildungs- und Berufswege entstehen. Am Ende der Erprobungsstufe nach Klasse 6 sollen dieses Jahr nach Beratung durch die Schule ausnahmsweise die Eltern entscheiden können, ob ihr Kind eine Ehrenrunde dreht oder die Schulform wechselt. Die Klassenkonferenz soll trotzdem eine Aussage dazu treffen, ob ein Schüler an der gewählten Schulform bleiben kann.

Wegen der langen durch die Corona-Pandemie verursachten Fehlzeiten an den Schulen können auch Hamburgs Schüler die Jahrgangsstufe nun freiwillig wiederholen. Die Schulbehörde habe das in der Hansestadt seit Jahren geltende sogenannte Verbot des Sitzenbleibens für dieses Schuljahr aufgehoben, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD). «Nach den langen Schulschließungen wird es nicht immer gelingen, dass Schülerinnen und Schüler wieder Anschluss an ihre Lerngruppe finden.» Daher sollen freiwillige Klassenwiederholungen im kommenden Schuljahr großzügig zugelassen werden, wenn sie pädagogisch sinnvoll und erforderlich seien.

Bisher ist das Wiederholen einer Klasse in Hamburg nur im Ausnahmefall etwa bei einer besonders großen Belastung wie einer langen Krankheit oder der Scheidung der Eltern möglich. Diese Einschränkung entfalle nun. Es werde grundsätzlich angenommen, dass die Corona-Pandemie eine große Belastung sei. Ob nun ein Wiederholen des Schuljahres oder der Verbleib in der Klasse für das Kind oder den Jugendlichen besser ist, entscheidet den Angaben zufolge die jeweilige Schule allein. Das gelte auch für die Jahrgangsstufe 10. Die Wiederholung einer Jahrgangsstufe in der gymnasialen Oberstufe werde wegen der besonderen Umstände in diesem Schuljahr nicht auf die Verweildauer angerechnet.

Schulleiter: Es droht ein nicht planbares Schuljahr – und ein Verlust von Sozialbeziehungen für die Schüler

Berlins Schulleiter protestieren gegen Pläne, allen Schülern in der Bundeshauptstadt das freiwillige Wiederholen des Schuljahrs zu ermöglichen. Über eine entsprechende Änderung des Berliner Schulgesetzes soll am heutigen Donnerstag im Abgeordnetenhaus vor dem Hintergrund der anhaltenden Corona-Pandemie und deren Auswirkungen auf den Unterricht entschieden werden. Alle Schulen müssten dann jede von den Eltern gewünschte Wiederholung einer Klasse möglich machen, das könne zu einer «schulorganisatorischen Katastrophe» führen, warnten fünf Schulleiterverbände in einer gemeinsamen Erklärung.

Dem Protest angeschlossen haben sich die Vereinigung der Oberstudiendirektoren des Landes Berlin (VOB), die Vereinigung Berliner Schulleiterinnen und Schulleiter in der GEW, die Vereinigung der Leitungen berufsbildender Schulen, der Interessenverband Berliner Schulleitungen und die Vereinigung der Berliner ISS Schulleiterinnen und Schulleiter.

Weil nicht in jedem Jahrgang so viele Schüler die Klasse verlassen, wie möglicherweise freiwillige Wiederholer dazukommen, befürchten die Verbände übervolle Klassen zum Beginn des neuen Schuljahrs, fehlendes Personal für neu einzurichtende Klassen und eine prekäre Raumsituation. Es drohe ein schlichtweg nicht planbares Schuljahr, warnten die Schulleiter. «Vor allem aber: Ein noch größerer Verlust von Sozialbeziehungen der schon jetzt nach gelebter Gemeinschaft dürstenden Kinder und Jugendlichen.» News4teachers / mit Material der dpa

GEW ist sich mit Schulleitungen einig: Das Schuljahr ist nicht mehr zu retten – sagt Prüfungen ab! Kein Sitzenbleiben!

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